Re:publica: "Wir brauchen eine vernünftige Debattenkultur im Netz"
Am Montag startete die dreitägige
Netzkonferenz re:publica in Berlin. Der Andrang gleich zum Start war groß. Insgesamt gibt es in den drei Tagen über 600 Sessions von über 1000 Sprecherinnen und Sprechern unter anderem mit Sascha Labo, Sybille Berg und Markus Beckedahl.
Das Motto der diesjährigen re:publica ist „too long: didn’t read“ („tl;dr“). Das ist das Kürzel von Menschen, die im Internet keine Lust haben, lange Texte zu lesen, aber trotzdem mitreden möchten. Auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nahm in seiner Eröffnungsrede darauf Bezug, bei der der Saal regelrecht gestürmt wurde.
Warnung vor "toxischen Debatten"
Er sprach sich für eine „vernünftigere und zivilisiertere
Debattenkultur im Internet“ aus und warnte vor „toxischen Debatten“. „Wenn uns die Zukunft dieser Demokratie am Herzen liegt, dann müssen wir uns um die politische Debattenkultur im Netz gemeinsam kümmern. Demokratie kann auch in Zukunft nur gelingen, wenn sie digital gelingt.“
Die demokratische Mehrheit dürfe sich nicht aus den digitalen Räumen zurückziehen und vertreiben lassen von den Gebrüll der Wenigen, so Steinmeier und bekam tosenden Applaus vom Publikum der Netzkonferenz. Von Facebook, Twitter und Google forderte Steinmeier „klare Regeln“ wie etwa ein „Herkunftssiegel für Informationen“ vor allem für politische Werbung - und eine „demokratische Regulierung“ dieser Netzwerke.
Landkarte für Menschlichkeit im Netz
Die erste Keynote-Speakerin der Konferenz,
Nanjira Sambuli, sprach davon, dass wir in einer „verrückten Welt“ leben würden und bisher keiner eine Antwort auf die Fragen habe, was Technik mit Menschen macht. Sie setze sich dafür ein, dass das World Wide Web zum Guten verwendet werde, und Menschlichkeit fördere und Gerechtigkeit für alle auf dieser Welt.
Als Senior Policy Managerin bei der World Wide Web Foundation arbeite sie mit einem Team rund um den WWW-Erfinder Tim Berners-Lee zusammen, um eine Landkarte für mehr Menschlichkeit im Netz zu entwickeln. Noch immer würden nicht alle Menschen auf der Welt Zugang zum Internet erhalten. „Die „td;lr“-Kultur sei ein „zutiefst relevantes Thema“ und würde uns derzeit in eine Art „Überlebensmodus“ versetzen. „Wir müssen alle zusammenarbeiten, um die gesellschaftlichen und juristischen Auswirkungen von Technologie zu verbessern“, so Sambuli.
Humor hilft bei der Verarbeitung
Die österreichische Journalistin
Ingrid Brodnig sprach im Anschluss über Humor in digitalen Debatten. „Humor hilft uns, Schlimmes zu verarbeiten. Auch in politischen Debatten. Es hilft uns, zu lachen, auch wenn etwas nicht lustig ist, wie etwa, wenn Donald Trump ins Weiße Haus einzieht“, sagte Brodnig.
Witze würden jedoch auch sehr viel über Menschen aussagen, so Brodnig. Satire-Portale wie „Die Tagespresse“ in Österreich oder „Der Postillon“ in Deutschland würden alle eine Regel beachten: Sie treten immer nur nach oben, niemals nach unten. Sie kritisieren Regierungen, Mächtige, aber niemals Arme, Schwache. Hingegen gebe es im Netz Websites, die rassistische oder sexistische Witze fördern und das Argument „Das ist ja nicht ernst gemeint“ bringen.
Aufpassen, wohin man tritt
Laut Brodnig würden sexistische und rassistische Witze jedoch oft dazu genutzt, dass sich Grenzen in Debatten verschieben. Vieles werde toleriert, das vorher undenkbar gewesen wäre.
„Es macht einen Unterschied worüber man sich lustig macht. Wir alle können uns bewusst entscheiden, wie und worüber“, meinte Brodnig und rief alle im Saal auf, diesen Grundsatz bei der Debatten- und Satirekultur im Netz zu berücksichtigen.