EU-Kommission will Vorratsdaten wieder speichern
Obwohl der EuGH die Vorratsdatenspeicherung für unverhältnismäßig und grundrechtswidrig erklärt hat, will die neue EU-Kommission die verdachtsunabhängige Speicherung wieder einführen. Das bestätigte eine Sprecherin der Generaldirektion für Inneres (Home) gegenüber netzpolitik.org. „Es geht nicht mehr um das ob, sondern nur noch um das wie“, vermeldete die Sprecherin.
Die EU-Kommission führe derzeit eine Prüfung durch, unter Einbeziehung der relevanten Kreise wie Strafverfolgungs- und Datenschutzbehörden. Der zuständige EU-Kommissar für Inneres, Migration und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos, will bereits Mitte 2015 einen neuen Vorschlag für die Massenüberwachung der digitalen Kommunikation aller EU-Bürger vorschlagen. Einen Tag nach der europaweiten Berichterstattung zu diesem Thema ruderte die Sprecherin allerdings wieder zurück: "Ich glaube, es gab da einige Verwirrung. Ich meinte, dass wir jetzt nachdenken, wie man die Dinge voranbringt, statt ob wir eine neue neue Richtlinie brauchen oder nicht."
Kernproblem: anlasslose Überwachung
Erst im April dieses Jahres kippte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von 2006. Die damals zuständige EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström kündigte daraufhin an, keine neue Richtlinie anstoßen zu wollen. Eine neue Richtlinie auszuarbeiten dürfte sich als äußerst schwierig erweisen, denn das Kernproblem, dass mit einer Vorratsdatenspeicherung die Kommunikationsdaten aller EU-Bürger ohne konkreten Verdacht und Anlass gespeichert werden, bleibt erhalten. „Es ist aus juristischer Sicht nicht möglich, eine neue Regelung ohne massive Grundrechtseingriffe zu schaffen“, erklärte etwa Bernhard Fink, Vorsitzender des ÖRAK-Arbeitskreises für Grund- und Freiheitsrechte, am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Der ÖRAK sprach sich für ein „klares Nein“ vehement gegen eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung aus.
In Österreich wurde die Vorratsdatenspeicherung erst am 1. Juli abgeschafft, nachdem sie vom österreichischen Verfassungsgerichtshof gekippt wurde. Eingeführt wurde sie am 1. April 2012. Seit der Abschaffung wurden sowohl vom Justizministerium als auch vom Innenministerium Versuche für eine Neuregelung gestartet. Zuletzt sprach sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner im Rahmen eines Treffens der EU-Innenminister für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in der Europäischen Union aus. Damit ist sie mit dem neuen EU-Innenkommissar offenbar einer Meinung.
Massive Kritik aus Österreich
Aus Österreich ist bereits im Vorfeld vor einer neuen Regelung massive Kritik von mehreren Fronten zu verzeichnen. Der Verband der Internet Service Provider Austria (ISPA) lehnt den Versuch, eine neue Vorratsdatenspeicherung einzuführen ab und will diese sowohl auf europäischer als auch auf nationaler bekämpfen. „Wir sind enttäuscht, dass dem Urteil des EuGH offensichtlich keine Bedeutung zuerkannt wird und – wieder unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung – ein neuer Versuch unternommen werden soll, die Bürger der EU unter Generalverdacht zu stellen“, sagt Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA, am Mittwoch gegenüber der futurezone.
Am Vortag äußerte sich neben dem ÖRAK auch das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte kritisch gegenüber einer Wiedereinführung. „Die Bedrohung durch den Jihadismus ist ernst zu nehmen, aber rechtsstaatliche Instrumente reichen aus“, so Tretter. Die Überprüfung der Sinnhaftigkeit der Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene hätte beispielsweise ergeben, dass kein einziger Staat einen Terrorangriff allein mittels Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt habe. „Jedes Mal waren James-Bond-Agentenmethoden für erste Verdachtsmomente verantwortlich“, sagt der Experte.
Auch aus der Zivilgesellschaft war bereits massive Kritik gegen die Pläne vernehmbar. Auch der AK Vorrat sprach sich dafür aus, sich auf die demokratischen Grundwerte zu besinnen und nicht mehr Repression zulasten der demokratischen Werte einzusetzen, wenn es um die Bekämpfung von Jihadismus und Terrorismus geht. Bedenklich sei, dass die Vorratsdatenspeicherung, auch als es sie in Österreich noch gab, nie zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt wurde, so AK-Vorrat-Geschäftsführer Thomas Lohninger.