Samsung Galaxy S9+ im Test: Ein echter Quantensprung
Das Galaxy S8+ war für mich endlich ein Grund, die Note-Serie hinter mich zu lassen, weil ich den Stift sowieso nicht brauche. Dann kam das Note 8 mit der Zoom-Kamera. In weiser Voraussicht entschied ich mich auf das S9+ zu warten, dass, wie zu erwarten, jetzt ebenfalls eine zweite Hauptkamera hat. Das wirkt sich zwar positiv auf die fotografischen Möglichkeiten aus, nicht aber auf den Formfaktor.
Formfaktor
Wie auch beim S9 ist das Design des S9+ nahezu identisch mit dem des Vorjahresmodells. Nahezu. Im direkten Vergleich beschleicht einen das Gefühl, dass das S9+ größer ist, als das S8+ - was eigentlich nicht sein kann, da beide dieselbe Displaygröße von 6,2 Zoll haben.
Das Datenblatt verrät es: Das S9+ ist zwar minimal flacher, dafür aber eine Spur breiter. Dass es für einen S8+-User gefühlt viel größer ist, liegt daran, dass die Dicke von 8,1 auf 9mm gestiegen ist. Klingt wenig, sind aber immerhin fast 12 Prozent Zunahme.
Außerdem ist das Gewicht von 173 auf 189 Gramm gestiegen. Das ist keine gute Entwicklung: Einer der Gründe für mich damals zum S8+ statt dem Note 8 zu greifen, war das merkbar geringere Gewicht, was sich bei einem so großem Smartphone auf die Handhabung auswirkt. Mit 189 Gramm ist das S9+ jetzt dicht am Note 8 dran (195 Gramm).
Handhabung
Ein weiterer kleiner Rückschritt ist, dass der Metallrahmen zwischen Front- und Rückglas spürbar hervorsteht. Beim S8+ war dies ein nahezu perfekter, nicht spürbarer Übergang. Beim einhändigen Halten kann die Kante des S9+-Rahmens schon mal ungut in die Handfläche drücken – wenn man empfindliche Hände hat.
Diese feinen Unterschiede merkt man, wenn man zuvor das S8+ genutzt hat. Dennoch ist das S9+, gemessen an seiner Größe, sehr gut in der Handhabung. Dazu trägt das 18.5:9-Bildformat bei, das auch schon das Vorgängermodell hatte. Und im Gegensatz zum S8+ ist der Fingerabdruckscanner mittig unter der Kamera und damit deutlich besser zu erreichen.
Da man ihn jetzt schneller und verlässlicher trifft, wird er für die meisten User die primäre Entsperrmethode sein. Die Kombination aus Iris- und Gesichtserkennung funktioniert zwar beim S9+ besser als beim S8+, allerdings muss man vorher entweder die Standby- oder Home-Taste drücken, um die Erkennung zu starten. Beim Fingerabdruckscanner reicht das Auflegen, um das Smartphone zu entsperren.
Display & Software
Das S9+ und S9 haben dieselbe Software – mehr dazu könnt ihr unserem S9-Test lesen. Bei der Hardware sind die Unterschiede die Größe des Displays, des Akkus und des RAM.
Das 6,2-Zoll-AMOLED-Display gehört, wie schon beim S8+, zum Besten, was man bei Android-Geräten derzeit findet. Wie auch beim S8+ ist die Auflösung standardmäßig nicht auf das Maximum eingestellt, da es nur wenige Apps gibt, die diese unterstützen. Die niedrigere Auflösung reduziert laut Samsung den Akkuverbrauch.
Im Vergleich ist das Weiß beim Display des S9+ eine Spur grauer als beim S8+ und das Rot weniger intensiv. Die Farben sind immer noch sehr kräftig und ansehnlich. Durch das Finetuning sind Details minimal besser sichtbar, die vorher durch die Übersättigung von Rot verloren gingen. Aber genau wie das weniger weiße Weiß ist das nur im Vergleich mit dem Vorjahresmodell bemerkbar.
Akku und Leistung
Der Akku ist mit 3.500 mAh größer als beim S9, aber genauso groß wie beim S8+. Im Test sind mir keine Unterschiede bei der Laufzeit aufgefallen. Mit intensiver Nutzung habe ich gegen 22 Uhr herum noch etwa 10 bis 15 Prozent Akkuladung. Bei moderater Nutzung sind es um die 30 Prozent.
