Schein im Test: Ein verlockendes Irrlicht aus Österreich
Ein Irrlicht ist nicht unbedingt etwas, dem man Vertrauen schenken sollte. Diese Wesen locken Sagen zufolge Menschen in finstere Sümpfe, wo diese dann auf der Suche nach dem Weg zurück sterben. Beruhigend, dass der Spieler im österreichischen Jump'n'Run Schein auf ein sprechendes Irrlicht angewiesen ist, um seinen Sohn in den Sümpfen zu finden. Das Irrlicht zeigt dabei neue Wege auf, die ansonsten verborgen bleiben. Doch die Frage bleibt: Wohin führt uns das Irrlicht?
Der Debüt-Titel von Zeppelin Studios, einem von vier Studenten der FH Technikum Wien gegründeten Spielestudio, sorgte bereits vor seiner Veröffentlichung für Furore. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen, darunter auch der prestigeträchtige Microsoft Imagine Cup, begeisterte vor allem die clevere Spielidee mit den Irrlichtern. Offiziell erschienen ist Schein bereits am 14. Juli, ab sofort ist es auch auf Steam verfügbar. Die futurezone ist pünktlich zum Start auf der US-Plattform in die Spielwelt von Schein eingetaucht.
Der Spieler findet sich sofort nach dem Start in den Sümpfen wieder. Kein Intro, keine Vorgeschichte mit Text, man steht einfach da. Der Vater, dessen Rolle man als Spieler übernimmt, ist zu Beginn ebenso verwirrt. Ein paar Schritte weiter findet er eine Laterne, in der sich ein sprechendes Irrlicht befindet. Aus den Gesprächen zwischen Irrlicht und Vater heraus wird die Geschichte des Spiels erzählt. Nun erfährt der Spieler: Der Sohn des Mannes ist in den Sümpfen verschwunden, er ist auf der Suche nach ihm. Das Irrlicht bietet ihm seine Hilfe an, denn ohne es würde er nicht weit kommen.
Die Sucht nach dem Frust
Ich gebe es ganz ehrlich zu: Hin und wieder musste ich auf ein Walkthrough-Video zurückgreifen, da die Rätsel hin und wieder sehr komplex werden. Selbst nach den Walkthrough-Videos hat man oft eher WTF- statt Aha-Momente. Dieser frustrierende Schwierigkeitsgrad führt dazu, dass man das Spiel einfach mal aufgibt, um den Kopf frei zu bekommen, ähnlich wie bei einem Puzzle-Spiel. Dazu lädt vor allem die faire Verteilung der Checkpoints ein, die tatsächlich stets nach einem schwierigen Hindernis platziert sind. Momente, in denen man gerade eine komplexe Passage überwinden musste und dann vor ein ähnlich schweres Hindernis gestellt wird, gab es nahezu nie. So kann man das Spiel Schritt für Schritt meistern und scheitert nicht am eigenen Frust.
Der herausfordernde Schwierigkeit offenbart jedoch auch ein weiteres Problem. Meist kehrt man wegen dieser “Das muss doch irgendwie zu schaffen”-Mentalität zurück, die Geschichte rückte eher in den Hintergrund. Das liegt wohl auch daran, dass die Geschichte nur sehr langsam aufgebaut wird und eigentlich schon wieder vorbei ist, als sie Fahrt aufnimmt. Aus den Dialogen zwischen Vater und Irrlicht erfährt man, dass sein Sohn verschwunden ist und etwas “Unheimliches” in den Sümpfen lebt, doch Details sind lange Zeit rar.
Der Cel Shading-Look steht dem Spiel hervorragend und wurde mit viel Liebe zum Detail angefertigt. Das merkt man vor allem beim Wechseln zwischen den insgesamt drei Irrlichter-Farben. Während der Vater in der “normalen” Welt alt, grau und sehr traurig aussieht, bringt das grüne Irrlicht wieder Leben zurück. Er wirkt vitaler und fröhlicher, zudem sind die Sümpfe schon nahezu comic-haft grün. Das blaue Licht bringt eine sehr kalte Welt zum Vorschein, mit dem roten Irrlicht werden hingegen Lava und glühende Steine enthüllt. Zudem hat der Vater plötzlich ein irres Grinsen im Gesicht.
Die Spieldauer hängt sehr stark vom Geschick des Spielers ab, im Durchschnitt wird man aber rund acht bis zehn Stunden mit der Kampagne beschäftigt sein. Einen hohen Wiederspielwert gibt es nicht, obwohl in den Levels verschiedene Gegenstände versteckt sind.
Fans von fordernden Jump’n’Runs werden Schein lieben. Lediglich die etwas lange Einführung, die einen vergleichsweise niedrigen Schwierigkeitsgrad hat, bremst den Spielspaß zu Anfang etwas. Einsteiger werden wohl spätestens zur Mitte des Spiels frustriert aufgeben, denn viele Passagen erfordern eine ordentliche Portion Köpfchen und Geschick.
Aufholbedarf hat man lediglich bei der Story, die bis zum Schluss nicht so recht begeistern kann. Mit Schein gibt Zeppelin Studios aber ein Versprechen für die Zukunft ab und weckt Erinnerungen an das Wiener Studio Broken Rules, dessen Debüt-Titel “And Yet It Moves” ebenfalls als Studenten-Projekt begann und 2009 zu einem internationalen Erfolg wurde. Fans von Spielen wie Limbo, Braid oder Super Meat Boy sollten definitiv zugreifen, Schein ist ab 6,99 Euro für Windows verfügbar. Neben Steam ist es auch DRM-frei auf Plattformen wie GOG, Desura und Humble Store erhältlich.