Wo wir überall Photovoltaik-Anlagen brauchen
Österreich hat 2022 einen wahren Solar-Boom hingelegt. Vergangenes Jahr wurde bei den neu installierten Photovoltaik-Anlagen erstmals die Gigawattmarke geknackt. Doch wo stehen wir beim Solarausbau in Österreich eigentlich? Die futurezone hat bei Hubert Fechner, Obmann der österreichischen Technologieplattform Photovoltaik, nachgefragt.
„Bis Ende 2022 haben wir Photovoltaik-Anlagen im Umfang von etwa 3,8 Gigawatt (GW) in Österreich installiert gehabt. Wir brauchen voraussichtlich aber 50 GW oder mehr, um die Klimaschutzziele zu erreichen“, so Fechner zur futurezone. „Wir sind nicht einmal bei einem Zehntel des Ausbaus, der dafür notwendig ist. Das heißt: Wir brauchen Photovoltaik überall, wo es möglich ist“, so Fechner.
Anlagen auf Gebäuden sind nur ein kleiner Teil
Doch was darf man sich unter „überall“ vorstellen? Die meisten denken bei Photovoltaik-Installationen an Befestigungen an Gebäuden, Dächern und Fassaden. Das ist auch gut so. „Es sollte kein Gebäude mehr gebaut werden, ohne in Dächer integrierte PV-Anlage. Auch Fassaden und andere Außenhüllen von Gebäuden sollten genützt werden. Mittlerweile rechnet sich eine PV Anlage sogar schon auf flachen Norddächern wirtschaftlich, weil die Strompreise gestiegen sind“, erklärt Fechner. Doch selbst wenn man das Gebäudepotenzial für Photovoltaik voll ausnützen würde, würde man über diesen Weg maximal etwa 15 bis 30 Prozent des notwendigen Ausbaus erreichen.
Agri-PV-Anlagen für Landwirtschaft
„Wir werden für Photovoltaik-Anlagen auch Freiflächen brauchen. Einerseits denke ich da an Agri-PV-Anlagen, andererseits an das Grünland“, sagt Fechner. Agri-PV bedeutet, dass eine landwirtschaftliche Fläche gleichzeitig für die Erzeugung von Nahrungsmittel und Solarstrom genutzt wird. Solche Anlagen werden derzeit vom Klimaministerium besonders gefördert. In Bruck an der Leitha entstand im vergangenen Jahr eine Agri-PV-Anlage, die auf etwa 3 MW Leistung kommt.
Auch in Pöchlarn, Guntramsdorf und Pellendorf gibt es bereits Anlagen, wo Landwirtschaft und Solarstrom kombiniert werden. Wenn man die PV-Module vertikal montiert, können zahlreiche Vorteile entstehen. Viel Sinn machen auch vertikale, bifaziale, also beidseitig aktive Module in Ost-West-Ausrichtung. Diese produzieren besonders in der Früh und am Abend viel Strom.
Solarzellen sorgen für Biodiversität
Auf Grünflächen, die nicht oder nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden, eignen sich normale PV-Freiflächenanlagen am besten. Auch diese Flächen sieht Fechner nicht als verloren an. „Diese können zu Biodiversitätszonen werden, weil sie außer zum jährlichen Mähen, um Beschattung zu vermeiden, nicht betreten werden müssen. Da entsteht somit ein idealer Ort für Pflanzenwachstum und als Rückzugsgebiet für Kleintiere und Insekten, sofern man die Abstände zwischen den Modulen groß genug dimensioniert,“ sagt Fechner. „Wir verlieren diese Flächen daher nicht, sondern wir machen daraus biologisch wertvollere Gebiete.“
Doch über welches Ausmaß reden wir hier? „Wenn wir beim Klimaneutralitätsszenario bleiben, brauchen wir etwa 400 bis 450 Quadratkilometer Fläche“, sagt Fechner. Zum Vergleich: Der Neusiedlersee ist etwa 315 Quadratkilometer groß. Für manche, mag dies viel wirken. Doch Fechner erklärt, wieviel land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche in den vergangenen 15 Jahren stillgelegt wurde: etwa 5800 Quadratkilometer. „Das ist ein Fünfzehnfaches. Zu sagen, wir haben in Österreich diese Flächen nicht, ist daher zu kurz gegriffen.“
Potential auch in den Bergen
Auch in den Bergen gibt es großes Potential für PV-Anlagen in Österreich, weil in höheren Lagen über der Nebelgrenze vor allem im Winter viel bessere Ergebnisse erzielt werden können. „Es ist vor allem dort sinnvoll, wo es bereits Kraftwerke gibt, oder an Orten, wo bereits touristische Einrichtungen vorhanden sind. Hier kann man Synergieeffekte nutzen“, erklärt Fechner.
Auch die Überdachung von Autobahnen mit PV-Anlagen, oder aber solare Straßenbeläge werden Wege sein, die machbar sind. „Wir brauchen aber noch mehr angewandte Forschung für die neuen Nutzungswege“, so Fechner. Damit meint er etwa auch PV-Dachziegel, Fenster und Fassaden, die zur Haut eines Gebäudes werden können.
"Wir haben die letzten 30 Jahre verschlafen"
Der Solarexperte ist sich sicher, dass wir Energieerzeugung in Zukunft viel mehr im Landschaftsbild sehen werden als es bisher der Fall war und dass wir all diese Nutzungsarten von PV-Anlagen brauchen werden, um die Klimaziele zum Ausbau erneuerbarer Energien erreichen zu können. „Wir haben die letzten 30 Jahre verschlafen, jetzt müssen wir im Energiebereich rasch in eine Kreislaufwirtschaft kommen. Dazu nutzen wir die Rohstoffe der Natur: Sonne, Wind, Wasser und Bioenergie.“
Dieser Artikel ist Teil 1 einer dreiteilen Serie zum Thema Photovoltaik: Wo stehen wir beim Ausbau in Österreich? Wo macht Photovoltaik Sinn? Morgen lesen Sie Teil 2: "Photovoltaik in alpinen Regionen und Skigebieten".