EuGH-Anwalt: Österreichisches "Hass im Netz"-Gesetz ist EU-rechtswidrig
Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Maciej Szpunar, hat sich am Donnerstag der Meinung von Google, Meta und TikTok angeschlossen, dass das seit 1. Jänner 2021 in Österreich geltende Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G) nicht pauschal auf sie anwendbar sei. Andernfalls liefe man Gefahr, "die Fragmentierung des Binnenmarkts durch nationale Regelungen zuzulassen".
Gesetzespaket gegen Hass im Netz
Das österreichische KoPl-G ist Teil des Gesetzespakets gegen Hass im Netz. Es zielt auf eine Stärkung der Verantwortlichkeit der Anbieter von sozialen Medien ab, indem es Anbieter von solchen Kommunikationsplattformen dazu verpflichtet, ein Melde- und Überprüfungsverfahren für rechtswidrige Inhalte einzurichten. Außerdem müssen regelmäßige Transparenzberichte über den Umgang mit Meldungen veröffentlicht sowie Ansprechpersonen im Inland bereitgestellt werden.
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Die von dem Gesetz erfassten Plattformen unterliegen der Aufsicht durch die Kommunikationsbehörde Austria. Bei Verstößen gegen Verpflichtungen aus dem KoPl-G kann die Kommunikationsbehörde Geldstrafen in der Höhe von bis zu 10 Millionen Euro verhängen.
EuGH dürfte Generalanwalt wohl zustimmen
"Das Unionsrecht verwehrt es, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten durch gesetzliche Maßnahmen generell-abstrakter Natur zu beschränken", hieß es heute veröffentlichten Schlussantrag des Generalanwalts in der Rechtssache C-376/22. Die Richter am EuGH folgen häufig der Argumentationslinie der Generalanwaltschaft, sind aber nicht daran gebunden.
Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verbiete es den Mitgliedstaaten, "den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat einzuschränken" und einem Anbieter strengeren Anforderungen als in seinem Herkunftsland aufzuerlegen, wird im Schlussantrag argumentiert.
Ausnahmen seien nur auf sich auf einen konkreten Einzelfall beziehende Maßnahmen vorgesehen, "und zwar nach vorheriger Mitteilung an die Kommission und Aufforderung an den Herkunftsmitgliedstaat, Maßnahmen im Bereich der Dienste der Informationsgesellschaft zu ergreifen, was vorliegend nicht geschehen ist".
Der Grund für die Beurteilung ist, dass sich laut dem EU-rechtlichen Herkunftslandprinzip die Anforderungen an einen Online-Dienst grundsätzlich nur nach dem Recht jenes Staates richten, in dem der Anbieter seine Hauptniederlassung hat. Das wäre im Falle von Google, Meta und TikTok in Irland. Andernfalls müsste jedes Unternehmen 27 nationale Gesetze befolgen, wodurch der europäische Binnenmarkt erheblich beschränkt wäre.
ISPA nicht überrascht
Stefan Ebenberger, Generalsekretär der Internet Service Providers Austria (ISPA), zeigt sich nicht überrascht: "Wir haben bereits 2020, als das Gesetz verhandelt wurde, darauf hingewiesen, dass die europarechtlichen Vorgaben hier nicht eingehalten werden." Ebensberger kritisiert den nationalen Alleingang Österreich und hebt die europäische Lösung hervor, die in Form des Digital Services Act der EU bereits besteht. "So wichtig Maßnahmen gegen Hass im Netz sind, war dieses Gesetz von vornherein überflüssig: Der Digital Services Act der EU reguliert genau diese Bereiche, wurde damals bereits intensiv verhandelt und wird derzeit bereits in Österreich umgesetzt", sagt Ebensberger in einer Aussendung.
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