Warum Frauen, die online spielen, beschimpft werden
„Ich hoffe du stirbst“, „Du bist scheiße im Spiel, hau ab“, „Transsexuelle Schlampe“. Das ist die harmloseste Auswahl jener Beschimpfungen, die einer professionellen Videospielerin von ihren eigenen Team-Kollegen an den Kopf geworfen wurden. Ihr einziger Fehler: Sie hat sich als Frau zu erkennen gegeben. Das ist Alltag für viele weibliche Gamer. Während dieser Fall kürzlich für Schlagzeilen sorgte, weil die Betroffene hunderttausende Fans auf den sozialen Medien zählt, gelangen unzählige ähnliche Vorfälle nie an die Öffentlichkeit.
Denn obwohl mittlerweile Erhebungen zufolge mehr Frauen Videospiele spielen als Männer, werden diese weiter wie Außenseiter behandelt. Ein Problem, mit dem man auch in Österreich zu kämpfen hat, wie eine Diskussionsrunde der UN-Initiative HeForShe am Mittwoch zeigte. „Ich könnte da einen ganzen Katalog vorlesen“, sagt Yvonne Scheer, die für den österreichischen E-Sport-Verband eSVÖ als Schiedsrichterin aktiv ist und selbst bei Turnieren mitspielt. „Das reichte von „du bist hässlich“, ohne mich je gesehen zu haben, hin zu „geh zurück zum Herd“.“ In den vergangenen Jahren habe sie sich eine „dicke Haut“ zugelegt, auch weil sie durch ihren Nicknamen „MissMadHat“ online rasch als Frau identifiziert wird.
Jennifer Rassi, Content Managerin bei der Vienna Comic Con und dem E-Sports-Bewerb Vienna Challengers Arena, blieb bislang von derartigen Reaktionen verschont: „Mir hat nie jemand etwas direkt gesagt, aber man hat das natürlich gemerkt. Das hat mich aber angespornt, besser zu werden.“ Und auch Daniela Etzinger, die ihr Hobby zum Beruf machte und Spiele bei den Wiener Purple Lamp Studios entwickelt, wurde noch nie aktiv angefeindet: „Bei den Rollenspielen, die ich spiele, ist der Zusammenhalt sehr groß. Bei Shootern gibt es aber schon ein größeres Problem.“
Hass unter Spielern nimmt zu
Das belegen zahlreiche Befragungen und Studien. 2016 ergab eine Befragung von 141 Shooter-Spielerinnen aus aller Welt, dass 75,9 Prozent der Befragten bereits einmal online beleidigt wurden. Meist gingen diese offenbar auf das Konto schlechter Verlierer: Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigte, dass männliche Shooter-Spieler, die schlechte Leistungen erbringen, häufiger weiblichen Spieler beschimpften. Während einfache Beleidigungen oftmals von den weiblichen Gamern ignoriert wurden, brachten Androhungen sexueller Gewalt viele dazu, sich von ihrem Hobby zurückzuziehen oder ihr Geschlecht zu verstecken. Ein Schritt, der schwerwiegende Folgen haben kann, da international erfolgreiche Profi-Spielerinnen, die als Vorbild dienen könnten, in der Minderheit sind.
Rafael Eisler, auch bekannt als „VeniCraft“, glaubt jedoch, dass das Problem vielmehr die Anonymität im Internet sei: „Das beschränkt sich nicht nur auf Frauen und Randgruppen, das ist generell ein Ding im Internet. Ich bekomme auch unzählige Nachrichten, in denen ich beschimpft werde, vor allem wenn meine Zuschauer bemerken, dass ich Österreicher bin.“ Studien belegen jedoch, dass Frauen online doppelt so häufig mit sexuellen Drohungen konfrontiert sind wie Männer. Der 21-Jährige Eisler ist einer der erfolgreichsten YouTuber Österreichs und zählt derzeit mehr als 457.000 Abonnenten auf der Video-Plattform. Obwohl er Frauen nicht ausschließen will, sieht er die Videospiel-Branche weiterhin als männerdominiert an.
„Man sollte zwischen Spielen für das Handy und jenen für PC und Konsolen unterscheiden“, so Eisler. „93 Prozent meiner Zuschauer sind Männer, das deckt sich nicht so ganz mit der Aussage, dass es mehr weibliche Gamer gibt.“ Ein häufig genanntes Argument unter Videospiel-Fans, das aber mittlerweile an Schlagkraft verloren hat. Smartphone-Spiele sind tatsächlich für den rasanten Anstieg weiblicher Gamer verantwortlich, doch diese erwirtschafteten 2017 mehr als 54 Prozent des Umsatzes der Videospielbranche (59,2 von 108,4 Milliarden US-Dollar).
Gegen Turniere nur für Frauen
Trotz seines von Männern dominierten Publikums will Eisler aber auch ein angenehmes Umfeld für Frauen schaffen: „Wenn jemand in meinen Kommentaren zu einer Frau ‚Zurück an den Herd‘ sagt, weise ich den auch zurecht.“ Ohnedies habe die Behauptung, Frauen seien schlechter in Videospielen als Männer, keine wissenschaftliche Basis. „Es gibt keinen Beleg dafür, dass Frauen schlechter als Männer spielen. Wir sollten daher davon ausgehen, dass beide Geschlechter die gleichen Voraussetzungen mitbringen“, sagt Natalie Denk, die am Zentrum für Angewandte Spieleforschung der Donau-Universität Krems tätig ist.
