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Flimmit im Test: Nischen-Netflix für Österreich

Der US-Streaming-Dienst Netflix ist seit vergangenen September auch in Österreich und einigen anderen europäischen Staaten verfügbar. Der Start wurde gefeiert, doch in kleinen Märkten wie Österreich stellte sich schnell Ernüchterung ein. Einerseits ist das Angebot im Vergleich mit der US-Bibliothek klein, zudem setzt man vorwiegend auf Hollywood-Inhalte.

Während Netflix in großen Märkten wie Großbritannien, Deutschland oder Frankreich Inhalte von den großen TV-Sendern zugekauft hat, sucht man hierzulande vergeblich nach heimischen Serien oder Filmen. Diese Nische will nun das österreichische Start-up Flimmit füllen. Gegründet 2007 als Video-on-Demand-Anbieter, verwandelt es sich nun unter ORF-Beteiligung in einen Netflix-Konkurrenten mit Fokus auf österreichische und europäische Filme.

Optisch ähnelt die Web-Oberfläche von Flimmit auffallend jener von Netflix. An der Oberseite stehen die Kategorien “Serie”, “Filme”, “Kollektionen” und “Kinder” zur Auswahl, die durch einen Klick die verfügbaren Genres zeigen. Auf der Startseite werden Highlights groß in einer Übersicht angezeigt, darunter finden sich ausgewählte Titel aus der Bibliothek zu bestimmten Themen, beispielsweise “Filme aus Europa” oder “Empfehlungen der Redaktion”. Fährt man mit dem Mauszeiger über einen Titel, wird eine Kurzbeschreibung angezeigt.

In den einzelnen Kategorien, wie “Film” oder “Serien”, können Titel zudem weiter gefiltert werden. So können Titel beispielsweise nach Sprachen, Untertiteln oder Genre herausgefiltert werden. Über die Suchfunktion ist zudem die Suche nach einzelnen Titeln oder Schauspielern und Regisseuren möglich. Dabei kann jedoch nur die Flimmit-Bibliothek durchsucht werden. Findet sich bei Netflix etwa ein Titel nicht in der Bibliothek, werden zumindest ähnliche Titel empfohlen, die verfügbar sind. Etwas störend ist zudem, dass bei der Suche Schauspieler und Regisseur explizit voneinander getrennt werden. So muss der Nutzer beispielsweise bei der Suche nach Karl Markovics zwischen zwei Ergebnissen wählen: Seinen Werken als Schauspieler, sowie jenen als Regisseur.

Flimmit lernt nicht mit

Wie bei Netflix kann man sich eine Merkliste zusammenstellen, die jedoch in der Web-Oberfläche etwas versteckt wird. Dort ist sie unter “Meine Filme & Serien” in der Kontoübersicht zu finden, in der Smartphone-App wird sie zumindest als eigener Menüpunkt angeführt. Praktisch sind zudem die Trailer, die bei einigen Filmen und Serien zur Verfügung gestellt werden. Fehlt der offizielle Trailer, werden die ersten fünf Minuten des Titels wiedergegeben.

Leider fehlt eine Bewertungsfunktion, derzeit kann man einen Titel nur mit “Daumen hoch” oder “Daumen runter” bewerten. Laut Flimmit soll man damit lediglich für sich selbst markieren, ob man den Titel gut fand oder nicht. Empfehlungen auf Basis des Sehverhaltens und der Bewertungen gibt es vorerst nicht. Flimmit schlägt jedoch auf Wunsch ähnliche Titel vor. Beim Durchsehen der Bibliothek fiel lediglich negativ auf, dass ein paar Titeln das Cover fehlte. So wusste man nicht, um welchen Film es sich eigentlich handelte.

Die Web-Oberfläche ist sehr flott und lässt sich ohne die Installation von proprietären Plug-Ins nutzen. So wäre es dank HTML5 theoretisch auch möglich, die Web-Oberfläche am Smartphone oder Tablet zu nutzen. Doch im Test waren einige Bedienelemente des Players abgeschnitten, sodass sich der Vollbildmodus nicht aktivieren ließ. Die Apps für Android und iOS sind sehr gut gelungen und bieten zum Teil sogar mehr Funktionen als die Web-Oberfläche. So stehen zusätzliche Filter zur Verfügung, wie Altersfreigabe, Produktionsjahr oder das Herkunftsland. Wer keinen Smart-TV besitzt, kann per Chromecast oder Apple TV das Video auf dem Fernseher wiedergeben. Eine Offline-Funktion gibt es derzeit nicht, die App muss für die Wiedergabe mit dem Internet verbunden sein.

Das Angebot von Flimmit ist vielfältig und richtet sich vor allem an Fans des österreichischen und europäischen Films. So sind neben bekannten österreichischen Spielfilmen, wie Karl Markovics „Atmen“, auch preisgekrönte Dokumentationen, wie „Whores Glory“, und die „Universum“-Reihe im Angebot zu finden. Hollywood-Filme, wie etwa „Inside Wikileaks“, sind die Ausnahme. Die angebotenen US-Filme lassen sich meist eher der B-Movie-Kategorie zuordnen, beispielsweise der schräge Action-Film „Titanic 2: Die Rückkehr“. Diese nehmen aber nur einen kleinen Teil des ansonsten auf Europa konzentrierten Angebots ein.

