Faymann, Google & ITU für Big Brother Awards nominiert
Das Motto der diesjährigen Big Brother Awards lautet: "Yes we scan.“ Dafür sind allerdings erstaunlich wenige Nominierungen rund um den NSA-Skandal zu finden, genauer gesagt nur eine. Diese trifft Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), stellvertretend für die gesamte Bundesregierung. „In Österreich gab es keine Anstrengung zum Schutz der Bürger vor dieser systematischen Rechtsverletzung, sondern nur zahlreiche Bemühungen, das Ausmaß der Bespitzelung zu verschleiern“, heißt es offiziell seitens der Veranstalter der Awards, dem Verein quintessenz. Bundeskanzler Faymann hat sich tatsächlich selten zum NSA-Skandal geäußert, doch auch in den einzelnen Ministerien wurde großteils geschwiegen – vor allem über den Vertrag, den der US-Nachrichtendienst mit der Republik Österreich abgeschlossen haben soll und der erneuert worden ist, war nicht viel in Erfahrung zu bringen. „Beschränkt öffentlichkeitstauglich“ sei diese Frage laut Minister Klug, wie die quintessenz in ihrem Nominierungstext bemängelt.
Whistleblower-Portal
Neben Werner Faymann finden sich jedoch auch zahlreiche weitere Politiker in der Liste der Nominierten wieder. Doris Bures (SPÖ) wurde etwa für ihren Vorschlag, die Rettungsgasse durch den Ausbau von Überwachungskameras zu kontrollieren, nominiert. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) traf es für die flächendeckende Kennzeichenerfassung. Kritik an Beatrix Karl (ÖVP) wurde für das Whistleblower-Portal der Justiz laut, bei dem „anonym“ Korruptionsfälle gemeldet werden können. IT-Experten kritisierten, dass die Anonymität der Informanten nicht ausreichend gewährleistet sei. Der Verein quintessenz kritisiert dabei vor allem, dass die Server bei einem Cloud-Anbieter in Deutschland stehen und die „Datenhoheit“ nicht beim österreichischen Ministerium liegt, sondern bei einer deutschen Privatfirma.
Doch nicht nur Politiker sind unter den potentiellen Preisträgern der Datenschutz-Negativpreise. Microsoft-Chef Steve Ballmer wurde für die X-Box One nominiert, das „Mediacenter als Spion im Wohnzimmer“. Peter Schaar, Deutschlands oberster Datenschützer, hat die neue X-Box als „Überwachungsgerät“ bezeichnet. Aus einer Patentschrift lässt sich klar erkennen, dass die Objekt-, Gesichts- und Spracherkennung dazu genutzt werden kann, Lizenzen und Berechtigungen derjenigen zu kontrollieren, die sich in Hör- und Sichtweise des Geräts befinden.
Unverschlüsselte Android-Passwörter
Von Google hat im vergangenen Jahr Chef Larry Page einen der unbeliebten Preise in der Kategorie „Weltweiter Datenhunger“ abgeräumt, dieses Jahr ist Google-Verwaltungsratschef Eric Schmidt nominiert – und zwar dafür, dass Google Android-Passwörter unverschlüsselt auf den eigenen Servern speichert und eine weltweite Datenbank mit den Bezeichnungen von WLAN-Netzwerken führt. „Führt man diese Datensätze zusammen, steht theoretisch jedes WLAN offen, in das sich einmal ein Android gerät eingeloggt hat“, so die Kritik der Veranstalter der Big Brother Awards.
In derselben Kategorie sind noch Hamadoun Toure von der ITU nominiert für den technischen Standard „Deep Packet Inspection“ zur inhaltlichen Überwachung der Netze sowie Billy Hawkes von der irischen Datenschutzbehörde, die gerade vom Österreicher Max Schrems verklagt wird. Warum das so ist, lesen Sie hier.
In der Finanzbranche wurde noch Byron Haynes von der BAWAG-PSK nominiert und zwar dafür, dass dank einer Datenpanne bei der Bank eine systematische Überprüfung der Kontobewegungen im Bezug auf Geld vom AMS ans Tageslicht gekommen ist. Ansonsten wurde auch die Tiroler Gebietskrankenkasse mit einer Nominierung versehen für die Weitergabe von "pseudonymisierten" Daten zum Zwecke der Gesundheitsvorsorge, auch die dubiose Umsetzung des Smart Meter-Opt-Outs im Gesetz sowie die verpflichtende Einführung der NFC-Bankomatkarte werden vom Big Brother-Organisationsteam kritisiert und mit einer Nominierung bedacht.
Gala im Rabenhof-Theater
Weitere Nominierte sind auf der Website zu den Big Brother Awards zu finden. Die große Gala, bei der die Sieger gekürt und präsentiert werden, findet am 25. Oktober ab 20 Uhr im Rabenhof Theater (1030 Wien, Rabengasse 3) statt. Die Veranstaltung wird dieses Jahr von Mirjam Unger und Gerald Votava moderiert, aufgeigen werden Maki & Rainer Binder-Krieglstein. Als „Special Guests“ sind Brigitta Jonsdottir von den isländischen Piraten sowie Nadim Kobeissi, der kanadische Entwickler von Cryptocat, sowie Daniel Erlacher vom Elevate Festival angekündigt.
Es wird mit Spannung erwartet, ob auch dieses Jahr wieder einer der Preisträger den Award persönlich abholen wird. Im vergangenen Jahr holte Kurt Schügerl von der Digilight Werbe- und Netzwerk GmbH die Auszeichnung ab. Eine „erfreuliche“ Entwicklung seit dem letzten Jahr gab es zudem auch: In der Kategorie "Behörden und Verwaltung" bekam die Nationalratspräsidentin Barbara Prammer den Award dafür, dass das österreichische Parlament auf seiner Parlaments-Website bei den Bürgerinitiativen und Petitionen einen Google-Webdienst namens "reCaptcha" einsetzt. Dies wurde mittlerweile – still und heimlich – geändert. Das Beispiel zeigt, dass die Negativ-Auszeichnungen auch etwas aus Datenschutz-Sicht Positives bewirken können.