Kohlendioxid einfangen: Lösung oder Schwindel?
Sollen wir versuchen, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu holen, um den Klimawandel zu stoppen? Bei diesem Thema wird die Diskussion oft emotional: Manche halten das für eine tolle technische Lösung, doch ausgerechnet Umweltschutzorganisationen sprechen sich immer wieder dagegen aus. Das sei doch nur eine Scheinlösung, heißt es oft, mit dem man von echtem, dringend nötigem Wandel ablenken will.
Das Grundproblem an diesem Streit ist, dass hier oft 2 Dinge vermischt werden: CO2-Filtertechnologien für fossile Anlagen auf der einen Seite und Technologien, die den CO2-Anteil in der Luft nachhaltig reduzieren auf der anderen Seite. Das sind 2 völlig unterschiedliche Angelegenheiten, die man unbedingt auseinanderhalten muss.
Grünfärberei im Kohlekraftwerk
Tatsächlich ist es technisch möglich, Kohlendioxid (mit gewissem Energieaufwand) aus der Luft herauszufiltern und den Kohlenstoff dann irgendwo zu lagern, wo er für das Klima keinen Schaden mehr anrichtet – zum Beispiel tief unter der Erde. Diese Abscheidung funktioniert natürlich dort am besten, wo die Luft einen möglichst hohen CO2-Anteil enthält – zum Beispiel direkt im Abgasstrom eines Kohlekraftwerks.
Nun kann man also im Kohlekraftwerk eine solche Filteranlage einbauen, den anfallenden Kohlenstoff loswerden und das Kohlekraftwerk dann stolz für klimafreundlich erklären. Nur hat man dann eben gelogen. Zwar wird die Klimabilanz des Kraftwerks dadurch besser, aber weil man niemals 100% des Kohlenstoffs filtern kann, trägt auch ein Kraftwerk mit einer solchen Carbon-Capture-Anlage immer noch dazu bei, den CO2-Anteil der Atmosphäre zu erhöhen.
Und das ist der Grund, warum viele Umweltorganisationen sehr heftig dagegen vorgehen: Falsch gemachte Cabon-Capture-Technologie ist nicht gut fürs Klima, sie ist nur ein bisschen weniger schlecht fürs Klima als das, was wir bisher hatten – und das genügt eben nicht.
Echte Carbon Removal Technik
Ganz anders sieht die Bilanz aber aus, wenn man der Luft Kohlendioxid entfernt, ohne gleichzeitig fossile Brennstoffe zu verfeuern. Man kann zum Beispiel biologisches Material verbrennen und daraus Kohlenstoff abscheiden und endlagern. Die Pflanzen haben während ihres Lebens CO2 aus der Atmosphäre herausgefiltert, dieser Kohlenstoff liegt am Ende unter der Erde – dadurch ist insgesamt also die CO2-Menge in der Atmosphäre tatsächlich geringer geworden.
Es gibt verschiedene Ideen, wie das gelingen kann. Man könnte zum Beispiel im Meer ein Algenwachstum anregen und den Kohlenstoff dieser Algen endlagern. Oder CO2 filtern, das im Meerwasser gelöst ist. Oder Mineralien verwenden, die CO2 binden und dauerhaft speichern können.
Allerdings: Keine dieser Ideen ist heute marktreif, keine Strategie verspricht in den nächsten Jahren wirklich signifikante Mengen an CO2 aus der Atmosphäre herausholen zu können. Das ist ein Problem, denn wenn wir die Klimaerwärmung bei ungefähr 2 Grad stoppen wollen – und das sollten wir unbedingt tun – dann werden wir solche Technologien brauchen. Nach allen realistischen Klimamodellen können wir die 2-Grad-Grenze nur einhalten, wenn wir in den nächsten Jahrzehnten in großem Stil Kohlendioxid aus der Atmosphäre filtern. Niemand weiß heute, wie wir das tun werden, aber es ist in den Klimamodellen bereits mit eingerechnet. Schaffen wir es nicht, solche CO2-Filter-Technologien zu entwickeln, wird sich das Klima somit noch deutlich unerfreulicher entwickeln als bisherige Prognosen sagen.
Handeln, wie in einer Akutsituation
Es stimmt also: Wenn versucht wird, Kohle- und Gaskraftwerke schönzureden, indem man dort irgendwelche CO2-Abscheideverfahren installiert, ist das Etikettenschwindel. Das hilft dem Klima nicht. Aber man muss differenzieren: Technologien, die den CO2-Gehalt der Atmosphäre tatsächlich senken, werden wir brauchen.
Wenn gegen CO2-Abscheideverfahren gewettert wird, dann kommt oft das Argument: Mit diesen Technologien würde doch der Druck wegfallen, CO2-Emissionen zu sparen. Alle würden sich dann auf CO2-Abscheidung verlassen. Das ist tatsächlich eine Gefahr, aber das Argument klingt ein bisschen so, als würde ein Patient mit akuter Vergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden, und man würde sich dagegen aussprechen, ihm den Magen auszupumpen, weil für ihn sonst der Druck wegfallen würde, sich künftig von giftigen Substanzen fernzuhalten. Natürlich darf der Patient kein weiteres Gift schlucken. Und natürlich müssen wir aufhören, CO2 in die Atmosphäre zu pumpen. Aber in einer Akutsituation genügt das eben nicht. Man muss außerdem das loswerden, was schon da ist.
Kohlenstoff-Abscheidungs-Technologien sind nur ein Teil der Lösung, aber ein Teil, den wir brauchen werden. Wir sollten sie nicht schlechtreden, sondern massiv daran forschen.