App-Desaster in Iowa: „Die sind an sich selbst gescheitert“
An Tag zwei nach dem US-Vorwahldesaster aufgrund einer fehlerhaften App war im demokratischen Lager weiterhin Wunden lecken angesagt. Nach einer selbstauferlegten Informationssperre der Organisatoren in Iowa, welche die Öffentlichkeit, aber auch die Präsidentschaftskandidaten für 24 Stunden in Ungewissheit ließ, wurden am Mittwoch neue Details zu den Hintergründen der technischen Panne bekannt. Begleitet wird die Diskussion über Forderungen, auf E-Voting künftig gänzlich zu verzichten.
Keine Manipulationen
Bereits in der Nacht auf Mittwoch hatten die Verantwortlichen bei der Präsentation der ersten Wahlergebnisse Manipulationen oder einen Cyberangriff ausgeschlossen. Die über die App gesammelten Rohdaten würden mit den auf Papier festgehaltenen Aufzeichnungen übereinstimmen. Durch einen Programmierfehler seien die Daten über die App allerdings fehlerhaft an die Wahlbehörde ausgespielt worden, teilte Troy Price, der Vorsitzende der Demokraten in Iowa mit. Alle Resultate seien vorhanden und würden nun validiert.
"Es war kein Hackerangriff, die Organisatoren sind schlicht an sich selbst und dem veralteten, komplizierten US-Wahlsystem gescheitert. Mit E-Voting oder nicht hat das ganze eigentlich wenig zu tun", erklärt Robert Krimmer von der Technischen Universität Tallinn. Die App zur Übertragung der Wahlergebnisse sei mit wenigen Wochen vor der Wahl offensichtlich zu spät fertig und zu wenig umfassend getestet worden, sagt der E-Voting-Experte im futurezone-Interview.
"Man wird immer zu spät fertig"
Das sei bei IT-Projekten nichts Ungewöhnliches, man werde grundsätzlich zu spät fertig, zeigt Krimmer einerseits Verständnis. "Eine Wahl ist aber immer ein besonderes Projekt. Denn egal, wie weit man mit einem System oder einer App ist - die Wahl kann man nicht verschieben. Es muss an dem Tag X funktionieren." Dazu komme, dass die Rahmenbedingungen des Wahltags vorab nicht wirklich getestet werden können. Fehler seien bei derart komplexen Wahlsystemen schon allein aufgrund lokaler Besonderheiten der Wahlsysteme vorprogrammiert.
Umso wichtiger sei es daher, das System vorab in kleineren Pilotprojekten einzusetzen. Zudem müsse man einen guten Plan B haben, um bei auftretenden Schwierigkeiten den ordnungsgemäßen Ablauf gewährleisten zu können. Bekannterweise scheiterte aber auch die alternative Übermittlung der Daten an überlasteten Telefon-Hotlines und an dem zu Grunde liegenden Software-Fehler in der App. "Das Krisenmanagement hat vorne und hinten nicht funktioniert", kritisiert Krimmer.
Kritik an App-Entwicklern
Spott und Häme ergoss sich am Mittwoch vor allem über Gerard Niemira, Geschäftsführer des verantwortlichen Start-ups Shadow. Wie jetzt bekannt wurde, hatte sich Niemira, der Teil des Wahlkampfteams von Hillary Clinton war, vor einem Jahr über die veralteten Computersysteme der demokratischen Partei echauffiert und großmundig nutzerfreundliche digitale Werkzeuge angekündigt. Nun musste er sich kleinlaut entschuldigen. „Wir fühlen uns wirklich schrecklich, dass unsere Technologie zu Problemen geführt hat“, wird er von Bloomberg zitiert.
Raum für Verschwörungstheorien und Spekulationen bieten aber nicht nur die engen Verbindungen des Start-ups zu den Wahlkampfteams rund um Hillary Clinton und Barack Obama, sondern auch, dass einige Präsidentschaftskandidaten wie Pete Buttigieg und Joe Biden die App-Entwickler im vergangenen Jahr mit Zehntausenden Dollar unterstützt hatten. Diese Beiträge seien für die Verwendung von anderen Technologien ausgegeben worden, etwas das Versenden von Textnachrichten für potenzielle Unterstützer.
Debatte über E-Voting
Im Zuge des Wahlchaos wurden naturgemäß auch wieder Forderungen laut, per se auf elektronische Wahlsysteme zu verzichten. „Abgesehen davon, dass es hier nicht um die elektronische Stimmabgabe an sich, sondern nur um die elektronische Übermittlung von Ergebnissen ging, wäre ich vorsichtig voreilig Schlüsse daraus zu ziehen", sagt Krimmer.
Wenn Wahlorganisation und Krisenmanagement wie in diesem Fall schlecht seien, mache es keinen Unterschied, ob etwas elektronisch oder über Papier abgewickelt werde. "Iowa hat in diesem Jahr erstmals Ergebnisse standardisiert und auf Papierdokumenten festgehalten. Die Nachvollziehbarkeit und Transparenz war bisher also noch nie ein Kriterium - und das ist ja das eigentliche Problem, egal auf welchem Weg gewählt wird."
"Demokratiepolitischer Auftrag"
Technisch gesehen müsse man bei elektronischen Wahlen natürlich mit besonderer Sorgfalt vorgehen. Komplexe kryptografische Verfahren müssten gewährleisten, dass nur Wahlberechtigte abstimmen und deren Stimme bei der Übertragung nicht manipuliert werden können. In einem zweiten Schritt gehe es darum, dass das Gesamtergebnis nicht verändert werden könne. Gleichzeitig müsse das Stimmgeheimnis gewahrt bleiben.
Ungeachtet der technischen Herausforderungen und der bekannten Rückschläge, die auch Krimmer selber etwa im Umfeld der verpatzten ÖH-Wahl erleben musste, ortet der E-Voting-Befürworter auch einen demokratiepolitischen Auftrag. "Wie die Hunderttausenden online abgegeben Unterschriften zum Antiraucher- und Frauenvolksbegehren zeigen: Die Leute wollen sich politisch beteiligen, sehnen sich aber auch nach neuen, einfachen Möglichkeiten dies zu tun."