Krypto-App-Gründer: Regulierung darf nicht in Verbotsorgie ausarten
Kryptowährungen gibt es seit über einem Jahrzehnt. Trotzdem fällt es Institutionen weltweit schwer, Richtlinien für die Cyberdevisen festzuzurren. Ulli Spankowski hat sich mit seiner Krypto-Trading-App Bison bewusst strengen Regularien unterworfen. Bison ist die erste Krypto-Handelsplattform, hinter der ein traditionelles Finanzinstitut, die Börse Stuttgart, steckt. Knapp 3 Jahre nach dem Start der App erzählt Spankowski der futurezone im Interview, warum er sich für eine Wertpapierbörse als Partner entschieden hat, was er von den neuen Krypto-Regulierungen der EU hält und wie es um die gebeutelte Branche steht.
futurezone: Wieso haben Sie sich für die Börse als Partner entschieden?
Ulli Spankowski: Regulierung schafft Vertrauen. Als ich im Kryptoumfeld die ersten Schritte gemacht habe, wusste ich, dass mein Geld irgendwo nach Osteuropa geht, zu Banken, deren Namen ich nicht einmal richtig aussprechen konnte. Da investiert man nur Beträge von 20 oder 30 Euro. Bei einem namhaften Institut wie der Börse Stuttgart ist das anders. Da habe ich nicht das Gefühl, dass ein Institut mit 160 Jahren Tradition irgendetwas tun möchte, um negativ aufzufallen.
Sie sagen, Ihre App schafft Vertrauen. Gibt es noch Vorteile im Vergleich zu anderen Börsen? Von der Aufmachung her ist die App ja ähnlich.
Sie ist ähnlich, ja. Ich würde aber behaupten, die Anleger anderer Börsen sind im Schnitt jünger als bei uns. Unsere App ist recht jugendlich gemacht. Die ursprüngliche Zielgruppe sollte zwischen 20 und 35 liegen. Faktisch ist die Hauptzielgruppe 35 bis 70 Jahre alt und hat enorm große Investmentportfolios. Für Personen, die 50 Euro in Krypto investieren möchten, gibt es viele Plattformen. Wenn ich aber mehrere tausend Euro anlegen will, dann überlege ich mir sehr genau, über welchen Partner ich das machen möchte.
Wenn ein herkömmlicher Finanzdienstleister auf so neuartige Assets wie Kryptowährungen trifft: Welche Regularien mussten Sie einhalten, damit Sie so ein Angebot umsetzen konnten?
Das volle regulatorische Set. Die ganze Kryptoindustrie ist ja komplett unreguliert entstanden. Schon allein draufzukommen, welche AGB für wen gelten, wie lange es dauern darf, bis Krypto von A nach B kommt – diese ganzen Komplexitäten mussten wir durchdenken. Und das hat jetzt nichts mit Regularien zu tun: Aber ein klassischer Finanzdienstleister kennt nur Arbeitszeiten von Montag bis Freitag, 8 bis 22 Uhr. Wir mussten der Börse erklären, dass das so nicht funktionieren wird und wir das Projekt 7/24 aufziehen müssen. Das war am Anfang eine Riesendiskussion.
Jetzt hat sich die EU Ende Juni auf „MiCA“ geeinigt, eine Verordnung, die Krypto regulieren soll. Was halten sie denn von dem neuen Regelwerk?
In Summe ist es begrüßenswert. Regulierungen in gesundem Maße sind der Schlüssel zum Erfolg. Das haben wir auch 2020 gemerkt, als in Deutschland die Kryptoverwahrlizenz eingeführt wurde. Klassische Finanzdienstleister, die sich vorher kaum mit Krypto beschäftigt haben, haben gesagt: Jetzt gibt uns die Aufsicht Rahmenbedingungen vor, jetzt können wir uns das ansehen. Wichtig ist, dass es nicht in eine Verbotsorgie ausartet.
Was würden sie eingefleischten „Krypto-Heads“ sagen, die meinen, ein Regelwerk gehe gegen den anarchischen Grundgedanken von Krypto?
Zwischen 2016 und 2017 war ich oft auf Kryptokonferenzen. Dort hat man mich gefragt, was das größte Problem an Bitcoin sei. Meine Antwort: Dass sich keiner dafür interessiert. Es ist für den Massenmarkt einfach zu komplex gewesen, in Krypto zu investieren. 99 Prozent der Menschen haben keine Angst vor ihrer Bank. Sie konsumieren ständig ihre Produkte. Hierfür sind Kryptoregulierung ja auch da, damit kein überbordendes Maß an Missbrauch betreiben wird. Im Defi-Bereich ist es nicht anders. Alles, was mit Terra/Luna passiert ist, war reine Marktmanipulation. Im klassischen Finanzgeschäft würden diejenigen, die das zu verantworten haben, angeklagt. Aber es gibt keine Regeln, die das bestrafen.
