Wenn die App-Leihräder baden gehen
In Wien ist aufmerksamen Beobachtern in den vergangenen Monaten aufgefallen, dass vermehrt scheinbar herrenlose Fahrräder in der Stadt auftauchen. Sie liegen auf Grünflächen und verwaisen auf Gehsteigen. Verantwortlich dafür sind die beiden App-basierten Verleihanbieter Ofo(Hauptsitz in Peking) und Obike (Hauptsitz in Singapur), die seit 2017 mit insgesamt 1500 gelben beziehungsweise grau-orangen Drahteseln den Wiener Markt bedienen. Sie setzen dabei auf ein Free-Floating-Modell, das ohne fixe Stationen auskommt. Die Nutzer können ihre Räder per App anmieten und sie abstellen, wo immer es ihnen passt.
Das Vertriebsmodell ist anfällig für Vandalismus, weil keine Fixierung der abgestellten Räder vorgesehen ist. Mit Missbrauchsfällen haben beide Unternehmen gerechnet, die Zahlen in Wien liegen im Rahmen der Erfahrungswerte aus anderen Städten.
Die Leihräder landen auch regelmäßig in Gewässern wie dem Donaukanal, dem Wienfluss und zuletzt auch im See der Seestadt Aspern. Die Bergung muss organisiert und bezahlt werden. Seitens der Verwaltung ist man sich des Problems bewusst. Die zuständige Stelle, die Mobilitätsagentur der Stadt Wien, arbeitet an verbindliche Regeln für derartige Verleihmodelle. “Das ist ein Thema für uns und wir stehen derzeit mit den Anbietern in Kontakt. Wir wollen gemeinsam Richtlinien erarbeiten. Das ist auch für uns ein neues Problem”, sagt die Sprecherin Kathrin Ivancsits zur futurezone.
Petri Heil
Die Leihradanbieter werden derzeit informiert, wenn ihre Räder aus dem Wasser gezogen oder von der MA 48 eingesammelt werden. “Die holen die Fahrräder dann auch ab”, sagt Ivancsits. Für Velos, die im Stadtgebiet herumliegen, haben Ofo und Obike Hotlines eingerichtet, bei denen die Entdecker solche Fälle melden können. Das wissen die Wiener aber oft nicht und informieren stattdessen die MA48. Die sammelt ohnehin verwaiste Räder - auch von Privatpersonen - ein und hebt, sofern der Besitzer ausfindig gemacht werden kann, eine Gebühr von 65 Euro für die Abholung und sieben Euro pro Tag für die Verwahrung ein.
Ofo war bisher viermal betroffen und hat die präsentierte Rechnung bezahlt. “Wir entfernen Räder nur im öffentlichen Raum und wenn sie eine Verkehrsbehinderung darstellen. Die Leihräder werden normalerweise anstandslos abgeholt. Wenn das nicht passiert, gehen sie ins Eigentum der Stadt über”, sagt Ulrike Volk von der MA 48 gegenüber der futurezone.
Gefahr für Schiffe
Bei Drahteseln, die in Gewässer geschmissen wurden, ist die Situation komplizierter. Die Via Donau, die für die Instandhaltung des Donaukanals verantwortlich ist, sagt, dass die Zahl der aus dem Wasser gefischten Leihbikes seit dem Markteintritt der Free-Floating-Anbieter gestiegen ist. “Wir sehen definitiv einen Anstieg. Neben unseren regelmäßigen Reinigungsaktionen holen wir die Räder auch anlassbezogen aus dem Donaukanal, da geht es neben der Umweltbelastung auch um die Sicherheit der Schifffahrt, die durch Verklausung gefährdet sein kann.
Bei der letzten regulären Fahrt vor Weihnachten haben wir 25 Räder aus dem Wasser gefischt, da waren aber private auch dabei. Wir lagern sie zwischen und informieren die Besitzer, sofern das möglich ist”, sagt Christoph Caspar von der Via Donau.
Kooperation ist Trumpf
Die Leihanbieter sind mit der Organisation in Kontakt und holen die Räder auch ab. Ofo sagt, man habe für die Reinigungsaktion vor Weihnachten bereits einen Kostenbeitrag geleistet. In Zukunft wolle man auch Personal für die Bergung zur Verfügung stellen. Dieses darf allerdings nicht auf die Schiffe der Via Donau und müsste von Land aus assistieren. Die Hotspots zwischen Urania und Flex am Donaukanal sollen in Zukunft besser überwacht werden und man arbeite an einer schnelleren Reaktionszeit.
Bei der MA45 heißt es, dass auch der Wienfluss und die Donau im Bereich der Insel verstärkt durch weggeworfene Fahrräder belastet sind. “Einige Drahtesel werden pro Monat geborgen”, sagt Mathilde Urban von der MA 45. Hier funktioniert die Abholung nicht immer reibungslos. Einige Räder stehen derzeit in einer Lagerhalle der MA45. Ofo sagt, dass es seine Zweiräder verlässlich abholt, auch bei Obike weiß man nichts von Fahrrädern, die einer Abholung harren.
“Der Kontakt funktioniert gut. Wir sind zuversichtlich, dass die Vorschläge der Mobilitätsagentur zur weiteren Verbesserungen und positiven Entwicklung des Bike-Sharing-Systems führen wird”, sagt ein oBike-Sprecher der futurezone. Man spreche derzeit mit der MA45 über eine nachhaltige Lösung. Die Leihräder, die unlängst im See der Seestadt Aspern gelandet sind, fallen ebenfalls in die Zuständigkeit der Magistratsabteilungen, wie eine Sprecherin der Siedlung der futurezone erklärt.
Regeln in Arbeit
Wie das neue Regelwerk der Mobilitätsagentur aussehen wird und ob es einen fixen Unkostenbeitrag zur Flurreinigung geben wird, ist derzeit noch nicht klar. Ein fixes Datum für die Einführung gibt es nicht. Dass die Kosten für die Bergung der Räder ein Sargnagel für ihr Geschäftsmodell werden könnte, glaubt man bei den Anbietern jedenfalls nicht. “Das Free-Floating Modell ist unsere Grundlage. Das wird sich nicht ändern”, heißt es bei Ofo.
Dass es eine Eingewöhnungsphase gebe, in der Fahrräder vermehrt Gegenstand von Vandalismus werden, sei normal und hänge auch mit der Medienaufmerksamkeit zusammen. “Wir sind natürlich enttäuscht, wenn das vermehrt passiert. Wir sehen uns aber in Wien noch in der Startphase und beobachten schon, dass die Zahl der missbräuchlichen Verwendungen zurückgeht”, sagt Ofo. Auch bei oBike hält man am bestehenden Geschäftsmodell fest. “Es wird zu weiteren Optimierungen kommen, wir sind aber nach wie vor ein Verfechter des Free-Floating-Systems. Die Situation hat sich bereits gebessert”, so ein Sprecher.