Was ein Elfmeter-Fluch und ein Münzwurf gemeinsam haben
Wir Menschen sind äußerst schlechte Zufallsmaschinen. Das können wir leicht ausprobieren, indem wir einfach ohne viel nachzudenken rein zufällig eine Serie von 20 Nullen oder Einsen hinschreiben. Was wird dabei herauskommen?
Eine Ziffernfolge wie 01101001010101000001? Vermutlich nicht. Die hat nämlich gegen Ende einen Abschnitt mit 5 Nullen hintereinander. Das fällt auf, das erscheint uns nicht besonders zufällig, das sieht eher nach Absicht aus. Da mischen wir lieber noch einmal durch. Doch das ist ein Irrtum: Die Wahrscheinlichkeit, dass in einer solchen Zufalls-Zahlenfolge irgendwo mindestens 5 gleiche Ziffern hintereinander auftauchen, liegt bei fast 50%. Man kann das testen, indem man eine Münze 20-mal wirft. Dass durch puren Zufall eine Struktur entsteht, die uns nicht ganz normal vorkommt, ist völlig normal. Wenn wir irgendwo ein Muster erkennen, halten wir das für bemerkenswert. In Wahrheit aber entstehen überall ständig Muster, ganz von selbst, ohne tiefe Bedeutung.
Ein Denkfehler in 2 Richtungen
Man kennt das vom Roulette: „Wenn 4 Mal hintereinander Rot gekommen ist, dann muss doch jetzt Schwarz an der Reihe sein! Denn 5 Mal hintereinander Rot wäre doch ein sehr seltsames Muster!“ Das klingt überzeugend, doch dem Zufall sind Muster egal. Was bei den letzten 4 Runden passiert ist, spielt für diese Runde keine Rolle – die Wahrscheinlichkeit für Rot oder Schwarz hat sich nicht verändert.
Im Sport betrachten wir die Sache oft genau umgekehrt: Wenn eine Mannschaft 4 Mal hintereinander gewonnen hat, dann glauben wir eine Erfolgssträhne zu erkennen und rechnen mit einem weiteren Sieg. In diesem Fall erwarten wir also keinen Bruch der Serie, wie beim Roulette, sondern eine Fortsetzung der Serie. Doch der Denkfehler ist derselbe: Wir bilden uns ein, dass purer Zufall und erkennbare Muster unvereinbar sind. Wo Zufall regiert, glauben wir nicht, dass sich eine Serie einstellt, und wo sich eine Serie einstellt, glauben wir nicht an Zufall.
Sport-Erfolg ist ähnlich wie Münzwurf
Natürlich ist das im Sport nicht völlig falsch. Da hängt der Erfolg schließlich auch vom Können ab. Und es ist tatsächlich denkbar, dass eine Erfolgsserie die Selbstsicherheit erhöht, die Konzentration verbessert und damit vielleicht auch die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Sieg ansteigt. Aber wie groß ist dieser Effekt?
In einer Studie der Universitäten Cornell und Stanford wurden Basketball-Freiwürfe analysiert. Die Frage war: Hängt die Trefferwahrscheinlichkeit davon ab, ob die Person zuvor einen Erfolgslauf hatte oder nicht? Die enttäuschende Antwort: Die Spieler selbst glauben das zwar, aber tatsächlich gibt es keine statistisch signifikante Änderung der Erfolgsquote. Die Treffer sind in guter Näherung unabhängig voneinander – ganz ähnlich wie eine Münze beim Münzwurf: Was vorher geschah, hat keinen Einfluss auf das, was geschehen wird.
Sport-Statistik: Unterhaltsam, aber wenig aussagekräftig
Sport-Statistik wird oft völlig überinterpretiert: Eine Mannschaft hat schon seit 7 Spielen keinen Treffer aus Standardsituationen mehr erzielt. Die können das also nicht! Die andere Mannschaft gewinnt in letzter Zeit fast immer, wenn in der zweiten Halbzeit der alternde Stürmerstar eingewechselt wird. Er ist also unverzichtbar! England spielt gut, aber verliert immer beim Elfmeterschießen – das muss ein Fluch sein!
Nein, muss es nicht. Wenn viele Mannschaften Fußball spielen, dann ergeben sich eben Muster. Ganz automatisch, wie beim Glücksspiel. Wir Menschen sind einfach extrem gut darin, diese Muster zu finden, auch wenn sie keinerlei Bedeutung haben. Man kann diese Muster trotzdem mit Interesse studieren – sollte aber lieber nicht sein Geld bei Sportwetten darauf setzen, dass diese Muster die Zukunft vorhersagen.