Garmin Varia RCT715 im Test: Radeln mit Radar und Dashcam
Der Wearable- und Sport-Gadget-Hersteller Garmin hat eine neue Variante seines Radar-Rücklichts auf den Markt gebracht. Damit sieht man nicht nur, wenn sich Fahrzeuge nähern - die Überholmanöver werden auch gefilmt. Ich habe das 400-Euro-teure Gerät getestet und mich erkundigt, wie die rechtliche Lage der Fahrrad-“Dashcam” in Österreich aussieht.
Was kann das Garmin Varia RCT715
Die primäre Funktion von Garmins Varia-Geräten ist es, herannahende Fahrzeuge zu registrieren und die Radfahrer*innen darauf aufmerksam zu machen. Möglich wird das durch ein eingebautes Radar. Das Gerät wird an der Rückseite des Fahrrades befestigt, mit Blick zurück.
Sich nähernde Fahrzeuge (egal ob Auto, Traktor, Lkw oder andere Radfahrer*innen) werden aus einer Entfernung von bis zu 140 Meter erkannt - sofern sie sich schneller bewegen als man selbst. Auf dem Radcomputer oder Smartphone sieht man anschließend Punkte, die jeweils ein Fahrzeug repräsentieren. Dadurch ist auch erkennbar, wie weit sie noch entfernt sind und wie schnell sie sich nähern.
Gleichzeitig ist das Varia RCT715 ein Rücklicht, das auf Wunsch dauerhaft leuchtet oder blinkt. Wahlweise kann es auch nur dann blinken, sobald ein herannahendes Fahrzeug erkannt wird.
Radar und Rücklicht gab es bereits bei der früheren Garmin-Varia-Version. Beim RCT715 ist nun eine Videokamera integriert worden. Sie zeichnet standardmäßig Videoclips in einer Länge von 30 Sekunden auf. Wahlweise laufend, oder nur dann, wenn ein Überholmanöver registriert wird.
Die Clips werden auf einer microSD-Karte gespeichert. Ist sie voll, werden sie von hinten wieder überschrieben. Wenn ein Unfall erkannt wird (möglich durch den integrierten Beschleunigungsmesser), wird der jeweilige Clip in einen sicheren Ordner geschoben und somit definitv nicht überschrieben. Die Länge der Unfall-Clips lässt sich in den Einstellungen wählen, standardmäßig sind es 90 Sekunden.
Größer, schwerer und neue Montage
Durch die Videofunktion ist das RCT715 deutlich größer und schwerer, als man es von den anderen Varias kennt. Ganze 147 Gramm wiegt das Gerät. Zum Vergleich: Das RTL516 mit Rücklicht und Radar ohne Kamera wiegt lediglich 71 Gramm.
Die Verarbeitung selbst ist hochwertig. Das Gerät ist auch für Regenfahrten geeignet, da es wasserfest nach IPX7-Standard ist.
Damit die Radar-Kamera-Kombi trotz des gestiegenen Gewichts noch sicher am Rad montiert werden kann, wurde die altbekannte Garmin-Montage überarbeitet. Kernstück ist jetzt nicht mehr Plastik, sondern ein Metallzylinder. Fixiert wird das Gerät nicht durch Drehen, sondern durch einen kleinen Hebel.
Auch die beigelegte Montagevorrichtung für die Sattelstange wurde entsprechend verstärkt. Wer den dickeren Gummibändern nicht traut, kann das RCT715 noch zusätzlich mit Kabelbindern befestigen.
Nachteil des neuen Mounts ist, dass alte Befestigungen, die man vielleicht für frühere Versionen des Varia gekauft hat, nicht mehr kompatibel sind. Auch ist die Auswahl an Halterungen von Drittherstellern entsprechend gering.
Insgesamt sind sowohl Gerät als auch Halterung sehr gut verarbeitet und machen einen widerstandsfähigen Eindruck. Ich habe – obwohl ich auf die Kabelbinder beim Test verzichtet habe – in keiner Sekunde das Gefühl gehabt, Angst haben zu müssen, dass sich etwas lockert oder gar vom Rad löst.
Radarfunktion und Rücklicht in der Praxis
Die Radarfunktion funktioniert auf der Straße genauso, wie man es sich vorstellt. Im optimalen Fall ist das Radar direkt mit einem kompatiblen Fahrradcomputer (zb ebenfalls von Garmin oder Wahoo) verbunden, wo die sich nähernden Autos dann angezeigt werden. Möglich ist es aber auch über ein Smartphone.
Die Erkennungsfunktion ist zuverlässig, auf Wunsch kann man auch durch ein akustisches Warnsignal über sich nähernde Fahrzeuge informiert werden. Gerade bei längeren Fahrten verringert sich so die Chance, dass man ein Auto hinter sich nicht oder zu spät wahrnimmt.
