Polestar 2 im Test: Das Android-Auto mit der besten Software
Wie der Name bereits verrät, ist Polestar im hohen Norden zu verorten. Hinter der Bezeichnung verbirgt sich ein ein Joint Venture von Volvo Cars und der Geely Holding, das auf Elektrofahrzeuge fokussiert ist und dabei innovative Ansätze verfolgt.
Am bemerkenswertesten dabei ist die enge Kooperation mit Google. Denn der Polestar 2 ist das weltweit erste E-Auto, dessen Software komplett auf Googles Android Automotive aufbaut.
Wir haben den Polestar 2 getestet und dabei das Hauptaugenmerk auf das Infotainmentsystem gelegt.
Pro & Contra
Pro
- Sicheres und ausgezeichnetes Fahrgefühl
- Hoher Sitzkomfort
- Spitzen-Infotainmentsystem mit direkter Integration der Google-Dienste
- Brauchbare Assistenzfunktionen
Contra
- Bei höheren Geschwindigkeiten nimmt die Reichweite drastisch ab
- Hoher Verbrauch
- Recht laut im Innenraum bei höheren Geschwindigkeiten
- Wenig Daten verfügbar über Verbrauch, Laden etc.
Fahrgefühl und Leistung
Ein Fahrzeug aus dem Hause Volvo muss zunächst einmal sicher sein. Das merkt man dem Polestar 2 auch an. Etwa die Türen samt ihren wuchtigen Griffen wirken besonders schwer, dadurch aber auch sicher und gut geschützt. Das E-Auto wirkt generell ein bisschen wie ein gepanzertes Fahrzeug, wodurch ein sicheres Fahrgefühl vermittelt wird.
Beim Fahren ist von dieser vermeintlichen Schwerfälligkeit allerdings nicht viel zu spüren. Der Polestar 2 fährt sich nämlich einwandfrei: Auf der Autobahn wird das Cruisen zum Genuss, in der Stadt ist er wendig und spritzig genug und auch auf engeren Landstraßenkurven wirkt das E-Auto ganz und gar nicht plump.
Als Testfahrzeug stand uns übrigens ein Polestar 2 Long Range Single Motor zur Verfügung.
Technische Daten
Polestar 2 - Long Range Single Motor
- Reichweite: 540 km
- Ladeleistung maximal: bis 11 kW (AC), bis 155 kW (DC)
- Batteriekapazität: 78 kWh
- Leistung: 170 kW (231 PS)
- Beschleunigung 0-100 km/h: 7,4 Sekunden
- Drehmoment maximal: 330 Nm
- Antriebsart: Frontantrieb
- Leergewicht: 1.994 Kilogramm
- Preis: ab 47.900 Euro
hier geht's zur Website des Herstellers
Nur mit Gemütlichkeit zur maximalen Reichweite
Die angegebene Reichweite kann nur dann erreicht werden, wenn man besonders zurückhaltend fährt und die Heizung im Eco-Modus betreibt. Auf der Autobahn hat sich gezeigt, dass die maximal erlaubten 130 km/h der Reichweite überhaupt nicht wohlbekommen.
Bei dieser Geschwindigkeit, manchmal sogar etwas mehr, schmilzt die Reichweitenangabe nur so dahin. Reduziert man die Geschwindigkeit auf gemütliche 110 km/h stimmt die Reichweitenangabe wesentlich besser mit der tatsächlichen, angezeigten Reichweite überein.
Der Polestar 2 ist wahrlich nicht das sparsamste Elektroauto. Die Long-Range-Dual-Motor-Version kommt laut Herstellerangaben auf einen Verbrauch von 19,2 kWh/100 km, womit er zu den E-Autos zählt, die den größten Stromhunger haben. Der ADAC hat erst kürzlich den Verbrauch von 37 Elektroautos miteinander verglichen. Dabei landete der Polestar 2 (Long-Range-Dual-Motor) mit 29,2 kWh/100 km auf dem letzten Platz.
Auffallend ist auch, dass das Fahrgeräusch ab ungefähr 110 km/h deutlich zunimmt. Daraus könnte man nun schließen, dass der Polestar 2 nicht das aerodynamischste Fahrzeug ist.
Das Google-Infotainmentsystem
Kommen wir zum Bereich, bei dem sich der Polestar 2 gänzlich von der Konkurrenz abhebt: Die Software beziehungsweise das Infotainmentsystem. Dieses baut nämlich von Grund auf auf Googles Android Automotive auf und hat die Google-Dienste direkt im Fahrzeug integriert.