Das S9+ hat jetzt 6 GB RAM, beim S8+ und dem S9 sind es 4 GB. Der Unterschied zum S9 ist in Benchmarks vernachlässigbar. Der größere Unterschied zum S8+ entsteht durch den neuen Prozessor. Was heißt das im Alltag? Nicht viel, da schon das S8+ sehr flott ist. Das S9+ gibt sich ebenso wenig Blöße und performt, wie es sollte.
Eine deutlichere Verbesserung gibt es beim Ton. Das S9+ hat einen Stereolautsprecher, der um einiges besser als der Mono-Lautsprecher des S8+ ist. Einen Bluetooth-Speaker ersetzen die internen Lautsprecher nicht und einige Smartphones der Konkurrenz bieten immer noch besseren Sound: Aber zumindest ist dies jetzt keine offensichtliche Schwachstelle der Samsung S-Serie mehr.
Kamera
Abgesehen von der Displaygröße ist das zweite Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen S9 und S9+ die zusätzliche Kamera. Die Hauptkamera mit der variablen Blende (1.5 und 2.4) ist dieselbe wie beim S9 (hier geht es zum Test). Das S9+ hat zusätzlich eine Zoom-Kamera, allerdings ohne variabler Blende.
Diese Doppel-Kamera kennt man schon vom Note 8. Während die normale Kamera im Weitwinkel-Bereich fotografiert, hat die zweite Kamera eine Brennweite, die in etwa 50mm (Kleinbildäquivalent) entspricht. Das hat nicht nur den Vorteil, dass man damit näher am Motiv ist, sondern auch, dass es im Gegensatz zur Hauptkamera weniger perspektivische Verzerrungen zu den Rändern hin gibt. Gerade beim Fotografieren von Porträts und Gegenständen ist das praktisch.
Der Wechsel in der Kamera-App zwischen normaler und Zoomkamera geht angenehm flott. Wie beim Note 8 gibt es die Live-Fokus-Funktion, bei der die beiden Kameras zusammenarbeiten, um eine künstliche Tiefenunschärfe zu ermöglichen. Der Effekt ist nur mäßig zu gebrauchen, da oft die Ränder des Motivs unschön unscharf und weich werden.
Die Zoom-Kamera ist in der Kamera-App nur im Modus „automatisch“ verfügbar. Im Pro- und Super-Slow-Mo-Modus kann sie nicht verwendet werden. Immerhin können Videos damit aufgenommen werden. Auch während der laufenden Aufnahme ist es möglich zwischen den zwei Kameras zu wechseln, allerdings stottert dann das Bild kurz.
Fazit
Das S9+ ist das bessere der beiden Samsung-Smartphones: Größeres Display, mehr RAM und die Doppelkamera, ohne dafür zu viel Handlichkeit zu opfern. Es ist ein tolles Gerät, genauso wie das S8+ und genau das ist das Problem. Man könnte meinen Samsung war vom S8+ so überzeugt, dass sie es dieses Jahr einfach nochmal gebaut und eine zusätzliche Kamera reingepackt haben.
Das S9+ ist deshalb ein Quantensprung – in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes in der Physik. Die Weiterentwicklung ist sehr gering. Sogar das größte Unterscheidungsmerkmal, die zweite Hauptkamera, gibt es schon beim 2017 erschienenen Note 8. Außerdem ist das S9+ in Sachen Gewicht und Handling nahe ans Note 8 herangerückt, weshalb man sich fragen sollte, ob man nicht lieber zum Note 8 (ab 720 Euro im freien Handel) statt zum S9+ greifen sollte (949 Euro UVP).
Die Gewinner sind die User, die das S8+ übersprungen haben, um sich jetzt ein S9+ zu kaufen und die, die von einem anderen Gerät zum derzeitigen Referenzmodell für Android-Smartphones mit großem Display wechseln wollen. Besitzer des S8+ sollten zumindest auf die Vorstellung des Note 9 im Herbst warten, um zu sehen, ob dieses sich (hoffentlich) mehr weiterentwickelt hat.