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Porn Film Festival Vienna: "Hat null mit Sexkino zu tun"

"What is Porn?" lautet die Frage des ersten Porn Film Festival Vienna, das sich ab Donnerstag vier Tage lang mit 91 Filmen und 35 Events - darunter Vorträgen und Workshops - dem Thema Pornografie widmet. Abseits der Mainstream-Industrie und gängigen Internet-Portalen wollen die Organisatoren das Genre nicht nur auf die große Leinwand bringen, sondern durch die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Publikum den öffentlichen Diskurs anregen. Gängige Klischees und problematische Rollenbilder der Mainstream-Pornoindustrie stehen dabei ebenso zur Diskussion wie technologische Entwicklungen - etwa in Richtung Pornografie in virtueller Realität.

"Jeder schaut Pornos"

"Fast jeder konsumiert Pornografie, von daher ist es gesellschaftlich absolut verankert. Was allerdings absolut fehlt, ist der öffentliche Raum, um darüber zu diskutieren und auch kritisch zu reflektieren", erklärt Drehbuchautor und Regisseur Gregor Schmidinger vom Festivalteam. Das gemeinsame Seherlebnis in einem Kino mit Diskussionen und Vorträgen vor und nach den Festivalbeiträgen schaffe genau diese Möglichkeit. "Meist schaut man Pornos ja allein im Internet, von daher ist es beim ersten Mal vielleicht etwas komisch, Pornografie mit anderen in einem vollen Kinosaal zu sehen. Meine persönliche Erfahrung bei solchen Festivals ist aber, dass die Atmosphäre immer sehr entspannt und angenehm ist", sagt Schmidinger zur futurezone.

"Mit Sexkino hat das null zu tun. Es gibt auch ganz klar definierte Verhaltensregeln und null Toleranz, sollte ein Besucher oder eine Besucherin Grenzen überschreiten", macht Schmidinger klar. Mit dem Festivalprogramm wolle man vielmehr zeigen, dass Sexualität und Pornografie auch politisch und künstlerisch sein kann. Ein inhaltlicher Schwerpunkt "FemPorn" - Pornografie von Frauen für Frauen - zeigt eine alternative Sichtweise auf die meist frauenfeindliche, objektifizierte Darstellung von weiblicher Sexualität in Mainstream-Pornos und holt Filmemacherinnen und Produzentinnen wie Jennifer Lyon Bell und Adrineh Simonian vor den Vorhang.

Weitere Beiträge, die lesbische, schwule und BI-Sexualität in den Fokus stellen, sollen ebenso dazu beitragen, einseitige und klischeehafte Darstellungen der Pornoindustrie aufzubrechen, die mit authentischer Sexualität wenig bis nichts zu tun hätten. 

Verkrampfter Zugang

Derartige Festivals wie in Wien oder auch in Berlin, das als Kooperationspartner gewonnen werden konnte, sieht Schmidinger auch als Beitrag, um den "irrsinnig verkrampften Zugang von Filmemachern" beim Thema Sexualität zu lockern und einen offeneren Diskurs herbeizuführen. "Es ist bemerkenswert, dass bis heute - vor allem in den USA - kein Mensch ein Problem damit hat, Gewalt in Filmen und Serien darzustellen, aber wenn ein nackter Körper auf dem Bildschirm auftaucht, herrscht die große Aufregung."

Ein weiteres Thema ist die technologische Entwicklung im Bereich Pornografie. Ein Vortrag widmet sich dem Thema Virtual Reality Porn und wie das Eintauchen per VR-Brille die Perspektiven verändert. "Bisher war man als Porno-Konsument immer in einer rein voyeuristischen Position. Kommen VR-Brillen ins Spiel, kommt es zu einem spannenden Perspektiven-Wechsel, weil die Ich-Perspektive dann plötzlich im Vordergrund steht. Das eröffnet auch als Filmemacher ganz neue Möglichkeiten", sagt Schmidinger. Diskussionen über das Süchtigmachen von Pornografie sowie die Kür der Festivalgewinner runden das Programm ab.

Finanzierung durch Crowdfunding

Um die Finanzierung zu sichern, setzen die Festivalinitiatoren auf Ticketverkäufe und Crowdfunding. Eine Indiegogo-Kampagne läuft noch bis Ende des Festivals. Neben guten Sitzplätzen für Filme und Workshops können über die Seite auch Gesamtpakete mit Poster, T-Shirts und anderen Fanartikeln erworben werden. Da das Projekt rund um den Festival-Leiter Yavuz Kurtulmus ehrenamtlich veranstaltet wird, fließen alle Einnahmen in die Finanzierung des Festivals. Für eine Fortsetzung im kommenden Jahr sollen auch öffentliche Förderstellen gewonnen werden. Diese will man durch das Programm des diesjährigen Festivals überzeugen. Den Auftakt macht der spanische Film "Piéles".

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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