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Was wurde aus den luftlosen Reifen?

Der Mond-Rover der NASA hat sie schon lange. Auch Bagger, Golfcarts und Rasenmäher fahren bereits mit ihnen. Luftlose Reifen aus Gummi oder Metall gibt es für diverse Nutzfahrzeuge seit Jahrzehnten.

Sie sind dem herkömmlichen Reifen in einigen Punkten überlegen. Fahrer*innen würden sich, so Hersteller, lästiges Luftdrucküberprüfen und Reifenplatzer ersparen.

Für den Straßenverkehr wurden aber bislang nur Versprechungen gemacht und Prototypen entwickelt. Wo bleiben die luftlosen Autoreifen, wenn doch so lange an ihnen geforscht wird?

Wer das Rad neu erfindet

Laut Armin Kistner, technischer Direktor des Reifenherstellers Michelin, gäbe es mehrere Gründe für das Ausbleiben des Marktdebüts der luftlosen Reifen. „Sie sind bereits bei Erdbewegungsmaschinen im Einsatz, die hohen Geschwindigkeiten des Pkw sind bei der Entwicklung allerdings eine Herausforderung“, sagt Kistner gegenüber der futurezone.

Michelin arbeitet gemeinsam mit General Motors an einem luftlosen Reifen namens Uptis (Unique Puncture-proof Tire System). Beim Uptis ersetzt Michelin die Druckluft im Reifen durch glasfaserverstärkte Kunststoffspeichen, die das Gewicht des Wagens abfedern sollen.

Die futurezone hat erstmals 2019 über den Uptis berichtet - die Entwicklung eines luftlosen Reifens läuft jedoch bereits seit den frühen 2000er-Jahren. Andere Reifenhersteller sind ebenfalls in einem solchen Tempo unterwegs. Der US-Konzern Goodyear forscht schon seit Jahren an seinem Modell, genauso wie die japanische Firma Bridgestone.

Michelins luftloser Reifen soll "praktisch wartungsfrei" sein und laut dem Hersteller einen besonders hohen Fahrkomfort aufweisen.

Hohe Geschwindigkeiten als Herausforderung

Ein Grund, warum wir nicht schon alle Autos mit einem „praktisch wartungfreien“ Reifen fahren – wie Michelin sein Produkt anpreist – sind zum einen die hohen Geschwindigkeiten, mit denen Pkw unterwegs sind. Wenn Reifen über die Straße rollen, werden sie durch das Gewicht des Autos wieder und wieder zusammengedrückt. Das geschieht, bei einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde, mehrere 100 Mal in der Minute.

„Diese Geschwindigkeiten zu halten bei gleichzeitig hohen Anforderungen an die Sicherheit, an die Fahrdynamik, an den Komfort, genau das ist die Herausforderung im Pkw-Bereich“, erklärt Kistner in Bezug auf die Entwicklung des Uptis. „Der herkömmliche Reifen umschließt ja Luft und das ist wie eine Feder. Das heißt das Fahrzeug wird von der Luft getragen. Die muss man durch Struktur ersetzen", erläutert der Ingenieur. Dass sich diese Struktur genauso verhalte wie Luft, sei die größte Schwierigkeit bei der Entwicklung luftloser Reifen.

Industrielle Fertigung schwierig

Nicht nur die hohen Anforderungen an die Performance hat das Marktdebüt des luftlosen Reifen verzögert. Auch Herstellung und Vertrieb eines derart neuartigen Produkts sind eine Herausforderung, wie Kistner erklärt.

Denn die große Kunst bestehe darin, Einzelstücke in tausendfacher Menge rentabel und in der gewünschten Qualität zu produzieren: „Was das Konzept aus technischer Sicht angeht, da sind wir am Ende der Entwicklung“, so der Ingenieur. „Eine wichtige Facette ist die industrielle Großserienumsetzung. Das ist das ist das Hauptaktivitätsfeld derzeit.“

Welche Vorteile hat der luftlose Reifen?

Der klare Vorteil luftloser Reifen gegenüber konventionellen ist, dass er pannensicherer ist, da keine Luft aus ihm entweichen kann. Er benötigt auch keine Luftdruckkontrolle und ist damit weitgehend wartungsfrei

Außerdem müssen Fahrer*innen keine Abstriche beim Komfort machen, wie Michelin-Ingenieur Kistner weiß. Anders als bei herkömmlichen Reifen verändere sich bei einer schweren Beladung nämlich die Auflagefläche am Boden nicht so stark. Bei einem Luftreifen muss mit zusätzlicher Luft nachadjustiert werden, denn je mehr Luft im Reifen ist, umso mehr kann er tragen – aber auch umso weniger Fahrkomfort bietet er. Der prallgefüllte Reifen dämpft weniger, ist lauter und hat zugleich einen längeren Bremsweg.

Ein luftloser Reifen könnte hier Abhilfe schaffen. „Ich kann ihn bis zu einer Maximallast betreiben“, so Kistner. „Die Stabilität des Fahrzeugs bleibt aber letztendlich höher als bei konventionellen Reifen.“

Marktreife in den kommenden Jahren

Hat Michelin erstmal die industrielle Fertigung optimiert, soll der Uptis ab 2024 in den Regalen stehen. Goodyear möchte 2030 nachziehen, während Bridgestone noch keinen offiziellen Launch-Zeitpunkt festgelegt hat. Kein Hersteller hat bis dato bekannt gegeben, wieviel die luftlosen Reifen kosten sollen und ob sie teurer ausfallen als herkömmliche.

Fraglich ist auch, für welche Art von Autos der luftlose Reifen als erstes auf den Markt kommt. „Es ist noch nicht ganz klar, was der erste Anwendungsfall sein wird“, hält Kistner fest. Michelin fokussiere sich in erster Linie auf Fahrzeuge, bei denen die Qualitäten der luftlosen Reifen am besten zur Geltung kommen – so zum Beispiel auf „professionellen Flotten“, wie Busse oder Leicht-Lkw. Diese würden von der Wartungsfreiheit der Reifen am meisten profitieren, sagt Kistner.

Goodyear möchte hingegen in erster Linie selbstfahrende Fahrzeuge mit seinen Reifen ausstatten. Wir verfolgen derzeit die Ausrüstung von autonomen Passagier-Shuttles und Roboter-Lieferfahrzeugen, hält Goodyear gegenüber der futurezone fest.

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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