Was sind MiCA und DeFi?
„Markets in Cypto Assets“ (MiCA) ist das neue Krypto-Regelwerk der EU, auf das sich Parlamentarier*innen und Vertreter*innen der Mitgliedsstaaten im Juni 2022 einigten. Die neuen Vorschriften verpflichten Anbieter dazu, strengere Vorgaben zum Schutz der Wallets der Verbraucher*innen zu erfüllen. Plattformen können haften, wenn sie Kryptoassets ihrer Anlegerschaft verlieren. Sie müssen den Regulator außerdem über ihren ökologischen und klimatischen Fußabdruck informieren. MiCA soll Marktmanipulationen wie Insider-Geschäfte sowie Geldwäsche auf Kryptoplattformen erschweren. Emittenten von Stablecoins müssen für alle ausgegebenen Assets Reserven in Fiatwährung bilden. Die Kommission hat den MiCA-Vorschlag am 24. September 2020 vorgelegt. Das Gesetz durchläuft nun ein förmliches Annahmeverfahren und soll Ende 2023 in Kraft treten.
DeFi steht für „Decentralized Finance“. Es ist ein Sammelbegriff für Finanzdienstleistungen, die dezentral (sprich ohne Mittelsmann bzw. -frau) abgewickelt werden. Im Gegensatz zu klassischen Finanzservices basieren DeFi-Transaktionen auf Blockchains und erfolgen über sogenannte Smart Contracts. Dabei handelt es sich um digitale Verträge, die automatisch ausgeführt werden, wenn bestimmte Bedingungen bei einer Transaktion erfüllt sind.
Großbanken beobachten DeFi mit Argusaugen, damit sich hier kein paralleler Finanzmarkt auftut. Könnte es verboten werden?
Ein Verbot wäre Quatsch. Wir leben jetzt schon unser Leben zum Großteil im Internet. Ich glaube, DeFi ist eine sinnvolle, gesellschaftliche Erweiterung, die früher oder später kommen wird. Es gibt auch schon Defi-Projekte, die sich mit Compliance und Regulierungen beschäftigen und explizit sagen: Wir würden gerne unter bestimmten Regeln diese Produkte anbieten und nicht jeder kann jedem alles leihen, was er möchte. Ich glaube, dahin wird es gehen.
Wir haben gerade über Terra/Luna gesprochen. Angesichts des Crashs: Haben Altcoins ihrer Meinung nach ausgedient? Ist das eine Bestätigung für Bitcoin-Befürworter*innen?
Nein, ich glaube nicht an „Bitcoin only“. Bitcoin hat seine Daseinsberechtigung, aber bei Altcoins wird jede Menge passieren. Man denke nur an die Automobilindustrie: Wenn ich in meinem neuen Auto eine Sitzheizung verbaut habe und die nur dann bezahlen muss, wenn ich sie anmache, kann sowas über die Blockchain abgewickelt werden. Bei Pay-per-Use habe ich jede Menge Zwischendienstleister in der Wertschöpfungskette. Hier lassen sich meiner Meinung nach Gewinne über die Reduzierung von Intermediären erzielen, beispielsweise über Smart Contracting.
In den vergangenen Wochen sind immer wieder Kryptobörsen pleitegegangen oder mussten Personal abbauen. Auch Bisons Einnahmen sind von Handelsvolumina abhängig. Wie steht es um Ihre Liquidität?
Bei uns ist die Handelsaktivität ähnlich wie bei anderen Börsen. Es ist gerade eher weniger los. Was vielleicht einen Tick anders ist als bei Mitbewerbern: Wir stellen weiter gezielt Personal ein. Allerdings haben wir auch nie exorbitant Posten auf der Marketingseite gehabt.
Wenn Sie einen Blick in die Glaskugel werfen: Wie werden denn die Regularien in 5 Jahren aussehen?
In der EU wurde verstanden, dass man Krypto- und Blockchaintechnologien nicht totregulieren darf. Wenn kein 2008 am Finanzmarkt im Kryptobereich kommt, werden wir eine innovative Regulierung haben. Das ist zumindest meine Hoffnung.
Mehr News zu Bitcoin und anderen Kryptowährungen lest ihr auf unserem Krypto-Channel futurezone.at/krypto.