Auf diese Weise ist am Bildschirm in der Mittelkonsole beispielsweise Google Maps als Navigationssystem vorzufinden. Über den Google Play Store können - wie am Smartphone - zusätzliche Apps heruntergeladen werden, beispielsweise Spotify oder YouTube Music für Musikstreaming sowie mehrere Podcast- und Radio-Apps oder ein alternativer Routenplaner. Auch ein Videoplayer mit Inhalten von BBC und ARD ist mit dabei. Videos können aber nur im Park-Modus geschaut werden, etwa beim Akku-Laden.
Der große Vorteil daran ist, dass das Smartphone nicht mit dem Auto verbunden sein muss, um Google Maps, Spotify oder andere Apps nutzen zu können. Im Grunde ähnelt das Infotainmentsystem des Polestar einem abgespeckten Smartphone-Betriebssystem.
Google, Android... was mach' ich als iPhone-Nutzer?
Weil das Infotainmentsystem des Polestar komplett ohne Smartphone-Verbindung auskommt, ist es unerheblich ob man ein Android-Handy, ein iPhone oder gar kein Smartphone nutzt. Wer die Software im Auto in vollem Umfang nutzen möchte, muss sich im Polestar nur mit seinem Google-Account einloggen.
Grundsätzlich lässt sich die Software auch ohne Google-Account nutzen. Wer sich nicht einloggt, wird etwa keine Bookmarks auf Google-Maps angezeigt bekommen und keine zusätzlichen Apps aus dem Play Store herunterladen können.
Google im Auto, echt jetzt?
Jetzt kann man darüber diskutieren, ob es denn notwendig ist, dass sich Google nun auch schon in den Fahrzeugen befindet und man sich dort auch noch mit seinem Google-Account einwählen soll. Rein aus Nutzer*innensicht ist die Verschränkung von Smartphone und Fahrzeug jedoch mehr als praktisch - sofern man Google ohnehin nutzt.
Welche Daten der Software-Konzern aus dem Fahrzeug tatsächlich erhält, lässt sich hier nicht restlos klären; zusätzliche, personalisierbare Bewegungs- und Nutzungsdaten dürften sich jedoch in Grenzen halten. Denn auch ohne Android Automotive haben nahezu alle Autofahrer*innen ihr Smartphone permanent mit dabei und nicht wenige nutzen es ohnehin zur Navigation und Musikwiedergabe im Auto.
Vorteile bei der Usability
Wer sich vor Fahrtantritt auf seinem Smartphone auf Google Maps über die anstehende Route informiert, diese eventuell sogar abspeichert, wird im Polestar dieselbe Route umgehend zur Hand haben, sobald das Navigationssystem aufgerufen wird. Ebenso sind sämtliche Bookmarks auf Google Maps sowie die letzten Suchanfragen sofort abrufbar - egal ob am Handy oder im Auto.
Ebenso ist es praktisch, dass der Google Assistant durch Android-Automotive direkt im Fahrzeug integriert ist. Wer das Sprachassistenzsystem von Google verwendet, muss sich also für das Auto nicht auf eine andere Spracherkennungssoftware umstellen und kann im Polestar seine gewohnten Sprachbefehle nutzen.
Nahtlose User-Experience
Dieses nahtlose Zusammenspielen von Smartphone und Fahrzeug hat eine ausgezeichnete Usability zur Folge. Einerseits weil man nicht 2 verschiedene Navigationssysteme füttern muss, andererseits weil Google Maps auch auf Metadaten (beispielsweise den Namen eines Restaurants) zurückgreift und nicht nur auf exakte Adressangaben hört.
Dass im Fahrzeug manche Apps unabhängig vom Smartphone funktionieren, ist ein weiterer Vorteil des Polestar-Infotainmentsystems. Bei Spotify beispielsweise logt man sich mit seinem Account ein und findet anschließend die gewohnte Umgebung vor - samt Playlists, gespeicherter Songs und Podcasts.
Wer keinen Spotify-Account hat und lokal gespeichert Musikdateien bevorzugt, kann entweder auf die Bluetooth-Verbindung zwischen Handy und Auto setzen, oder einen USB-Stick direkt im Fahrzeug anschließen.