Der Idee, E-Sports-Turniere nach Geschlecht aufzuteilen, kann sie aber durchaus etwas abgewinnen. „Man könnte das eine Weile lang versuchen, um Vorbilder zu schaffen, aber es kann keine langfristige Lösung sein“, so Denk. Eisler könnte sich vorstellen, dass man mit derartigen Turnieren vor allem Gelegenheitsspielerinnen locken könnte. „Viele nehmen ihre Freundinnen auf Turniere mit. Die könnten sich so spontan einmal trauen, auch mitzuspielen.“ Rassi und Scheer glauben aber, dass eine Aufteilung nach Geschlecht die falsche Signalwirkung haben könnte. „Man muss einfach genug Zeit investieren, um auf diesem Niveau mitspielen zu können. Viele meiner Freundinnen sind nicht bereit, eine bestimmte Grenze zu überschreiten“, sagt Rassi.
Suche nach Vorbildern
Es gibt aber durchaus internationale Erfolgsbeispiele von Frauen im E-Sport. Die 25-jährige Kanadierin Sasha Hostyn konnte im Februar 2018 als erste Frau ein internationales „StarCraft 2“-Turnier gewinnen. Und auch in Kampfspielen, wie „Street Fighter“ und „Dead or Alive“, zählen weibliche Spieler zu den Besten. „Die meisten Frauen in der Szene suchen sich jemanden zum Anhalten, der ihnen dabei hilft, das alles zu lernen. Da braucht es gute Vorbilder“, sagt Scheer.
Vorbilder wie diese will Denk mit dem Projekt „League of Girls“ vor den Vorhang holen. „Viele trauen sich da auch nicht rein, weil Frauen in diesem Bereich nicht sichtbar sind.“ Dort will man Erfolgsgeschichten von Spielerinnen erzählen, die auch als Mentorinnen für interessierte Gamer auftreten sollen. Im August soll ein erster Prototyp online gehen. YouTuber Eisler äußert seine Meinung zwar, wenn er gefragt wird, auf seinem Kanal will er aber weiter den Fokus auf Unterhaltung legen. „Da fängt man sich nur einen Shitstorm ein“, so der 21-Jährige. „Wenn ich mich zu bestimmten Themen äußern wollen würde, wäre ich Politiker und nicht Content Creator geworden.“
Frauen, macht mehr Spiele
Eisler fordert eher, dass bestehende Rollenklischees aufgebrochen werden: „Der Mangel an Frauen hat eher gesellschaftliche Gründe. Wenn ich als Mädchen auf die Welt gekommen wäre, hätten mir meine Eltern vermutlich Barbiepuppen geschenkt“, sagt Eisler. Eine Einschätzung, die auch Felix Bohatsch, Gründer des Wiener Studios Broken Rules, teilt: „Die meisten Spiele-Entwickler sind Männer und die bestimmen, was es zu spielen gibt. Es ist für mich als Vater schon schwierig, Spielzeuge zu finden, die Kinder nicht in ein Rollenbild drängt.“
Doch auch in der Videospiel-Entwicklung haben Frauen mit zahlreichen Hürden zu kämpfen und werden stark angefeindet. Das wohl prominenteste Beispiel ist die US-Amerikanerin Zoë Quinn, deren Exfreund 2014 öffentlich behauptete, sie sei in einer Beziehung mit einem Journalisten, der positiv über ihre Spiele berichtete. Obwohl die Behauptung nachweislich falsch war, folgten unzählige Mord- und Vergewaltigungsdrohungen gegen Quinn. Die Kontroverse weitete sich auf zahlreiche andere Frauen in der Branche aus und wurde als „Gamergate“ bekannt.
Den Hass, der vielen Frauen und Minderheiten entgegenschlug, nahmen einige Studios zum Anlass, um für mehr Diversität in den eigenen Reihen zu sorgen. „In der Entwicklerszene tut sich in diesem Bereich sehr viel, auch weil es mittlerweile bekannte Frauen gibt, die zeigen, dass man in dieser Branche etwas erreichen kann“, erklärt Bohatsch. „Es ist gut zu wissen, dass an einem Spiel auch eine Frau mitgearbeitet hat“, sagt Etzinger, die die Anfeindungen der männlichen Gamer nicht nachvollziehen kann. „Nur weil ich eine Frau bin, würde ich jetzt auch nicht eine pinke Prinzessin in ein Spiel packen.“
Stattdessen würde die Inklusion von Frauen und Minderheiten dafür sorgen, dass sich Spiele nicht mehr wie reine Männerfantasien anfühlen: „Man merkt an vielen Spielen, in denen nur Frauen leicht bekleidet herumlaufen und Männer bis zur Nasenspitze in Rüstungen stecken, dass das von Männern gemacht wurde.“ Kleinigkeiten wie diese würden dafür sorgen, dass sich mehr Frauen als bisher mit dem Thema Videospiele auseinandersetzen - und in weiterer Folge auch selbst Spiele entwickeln. „An der HTL gab es neben mir nur drei weitere Mädels, das war hart. Ich musste immer wieder beweisen, dass ich gut im Programmieren bin“, sagt Etzinger. „Es sollte mehr technische Ausbildung in den Schulen geben, damit das früher eine Option ist.“