An der Rücklicht-Funktion gibt es nichts auszusetzen. Es bietet verschiedene Blinkmodi, ist hell und lässt sich wahlweise auch über den Fahradcomputer steuern.
Das Filmen in der Praxis und Akkulaufzeit
Grundsätzlich funktioniert das Filmen so, wie versprochen. Clips werden bei jedem Überholmanöver verlässlich aufgezeichnet. Die Auflösung der Videoclips beträgt 1920 x 1080 Pixel, also FullHD und 30fps. Der Betrachtungswinkel beträgt 220 Grad. Standardmäßig werden in den Clips Datum, Uhrzeit, aktuelle Koordinaten und die Geschwindigkeit hinzugefügt.
Manche mögen es aufgrund der Spezifikationen schon ahnen: Qualitativ darf man sich keine Wunder erwarten. Gerade bei schwierigen Lichtverhältnissen tut sich die Kamera äußerst schwer, gute Videos zu machen. Bei schnellen Abfahrten wäre auch eine höhere Framerate wünschenswert, um schönere Clips zu erschaffen.
Schwierig könnte es auch werden, wenn man den eigentlich vermarkteten Hauptzweck der Unfall-Beweissicherung nutzen möchte. Das Erkennen von Kennzeichen ist gerade bei schnellen Überholmanövern mit Gegenlicht in den Clips oft nicht einfach bis unmöglich.
Auch sollte man bedenken, dass man eine nicht zu große Satteltasche haben darf, wenn man das Gerät an der Sattelstange montiert. Die Tasche ist nämlich am oberen Teil des Videos zu sehen, wie in den Beispielen deutlich wird.
Besser als die Bildqualität schneidet die Akkulaufzeit ab. Garmin gibt bis zu 5 Stunden mit Radarbetrieb, Dauerlichtmodus und Video-Aufzeichnung an. In der Praxis hat der Akku bei einer Fahrt über einen Zeitraum von 6,5 Stunden durchgehalten, war dann aber ziemlich am Ende. Geladen wird per USB-C.
Störrische App
Um die Clips nach einer Tour anzusehen und abzuspeichern, stellt Garmin eine App zur Verfügung. Jene erweist sich im Test (Android-Version) als störrisch. So sind die Ladezeiten beim Betrachten der auf dem Varia abgespeicherten Clips sehr lange. Außerdem passiert es immer wieder, dass die WLAN-Verbindung zwischen Varia und Smartphone abreißt. Gerade dann, wenn man aus 5 oder 10 Clips den richtigen sucht, kann das zur Geduldsprobe werden.
Was mich ebenfalls gestört hat: Will man Videoclips auf das Smartphone übertragen, geht das nur einzeln. Man muss für jede Datei separat das Menü öffnen und "herunterladen" auswählen. Ich würde mir wünschen, dass ich einfach sämtliche Clips aufeinmal speichern kann, um dann die richtigen schnell und ohne Ladezeiten auszusuchen.
Der praktikabelste Weg, um die Aufnahmen des Varia anzusehen, ist es, die microSD-Karte zu entnehmen und sie per Kartenleser mit einem Computer, Tablet oder Smartphone auszulesen.
Rechtliche Lage
Beim Filmen in der Öffentlichkeit stellt sich die Frage, ob man damit gegen die DSGVO verstößt. Auch wenn es zu Aufnahmen beim Radfahren noch keine dezidierte Entscheidung gibt, kann bei der Varia-Kamera auf dieselben Parameter wie bei Dashcams im Auto zurückgegriffen werden. Und genau hier hat sich die Judikatur der Datenschutzbehörde vor kurzem geändert, wie Nino Tlapak, Partner und Co-Head des Datenschutzteams bei Dorda Rechtsanwälte GmbH, auf Nachfrage der futurezone erklärt.
Bis vor etwa 2 Jahren hieß es von der Datenschutzbehörde, dass die damit regelmäßig einhergehende invasive Überwachung des öffentlichen Raums nicht zulässig sei. “Jetzt kommt es auf eine detaillierte Interessenabwägung im Einzelfall an”, erklärt Tlapak. “Es ist daher zu prüfen, ob der Nutzer solcher Systeme ein berechtigtes Interesse hat, die Aufnahmen anzufertigen”, so Tlapak.
Dazu kann ein Interesse an einer potenziellen Beweissicherung bei möglichen Unfällen zählen. Dabei sollte das Augenmerk aber auf dem Prinzip der Datensparsamkeit liegen: Wenn die Aufzeichnung nicht anlasslos und somit dauerhaft erfolgt, sondern – wie beim Varia-Gerät – nur bei Überholmanövern läuft, hält Tlapak eine Interessensabwägung zu Gunsten der Nutzer*in für argumentierbar.
