Meinung

Wenn ich Klimaschwurbler wäre

Von manchen wissenschaftlichen Theorien wissen wir: Auf sie ist Verlass. Die Erde bewegt sich um die Sonne, das Herz pumpt Blut durch den Körper, und Treibhausgase erwärmen das Klima. All das ist so gut belegt, dass es sich nicht mehr ernsthaft anzweifeln lässt.

Doch theoretisch ist es natürlich möglich, dass sich ab und zu auch eine gut belegte Theorie als falsch herausstellt. Selbst das, was sich kaum bestreiten lässt, soll man immer und immer wieder hartnäckig hinterfragen. Genau dadurch werden wissenschaftliche Ergebnisse immer zuverlässiger.

Mehr lesen: Das Chaos mit dem Klima

Dann stellt sich aber die Frage: Wie soll man sich verhalten, wenn man etwas entdeckt, das nicht zum akzeptierten Weltbild der Naturwissenschaft passt? Was würde ich zum Beispiel tun, wenn ich durch überraschende neue Erkenntnisse zur Überzeugung gelangen würde, dass die moderne Klimaforschung völlig unrecht hat?

Weltruhm und Nobelpreis

Sollte man seine Gedanken für sich behalten – aus Angst, verlacht oder attackiert zu werden? Sicher nicht. Im Gegenteil: Ruhm und Ehre winken in der Wissenschaft genau für jene, denen es gelingt, den wissenschaftlichen Konsens aus den Angeln zu heben. Auf diese Chance sollte man nicht verzichten.

Wer den wissenschaftlichen Konsens aus den Angeln heben will, muss aber zunächst trotzdem mal anerkennen, dass es diesen wissenschaftlichen Konsens gibt. Viele selbsternannte Querdenker*innen tun das nicht. „Es ist doch offensichtlich, dass die Klimaforschung völliger Unsinn ist“ liest man dann – und das ist einfach falsch.

Kann man garantieren, dass die heutige Klimaforschung völlig richtig liegt? Natürlich nicht. Aber völliger Unsinn ist sie ganz sicher auch nicht – schließlich liefert sie überprüfbare Vorhersagen, basiert auf anerkannten physikalischen Prinzipien und wurde an unzähligen Ecken und Enden von unzähligen Leuten auf der ganzen Welt geprüft. Sie ist die derzeit beste These, die wir über das Klima haben.

Mehr lesen: Querdenker ist nicht gleich Querdenker

Eine wissenschaftliche Revolution kann man nur auslösen, wenn man mit dem bisherigen Wissen rational und respektvoll umgeht. Wenn man erklären kann, warum die alte Theorie, obwohl man sie für falsch hält, trotzdem lange Zeit ziemlich richtig ausgesehen hat. Ich löse sicher keine wissenschaftliche Revolution aus, indem ich einfach mit arroganter Selbstsicherheit verkünde, dass nur ich ganz alleine Recht habe und alle anderen unfähige Idiot*innen sind. Für Beschimpfungen gibt es keinen Nobelpreis.

Falsche Verbündete

Ein anderer verhängnisvoller Fehler ist, sich mit Leuten zu verbünden, die dem wissenschaftlichen Konsens ebenfalls kritisch gegenüberstehen, obwohl sie eigentlich ganz andere Ansichten vertreten als man selbst hat.

Wenn ich zum Beispiel der Überzeugung wäre, dass der Mensch nicht für den Klimawandel verantwortlich ist, könnte ich trotzdem noch der Meinung sein, dass es einen Klimawandel gibt. Dann würde ich alles daransetzen, mich von Klimawandelleugner*innen zu distanzieren, die abstreiten, dass sich unser Planet überhaupt erwärmt.

➤ Mehr lesen: Der Nirwana-Fehlschluss

Ich könnte auch der Überzeugung sein, dass der Mensch zwar schon für den Klimawandel verantwortlich ist, aber in anderem Ausmaß oder auf andere Weise als bisher gedacht. Dann würde ich alles daransetzen, mich von den Menschen zu distanzieren, die den menschlichen Einfluss auf das Klima leugnen.

Über bisherige Ideen hinausgehen – nicht alles neu erfinden

So könnte man dann eine solide, wissenschaftliche Alternativ-Hypothese des Klimawandels entwerfen – eine, die vermutlich in vielen Punkten mit der alten These übereinstimmt und an anderen über sie hinausgeht. Aber leider geschieht das nicht.

Stattdessen bekommen wir meist ein wirres Gemisch von Argumenten, die gar kein logisches Gesamtbild ergeben: Irgendwelche Daten, die angeblich beweisen, dass die Erde gar nicht wärmer wird, werden mit löchrigen Argumenten kombiniert, warum eine Erwärmung gar nicht so schlimm ist, und das verknotet man dann mit Argumenten, warum die Erde sich doch stark erhitzt, aber man ohnehin nichts dagegen tun kann.

Hier fehlt jede innere Logik. Das ist genauso wenig eine wissenschaftliche Theorie wie ein Haufen Holzbretter eine Treppe nach oben ist.

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

mehr lesen