50 Jahre Computermaus: Zum Ausgleich züchtete der Erfinder Bienen
Wer an die Begriffe „Maus“ und „Weltruhm“ denkt, dem fällt unweigerlich Walt Disney ein. Der blitzgescheite Comic-Charakter Micky Mouse gehört zum globalen Kulturerbe. Im Schatten des cleveren Nagers steht jene kleine Holzkiste mit rotem Knopf auf der Oberseite und Kabelstrang am Ende, die der ebenso eigensinnige wie weitsichtige Douglas Carl Engelbart morgen (9.12.) vor 50 Jahren zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentierte.
Die Geburt der Computermaus revolutionierte den Umgang mit dem Personal-Computer. Per Doppelklick erschließen sich seither Milliarden das Internet, scrollen über ihre Bildschirme und verschieben mit dem Cursor digitale Datenmengen von A nach B.
Blick in die Zukunft
Alles begann am 9. Dezember 1968. Ausgerüstet mit einem tragbaren Mikrofon präsentierte der in Oregon geborene Computertechniker am Stanford Research Institute in Menlo Park bei San Francisco vor 2300 Besuchern der „Joint Computer Conference“ einen Blick in die Zukunft. Ein halbes Jahr vor dem Blumenkinder-Festival in Woodstock hatte damit niemand gerechnet.
Engelbart zeigte Arbeitsplatz-Rechner, die Daten miteinander austauschen und so Teamarbeit über tausende Kilometer hinweg möglich machen konnten. Auf der Bühne standen von seiner Forschungsgruppe gebaute Prototypen, die schon damals nahezu alle Bestandteile der Computernutzung von heute enthielten: eine graphische Benutzeroberfläche mit Fenstern, eine Art Web-Browser zur Informationssuche, E-Mails, sogar Videokonferenzen waren darin bereits angelegt.
„Wenn Sie bei der Arbeit im Büro ein Computerbildschirm unterstützen würde, der jederzeit und sofort bereit wäre, wie viel Nutzen würde Ihnen das bringen?“, fragte Engelbart in die sprachlos staunende Runde. Dann griff er zu einem kleinen Kasten aus Holz auf zwei Rädern, ausgestattet mit einer Taste - und bemerkenswerter Wirkung.
Die erste Maus
Schob Engelbart die Hand auf das Ding und bewegte es nach oben, unten, links oder rechts, setzte sich in Echttzeit auf der Leinwand des angeschlossenen Computers ein schwarzer Punkt in Bewegung. Kinderleicht löschte Douglas Engelbart mit dem präzisen Mauszeiger, den er „X-Y Position Indicator for a Display System“ nannte, Textzeilen, stellte sie um, verschob sie. Präzise wie ein Schweizer Uhrwerk.
Als er dann noch über einen Kopfhörer mit Mikrofon mit einem Forscher-Kollegen in einem 50 Kilometer entfernten Labor kommunizierte und beide gemeinsam an einem auf der Leinwand in der Entstehung zu sehenden Text arbeiteten, war es um die Zuschauer geschehen. Sie spendeten frenetischen Applaus. Der anwesende Journalist Steven Levy prägte danach in einem hymnischen Text die Formulierung von der „Mutter aller Präsentationen“.
Erst viele Jahre später, als die „One more thing“-Auftritte von Apple-Genius Steve Jobs Kult-Charakter gewannen, erinnerten sich Ältere daran, dass es „Mäusevater“ Engelbart war, der diesen Stil der quasi im Vorbeigehen geleisteten Produktverkaufe geprägt hatte.
Weder Glück noch Geld
Viel Geld und Glück brachte ihm die Sensation nicht. Engelbart, der zu den unter Wert geschlagenen Pionieren des Computerzeitalters gehörte, starb 2013 im Alter von 88 Jahren als reichlich unreicher Mann. Dafür heimste er immaterielle Ehren ein. Er ist Träger des renommierten A. M. Turing Award der „Association for Computing Machinery“. Auch die „National Medal of Technology“ wurde ihm verliehen.
Douglas C. Engelbart wurde 1925 im Westküsten-Bundesstaat Oregon geboren. Er wuchs auf dem elterlichen Bauernhof auf, studierte nach der Highschool Elektrotechnik. Im Zweiten Weltkrieg war er als Radartechniker zwei Jahre lang bei der Marine. Zurück im Zivil-Leben, brachte er die Universität hinter sich und zog gen Süden, um bei der „National Aeronautic Commission“ (Vorläufer der NASA) sein Glück zu suchen. 1955 schaffte Engelbart in Berkeley den Doktortitel. Im Jahr darauf verlegte er seine Aktivitäten an das renommierte Stanford Research Institute. Dort baute er 1963 ein eigenes Forschungslabor auf, das „Augmentation Research Center“, und wurde schnell zu einem der wichtigsten Schrittmacher für die Entwicklung moderner Computersysteme.
Schwerpunkt seiner Arbeit war das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine. Die Erfindung der „Maus“ und der parallele Einsatz mehrerer Arbeitsfenster auf dem Computer-Bildschirm gehen auf sein Konto. Auch beim Arpanet, dem Vorläufer des Internets, das als Netzwerk zwischen US-Forschungsinstituten 1969 den Betrieb aufnahm, war er einer der Pioniere. Engelbarts Computer war damals der zweite „Host“ des gesamten Netzes. Dafür entwickelte sein Team die Software NLS.
Rechte an Apple verkauft
Engelbarts Maus widerfuhr am Anfang eher Desinteresse. Sein Arbeitgeber, das Research Institute, ließ sich das Gerät mit den Reibrädern zwar patentieren, blieb aber untätig. Später verkaufte man die geistigen Rechte an Apple. Steve Jobs erkannte schnell den Nutzwert. Anfang der 80er Jahre wurden die stummen Befehlsgeber bereits mit einem Rechnersystem ausgeliefert, dem Xerox Alto. 1985 führte Logitech die Drei-Tasten-Maus ein. Schon 1991 biss die Technik der Maus den Faden ab. Seither lassen kabellose Mäuse den Cursor über den Bildschirm tanzen.
Nach Branchenangaben wurden bisher weltweit über eine Milliarde Mäuse verkauft. Das Konsum- und Kommunikationsverhalten ist dadurch ein anderes geworden. Amazon etablierte das Bezahlverfahren „mit einem Klick“. Facebook hat das Instrument des „Like“ geschaffen. Jeder Nutzer kann damit sein Wohlwollen mit nur einem Knopfdruck weltweit demonstrieren.
Sprachsteuerung
Allerdings rechnen Technik-Gurus damit, dass es in nicht allzu ferner Zukunft „Aus die Maus“ heißen könnte. Der Trend geht zur Sprachsteuerung. Alexa und Echo, die führenden Netzwerklautsprecher und Digital-Butler, sind klickfrei. Sie bekommen ihre Befehle sprachlich mitgeteilt. Was die Erfindung von Douglas C. Engelbart wohl irgendwann wie einst die Wählscheibe am Telefon ins Museum der Technikgeschichte bringen wird.
Damit ginge ein gewisser Machtverlust des Menschen über die Maschine einher. Die Maus vermittelt das Gefühl, man habe als „User“ die Dinge selbst in der Hand. Vielleicht darum suchte Douglas Engelbart früh Zuflucht in Hobbys, die Erdung und analoge Freuden versprachen. Er züchtete Bienen.