Meinung

Wenn libertäre Nerds das All erobern

Mit großem Getöse und unter den Augen des wohlhabenderen Teils der Weltbevölkerung hat Elon Musk eine Rakete seines Raumfahrtunternehmens SpaceX ins All geschickt. Mit an Bord befand sich auch ein Sportwagen von Tesla, das ebenfalls zum Imperium des Silicon-Valley-Milliardärs gehört. Eine bessere Werbekampagne für das Elektroauto zu erfinden oder zu bezahlen, wäre wohl auch für Raketenwissenschaftler keine einfache Aufgabe. Doch darum geht es Musk nicht, wie er nicht müde wird zu betonen. Er hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Welt zu retten, wie er etwa im Gespräch mit dem US-Latenight-Talker Stephen Colbert anklingen lässt.

Musk ist ein Anhänger der Idee, dass Technologie und privater Unternehmergeist fast alle Probleme der Menschheit lösen können. Seine Vision der Zukunft schlägt Elektroautos, die unser Verkehrs- und Platzproblem nicht lösen können, Hyperloops, die technologisch und finanziell kaum umzusetzen sind, und eben private Raumfahrt als Heilsbringer für die Erde vor. Von einem neuen Space-Race ist vielerorts bereits zu lesen, das die Raumfahrt revolutionieren und die Menschheit in ein neues Zeitalter katapultieren soll. Die Kolonisierung des Mars ist eines der Steckenpferde von Musk. Sein Ansatz klingt auf den ersten Blick verlockend: Die staatlich finanzierte Raumfahrt hat nämlich tatsächlich ein Kostenproblem. Mangelnde Innovation und ineffiziente Abläufe machen Ausflüge ins All sehr teuer.

Privates Wissen, privates Gold

Das können SpaceX und Co vielleicht tatsächlich ändern. Schon jetzt unterbieten sie staatliche Anbieter beim Transport von Satelliten in Erdumlaufbahnen. Es ist aber schwer zu glauben, dass das Gemeinwohl für diese Anbieter, die in Zukunft Milliarden im All verdienen wollen, tatsächlich ein Faktor ist. Wie schon der Tesla-Raketenstunt zeigt, geht es Musk auch im Weltall um Profit. Das zeigt sich auch an den spärlichen Informationen, die SpaceX zum Raumflug publiziert. Wo Organisationen wie ESA oder NASA ihre Daten üblicherweise großzügig offenlegen, kontrolliert das SpaceX-PR-Team genau, was wann publiziert werden darf. So wurde der Verlust des dritten Boosters, der im Wasser statt auf der Landeplattform aufgesetzt hat, seltsamerweise aus dem Livestream herausgehalten.

Wo sich der Tesla jetzt befindet, wann er am Scheitelpunkt seiner Umlaufbahn ankommt, wie schnell er ist und wie lange er tatsächlich unbeschadet im All überleben kann, ist aus den publizierten Berichten nicht herauszulesen. Und noch geht es nur um Wissen. Wenn die private Raumfahrt irgendwann tatsächlich auch Rohstoffe im All abbaut, werden diese unter feinjustiertem Ausschluss der Öffentlichkeit in die Taschen der Privatiers wandern. Dabei basiert die Raumfahrt auf staatlich finanzierter Forschung und man könnte argumentieren, dass das Weltall das kollektive Erbe der Menschheit sein sollte. Wenn Musk und Co wirklich die Welt retten wollten, könnten sie ihre Milliarden wohl sinnvoller anlegen. Den Mars bewohnbar zu machen würde laut einer Schätzung etwa 100.000 Jahre dauern. In diesem Zeitraum wird eine unfassbare Zahl an Menschen verhungern, an Krankheiten sterben oder im Krieg verenden.

Diese Probleme interessieren das Silicon Valley aber nur bedingt, auch wenn dort einige Dollar an Spenden zusammenkommen. Hier wird das große Geld lieber in Science-Fiction-Konzepte investiert. Statt ihre Mitarbeiter an ihren Unternehmen zu beteiligen und so die Welt der Angestellten zu verbessern, werden diese geknechtet. Derweil planen Tech-Milliardäre wie Musks ehemaliger Weggefährte Peter Thiel lieber private Staaten auf Ölplattformen, die reichen Investoren ein Leben in Saus und Braus weit ab vom unangenehmen Pöbel und der Kontrolle durch Regierungen erlauben. Dass solche Ideen umgesetzt werden, ist derzeit nicht wahrscheinlich. Trotzdem zeigen sie, dass das Silicon Valley auch radikalen Ansichten ein guter Nährboden ist. Was die Anhänger von solchen Idealen dabei oft vergessen: Sie profitieren in hohem Ausmaß von öffentlicher Infrastruktur, öffentlicher Bildung, öffentlichen Förderungen und staatlicher Protektion. Sollte die Erde tatsächlich jemals in relevantem Ausmaß das Weltall erobern, wäre zu hoffen, dass andere Ideale als Basis dienen.

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Markus Keßler

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