Auch das Filmen zu rein privaten oder familiären Zwecken, etwa um seine Mitfahrer*in oder die Landschaft festzuhalten, sei nicht grundsätzlich untersagt. Im Gegenteil greift dort die sogenannte “Haushaltsausnahme”, wie Tlapak erklärt. Auf derselben Basis sind auch regelmäßig Aufnahmen von Actioncams – etwa beim Snowboarden – oder das Drehen von Urlaubsvideos im öffentlichen Raum vom Anwendungsbereich der DSGVO ausgenommen. Die Varia-Videos sind also bei diesen Einsatzzwecken unter derselben Rechtsgrundlage bzw Ausnahmebestimmung denkbar.
Dass man mit dem Gadget am Rad im Alltag rechtliche Probleme bekommt, ist erfahrungsgemäß ohne Anlassfall unwahrscheinlich. Anders sieht die Sache aus, wenn man das entsprechende Video nach einem Unfall als Beweismittel in einem Zivilverfahren einsetzt oder Anzeige bei der Polizei erstattet, erklärt Tlapak. “Letztere bringt regelmäßig eine Anzeige bei der Datenschutzbehörde ein”, so der Anwalt. Dann prüft die Datenschutzbehörde das Vorliegen des berechtigten Interesses im konkreten Einzelfall. Als Praxistipp gibt der Anwalt mit, “mit einer gesunden Portion Hausverstand und Fingerspitzengefühl vorzugehen”.
Fazit
Garmins Fahrrad-Radar hat sich unter Hobby-Radlern mittlerweile etabliert. Und die Idee, dieses Produkt mit einer Kamera zu verbinden, macht theoretisch Sinn. So ganz geht das Konzept für mich in der Praxis allerdings nicht auf und das hat 2 Gründe: Einerseits die Größe und das Gewicht des Geräts. Das RCT716 trägt ordentlich dick auf und wenn man zu Rennradfahrer*innen gehört, die gerne ein paar hundert Euro ausgeben, um ein paar hundert Gramm zu sparen, tun die 147 Gramm Gewicht weh. Dazu kommt, dass das Gerät aufgrund seiner Größe eher sperrig aussieht. Die Variante aus Radar und Rücklicht ohne Kamera hat hier eine deutlich schnittigere Optik.
Ich könnte über Größe und Gewicht hinwegsehen, wenn man nach der Fahrt dann Videos hätte, wie man sie von Actioncams wie einer GoPro kennt. Aber leider sind die Aufnahmen bestenfalls mittelmäßig, was hauptsächlich der eingeschränkten Framerate von 30fps geschuldet ist. Zwar eignen sie sich als Amüsement für die Signal-Gruppe der Rad-Clique, als wirklich schöne Erinnerung an die Ausfahrten aber in der Regel nicht. Bei einem Preis von 400 Euro (UVP) würde ich mir hier mehr erwarten. Dazu kommt auch noch die störrische App.
Garmins Hauptargument der gestiegenen Sicherheit kann ich aufgrund der Kamera nur eingeschränkt nachvollziehen. Sollte man unverschuldet in einen Unfall geraten, hat man danach zwar unter Umständen verwertbares Beweismaterial - verhindert wird der Sturz aber durch die Aufzeichnung natürlich nicht. Auch kommt hier erschwerend hinzu, dass Kennzeichen aufgrund der mittelmäßigen Bildqualität oft nur schwer auszulesen sind.
Pro und Contra
Pro
- Gute Verarbeitung
- Perfekte Radarfunktion
- Lange Akkulaufzeit
Contra
- Groß und schwer
- Mittelmäßige Bildqualität
- Teuer
- Nicht kompatibel mit Standard-Garmin-Mount
Radarfunktion gibt es auch günstiger
Eine positive Erwähnung verdient sich zum Schluss noch einmal die altbekannte Radarfunktion. Mit dieser hat Garmin wirklich ein sinnvolles Feature erfunden, ohne das man kaum mehr radfahren möchte, wenn man es einmal gewohnt ist. Permanent die Info über herannahende Autos auf der Lenkstange zu haben, spart viel gefährliches Zurückschauen und gibt zusätzliche Sicherheit beim Überholen, Abbiegen oder irgendwelchen anderen Manövern.
Dieses Feature kann man aber auch ohne Kamera deutlich leichter und günstiger haben, nämlich mit dem Varia RTL516 um 200 Euro (UVP), dessen Straßenpreis mittlerweile etwas niedriger liegt. Mit dem Magene L508 und dem Bryton Gardia R300 sind vor Kurzem 2 Konkurrenzprodukte anderer Hersteller mit gleicher Funktionalität präsentiert worden. Das Magene-Produkt ist bei internationalen Händlern bereits um etwa 160 Euro gelistet, wie viel der Bryton-Radar kosten wird, ist derweil noch unklar.