Insgesamt stehen Abo-Kunden 749 Filme sowie 42 Serien zur Auswahl. Das ist deutlich weniger als beim Konkurrenten Netflix, der derzeit in Österreich 1224 Filme und 287 Serien im Angebot hat. Für Verwirrung sorgt das Vermischen des Abo- und Video-on-Demand-Angebots. Flimmit bietet neben der Flatrate auch weiterhin Titel für den Einzelabruf an, die ab 1,99 Euro für einige Tage ausgeliehen oder ab 5,99 Euro dauerhaft gekauft werden können. So währt die Freude über einen entdeckten Titel oft nur kurz, weil man trotz Abo plötzlich fünf Euro bezahlen müsste, um diesen zu sehen.

Kaum Untertitel

Zum Entdecken laden wiederum die sogenannten Kollektionen ein. Hier werden von Flimmit Filme anhand verschiedener Themen zusammengetragen, beispielsweise Literaturverfilmungen, Burgtheater-Aufzeichnungen oder Filme der Diagonale. Hier wurde im Test aber der Frust verstärkt, denn diese Kollektionen sind zum Großteil mit Titeln bestückt, die nicht im Abo enthalten sind. Das Serien-Angebot von Flimmit ist im Vergleich zur guten Film-Auswahl sehr mager. Dabei handelt es sich zum Großteil um ORF-Serien, beispielsweise “Wir sind Kaiser”, “Vier Frauen und ein Todesfall” oder “SOKO Kitzbühel”. Auch Klassiker wie “Ein echter Wiener geht nicht unter” und “Kaisermühlen Blues” sowie die Kinderserien “Lucky Luke” und “David der Kabauter” finden sich im Angebot. Wer österreichische Serien schätzt, dürfte den Großteil davon bereits kennen.

Umstritten ist zudem das Experiment “Altes Geld”. Die neue ORF-Serie von David Schalko ist bereits ab Freitag auf Flimmit abrufbar, im Fernsehen wird sie erst ab Herbst zu sehen sein. Da die Produktion mit ORF-Gebühren finanziert wurde, übte der Verband der Gebührenzahler im Vorfeld heftige Kritik. Im Abo ist die Serie jedoch nicht enthalten. Enttäuschend ist zudem die mangelnde Verfügbarkeit von Untertiteln, sowohl bei Serien als auch bei Filmen. Im Gegensatz zu den meisten Streaming-Diensten bietet Flimmit nur für einen kleinen Teil seiner Bibliothek Untertitel an, meist nur für Dokumentationen. Wer Originalversionen sucht, wird meist nur außerhalb des Abo-Angebots fündig. Aber auch hier wird man hin und wieder enttäuscht. Die französische Komödie “Monsieur Claude und seine Töchter” ist beispielsweise nur auf Deutsch verfügbar.
Flimmit
Die Qualität der Video-Inhalte schwankt ebenfalls. So sind Filme wie “Atmen” lediglich in DVD-Qualität mit 576p verfügbar, internationale Kino-Filme und aktuelle Titel werden aber auch in 1080p angeboten. Dabei überlässt Flimmit dem Benutzer die Wahl über die Qualität. So kann man, wie bei anderen Streaming-Diensten üblich, die optimale Bitrate automatisch bestimmen lassen. Alternativ kann man zwischen bis zu fünf Stufen wählen, beginnend bei Bitraten von 190 kbps. Das Streaming mit adaptiver Bitrate funktionierte gut, auch die Qualität ist auf der höchsten Stufe überzeugend. Mit einer Bitrate von knapp fünf Mbps bewegt man sich auf dem Niveau von Netflix (6 Mbps bei SuperHD). Ein kleiner Fehler machte sich zudem bei einer Komfortfunktion bemerkbar: Das Speichern der letzten wiedergegebenen Position funktionierte nur in den Apps, die Web-Version startete stets am Anfang.

Wer die ORF TVthek kennt, wird sich bei Flimmit verwundert die Augen reiben. Die Plattform ist deutlich moderner umgesetzt als die On-Demand-Plattform des ORF, hat sich dafür aber auch einiges an Inspiration von Netflix geholt. Das trübt jedoch nicht den positiven Gesamteindruck, denn bis auf die Präsentation haben die beiden Plattformen nur wenig gemeinsam. Flimmit konzentriert sich auf europäische Filme und Serien, wohingegen Netflix vor allem den englischsprachigen Markt abdeckt. Wer den europäischen Film schätzt, wird sich daher über die Alternative zum US-Riesen freuen.

Doch auch wenn das Angebot erfrischend anders ist, der angepriesene “Feinkostladen” ist derzeit noch eher mager bestückt. Vor allem das Serien-Angebot versucht derzeit, mit klingenden Namen wie “Vorstadtweiber” die mangelnde Vielfalt zu kaschieren. So sind 7,49 Euro im Monat noch etwas zu viel, insbesondere da man viele der Titel schon aus dem Fernsehen kennt.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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