Warum immer mehr Flüge verspätet sind und ausfallen
Die langsam zu Ende gehende Urlaubszeit brachte nicht für alle Reisenden Erholung und Entspannung. Vor allem wer mit dem Flugzeug unterwegs war, brauchte eventuell starke Nerven. Flugausfälle, Verspätungen und entsprechendes Chaos auf den Knotenpunkten standen häufig auf der Tagesordnung.
Bereits seit Beginn des Jahres macht sich ein entsprechender Trend in den Statistiken der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol bemerkbar. Laut einem Tweet von Eurocontrol-Direktor Eamonn Brennan ist das Flugaufkommen im heurigen Juli um 3,5 Prozent gestiegen, auch Verspätungen erreichten im Sommer einen neuen Höchststand. Die österreichische Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) meldete, dass die Beschwerden wegen Flugverspätungen in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen sind.
Laut Zahlen der Eurocontrol war das durchschnittliche tägliche Flugaufkommen im Juli das höchste jemals gemessene. Im Vergleich zum Juli 2017 stieg das Verkehrsaufkommen um 3,7 Prozent, die Verspätungen sogar um 71 Prozent. Weitere Statistiken zum Juli soll die Eurocontrol noch diese Woche an dieser Stelle veröffentlichen, wie man auf Anfrage der futurezone sagt. Dabei gilt es zu beachten, dass nur jene Verspätungen gelistet werden, die der Flugsicherung zuzuschreiben sind. Verzögerungen aufgrund von Vorfällen am Boden tauchen in dieser Statistik nicht auf.
Mittlerweile reagiert auch die Politik auf das Phänomen. So berichtete das Handelsblatt vergangene Woche, dass der deutsche Verkehrsminister einen Luftfahrtgipfel für Oktober einberuft, in dessen Rahmen die Problematik besprochen werden soll. Teilnehmen sollen die Spitzen der Industrie, wie Lufthansa-Chef Carsten Spohr, Easyjet-Chef Johan Lundgren und Ryanair-Chef Michael O'Leary.
„Alles am Limit“
Der häufigste Grund für Verspätungen im Juli war laut der Eurocontrol das Verkehrsaufkommen im Luftraum (Enroute Capacity). Dieser Faktor ist für deutlich mehr Verspätungen verantwortlich als etwa das Wetter. Auch der Luftfahrtexperte Kurt Hofmann erklärt gegenüber der futurezone, dass der Luftraum bereits an seine Grenzen stößt.
„Das ganze System läuft bereits völlig am Limit, total am Anschlag“, so Hoffmann. Dazu komme, dass die Airlines immer knapper kalkulieren und immer weniger Puffer einkalkulieren sowie Personalkosten niedrig halten wollen. „Die Airlines müssen wieder mehr Reserven einplanen“, so Hofmann. Oft würden auch nicht genug Reserveflugzeuge bereitstehen, um kurzfristige Ausfälle kompensieren zu können. Von Seiten der Gesetzgeber fordert Hoffmann, dass zusätzlich Anstrengungen für das Projekt Single European Sky, bei der der europäische Luftraum neu strukturiert wird, möglichst schnell unternommen werden sollen. Auch die häufiger auftretenden Wetterextreme sowie die Streiks erschweren die Situation zunehmend.
Bessern wird sich die Situation laut Einschätzung von Hofmann zumindest kurzfristig nicht. Auch der Trend weg von den großen Hub-Airports, hin zu Langstrecken-Direktverbindungen mit kleinen Flugzeugen belaste den Luftraum noch zusätzlich und würde auch auf Transatlantikstrecken dazu führen, dass der Platz immer häufiger eng wird.
Wo die meisten Verspätungen auftreten
Laut der Eurocontrol traten die meisten Verspätungen im Juli im deutschen Karlsruhe auf, auf Platz zwei folgte das französische Marseille, dahinter Maastricht. Wien lag mit 6878 Verspätungen, zumeist wetterbedingt, auf dem sechsten Platz.
Der österreichische Luftraum ist noch nicht an seiner Kapazitätsgrenze, wie Austrocontrol-Sprecher Markus Pohanka auf Nachfrage der futurezone erklärt: „In Österreich leisten die Fluglotsen hervorragende Arbeit, es kommt zu keinen Kapazitätsengpässen beim Luftraum oder beim Personal“, so Pohanka. Hierzulande sei es vor allem das Wetter, das für immer mehr Verzögerungen verantwortlich sei. So dürfe ein Flugzeug nie bewusst durch ein Gewitter fliegen, eine Zunahme der Gewitterlagen sorgt auch für mehr Verzögerungen.
Laut Hofmann leiste die Austrocontrol im internationalen Vergleich gute Arbeit, auch weil zuletzt viel investiert wurde. Verglichen mit anderen Ländern sei die österreichische Luftraumüberwachung eine der teuersten. Österreich sei außerdem flächenmäßig klein, weswegen sich die Luftraumüberlastung nicht so schnell wahrnehmen ließe.
Entschädigungszahlung
Laut EU-Fluggastrechteverordnung steht Passagieren in der EU ab einer Verspätung von drei Stunden oder eines Ausfalls eine Entschädigung zu. Die Höhe richtet sich dabei nach der Flugstrecke. Bis 1500 Kilometer sind es 250 Euro pro Person, bei einer Strecke von 1500 bis 3500 Kilometer sind es 400 Euro, bei über 3500 Kilometer sind es 600 Euro. Außerdem müssen die Airlines für verschiedene Betreuungsdienstleistungen sorgen. Details dazu findet man auf der Webseite der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (APF).
Anspruch auf die Zahlung hat man allerdings nur dann, wenn die Verspätung oder die Streichung nicht auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückzuführen ist. Dazu zählt etwa das Wetter oder Streiks.
Vorgehen
Wer meint, Anspruch auf Entschädigung zu haben, sollte zuerst die Airline mit den Forderungen konfrontieren und eine sechswöchige Frist setzen. Kommt man zu keiner Lösung, kann man kostenlos Unterstützung über die APF anfordern. Die Behörde ist aber nur dann zuständig, wenn der Flug innerhalb Österreichs angetreten wird, hier ankommt, oder die Fluglinie hier ihre Hauptniederlassung hat. Handelt es sich um einen Flug oder um eine Airline eines anderen EU-Mitgliedslandes, ist dort die jeweilige Behörde zuständig.
Aufpassen heißt es bei externen Agenturen, die anbieten, die Rechte durchzusetzen. Hier ist es üblich, dass ein beträchtlicher Teil der Entschädigungssumme (in der Regel 25 Prozent) an die jeweilige Agentur als Provision geht. Dafür ist der Verfahrensablauf in der Regel schneller als über die zuständigen staatlichen Stellen.