Google Maps berücksichtigt Reichweite und Ladestopps
Google Maps im Auto ist übrigens eine leicht adaptierte Version, die bei der Routenplanung die Reichweite, den aktuellen Ladestand und die zur Verfügung stehenden Ladestationen berücksichtigt.
Liegt das Ziel außerhalb der Reichweite, empfiehlt Google Maps einen entsprechenden Ladestopp. Dabei wird auch angezeigt, mit welchem Akkustand man die Ladesäule erreicht und wie lange man dort laden muss, um sicher am Ziel anzukommen.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass diese Prognosen und Empfehlungen auch tatsächlich zutreffen. Praktisch ist, dass man mithilfe von vordefinierten Filtern etwa nur Schnellladestationen von bestimmten Anbietern anzeigen lassen kann.
Wenig informative Daten, aber gut zu bedienen
Mit seinen großen Kacheln und App-Symbolen ist das Infotainmentsystem absolut selbsterklärend zu steuern. Man bedient sich der klassischen Bedienelemente, die man vom Smartphone her gewohnt ist.
Was dem Infotainmentsystem abgeht, sind ausführliche Informationen über Fahrten, Batterie-Verbrauch und Akku-Laden. Verfügbare Statistiken über den Verbrauch, Analysen des eigenen Fahrverhaltens und Details über die getätigten Ladevorgänge vermisst man.
Brauchbare Fahrassistenzsysteme
Der Polestar 2 verfügt über zahlreiche Sicherheits- und Assistenzsysteme: von Spurhaltesystem, Gegenverkehrs-Kollisionsvermeidung bis hin zu Warnungen vor rutschigen Straßen, einer Verkehrszeichenerkennung, einer 360-Grad-Kamera und einem klassischen adaptiven Tempomat.
Der so genannten "Pilot Assist" geht über den adaptiven Tempomat hinaus und unterstützt die Fahrer*innen mithilfe von Radarsensoren und Kameras. Er hilft die Spur, die jeweilige Geschwindigkeit sowie den Abstand zum Vorderfahrzeug zu halten.
Gerade beim Cruisen auf der Autobahn ist der Pilot Assist tatsächlich eine hilfreiche Unterstützung, sodass ein etwas längerer Blick auf den Screen in der Mittelkonsole durchaus möglich ist.
Polestar App
Die dazugehörige Polestar-App für das Smartphone konnte leider nicht ausprobiert werden, weil eine entsprechende Verknüpfung mit dem Fahrzeug nur für tatsächliche Kund*innen vorgesehen ist.
Die Polestar-App verwandelt das Smartphone jedenfalls in einen Digital Key. Damit kann man auf den klassischen Schlüssel verzichten, weil sich das Fahrzeug selbständig entriegelt, sobald man einen Türgriff berührt - vorausgesetzt das Smartphone ist in der Nähe.
Außerdem kann man per App-Zugriff den Ladestand samt Reichweite überprüfen und den Innenraum vorklimatisieren. Auch ist es möglich, einen Timer für die Vorklimatisierung zu setzen.
Software-Updates für das Fahrzeug werden übrigens Over-the-Air durchgeführt. Also genauso so wie man es vom Smartphone oder einem Computer gewohnt ist.
Fazit
Was Sitzkomfort, Fahr- und Sicherheitsgefühl angeht, gibt es am Polestar 2 im Grunde nichts auszusetzen. Einziger Kritikpunkt ist das laute Fahrgeräusch bei höheren Geschwindigkeiten, bei denen die Reichweite nur so dahinschmilzt.
Wirklich begeistert hat mich allerdings das Infotainmentsystem mit der direkten Integration der Google-Dienste. Das Zusammenspiel von Auto und Smartphone funktioniert genauso nahtlos, wie ich mir das im besten Fall vorstelle.
Es ist weder eine Kabelverbindung noch eine Bluetooth-Verbindung notwendig, um Spotify, Podcast-Apps oder eben Google Maps so nutzen zu können, wie man das vom Smartphone her gewohnt ist.
Der Polestar 2 (Long Range Single Motor) ist in Österreich ab einem Preis von 47.900 Euro zu haben. Eine Long-Range-Dual-Motor-Version ist hierzulande ebenso erhältlich - ab 50.900 Euro. Mitte Dezember ist noch das Standard-Range-Single-Motor-Modell dazugekommen, das ab 44.900 Euro zu haben ist.