"Jeder Mensch kann heute Roboter programmieren"
Ein Roboter für jedermann. So charakterisiert Sami Haddadin den von ihm entwickelten Roboter Franka Emika. Er ist sicher im Umgang mit Menschen, verfügt über einen Tastsinn, kann ohne Vorwissen programmiert werden und mit seinesgleichen über die Cloud kommunizieren. Im Allgäu entsteht gerade eine Produktionsstätte für den Roboter, der sich auch selbst zusammenbauen kann. "Deshalb können wir die Produktion auch in Deutschland machen und müssen sie nicht auslagern", sagt Haddadin. Die futurezone hat den Robotik-Experten, der das Institut für Automatisationskontrolle an der Leibniz Universität in Hannover leitet, am Rande der Münchner Innovationskonferenz Digital Life Design (DLD) getroffen und mit ihm über das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine gesprochen.
Sami Haddadin:Wir können in der Robotik ziemlich viel. Roboter können und sollen den Menschen aber nicht ersetzen. Sie können als Assistenten fungieren. Das heißt, man nimmt sie bei der Hand, programmiert sie und nutzt sie als Werkzeug. Wir sind im Moment in der Phase der Assistenzsysteme und das wird auch lange Zeit noch so bleiben. Ich sehe deshalb auch mehr Chancen als Risiken.
Und zwar?
Es entstehen viele Jobs. Roboter sind heute so gebaut, dass jeder sie benutzen kann. Jeder Mensch kann heute innerhalb kurzer Zeit Roboter programmieren und neue Aufgaben machen lassen. Das ging bis vor kurzem gar nicht, es hat Wochen gedauert und sehr viel Geld gekostet.
Was ändert sich dadurch?
Früher hat man in der Industrierobotik versucht, maximal zu automatisieren. Heute möchte man flexibler agieren und dazu braucht man Menschen und Roboter. Man kann das nicht einfach trennen.
Was können Roboter noch nicht?
Was der Mensch kann ist unglaublich, davon sind Maschinen teilweise noch Jahrzehnte entfernt. Roboter sind etwa nicht in der Lage, ein Handtuch zu falten. Die Handhabung von flexiblen Materialien ist bis heute ein ungelöstes Problem.
Von autonomen Robotern sind wir also noch weit entfernt?
Man darf nicht den Fehler machen, die Fortschritte, die den vergangenen 30 Jahren gemacht wurden, überspitzt als eine Singularität darzustellen, denn das kann man aus Forschungssicht und aus technologischer Sicht wirklich nicht sagen.
Sind niedrigqualifizierte Jobs in Gefahr?
In den Sweatshops der Welt wird mit Sicherheit sehr viel umstrukturiert. Da sind aber die Arbeitsverhältnisse ganz andere. Wenn man sich zum Beispiel Zulieferer für die Elektronikindustrie in Asien ansieht, die werden von den Leuten als Chance genutzt, um in die Industriezentren zu kommen. Sie wollen gar nicht lange dort arbeiten und bleiben oft nicht länger als drei Monate. Die Konzerne haben Schwierigkeiten, Arbeiter zu finden. Das beginnt jetzt auch in Ländern wie China ein Problem zu werden.
Wie sieht es im Bereich abseits des produzierenden Gewerbes aus, etwa in der Pflege?
Roboter können und sollen nicht die Pfleger ersetzen, ganz im Gegenteil. Die Frage ist, wie kann die Robotik Pflegekräfte dabei unterstützen, Tätigkeiten, die eigentlich nicht ihr Job sind, etwa logistische Anforderungen, zu bewältigen. Ein anderes Thema, das in den nächsten fünf bis zehn Jahren durchaus kommen könnte, sind Roboter für den dritten und vierten Lebensabschnitt. Viele ältere Menschen sind geistig fit, haben aber körperlich Probleme. Die landen dann in Pflegeheimen. Die Robotik kann einen Beitrag leisten, damit sie so lange wie möglich zuhause bleiben können. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Assistenzsystem, das von einem Kontrollzentrum aus teleoperiert wird, und Menschen die Tür öffnet, Zeitschriften bringt oder kleine Tätigkeiten verrichtet, die im Alter schwerfallen.
Auf Technikkonferenzen wird in jüngster Zeit auffällig oft über ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert, weil Maschinen zunehmend unsere Arbeit übernehmen. Kommt diese Diskussion zu früh?
Als Techniker bin ich einfach nicht davon überzeugt, dass wir diesen massiven Jobverlust haben werden. Ich tue mir schwer, diese Diskussion als rational zu titulieren. Im Moment werden pro Jahr 200.000 bis 300.000 Roboter weltweit verkauft. Wir werden nicht von heute auf morgen eine Milliarde Roboter auf der Welt haben. Das Wachstum ist signifikant, kann aber bei weitem nicht als exponentiell bezeichnet werden.
In welchen Branchen sind Roboter am häufigsten zu finden?
Der mit Abstand größte Sektor, in dem Roboter eingesetzt werden, ist der Automobilbereich. Insbesonderes in Japan, Korea und
Deutschland. Das liegt an der Art und Weise, wie gefertigt wird, aber auch an den Kosten. Es müssen große Konzerne sein, weil Automatisierungstechnik teuer war und zum großen Teil auch immer noch ist. Mit neuen flexiblen Robotern hat man jetzt auch die Möglichkeit in andere Bereiche vorzudringen. Der größte Wachstumssektor ist derzeit der Elektroniksektor.
In einem Resolutionsentwurf des EU-Parlaments wurde vor kurzem Regeln für Roboter und auch ein Kill Switch zur Diskussion gestellt.
Jeder Roboter hat auch heute schon einen Kill Switch. Das ist Stand der Technik. Was ein Regulatorium betrifft, kommt es wohl auf den Autonomiegrad der Roboter an. Wir sind noch in der Phase der Assistenzsysteme, in der wir noch relativ gut beurteilen können, in welchem Rahmen sich die Systeme bewegen werden. Wenn wir die Autonomie erhöhen, würde das durchaus Sinn machen. Man muss die Frage aber sehr behutsam behandeln.Wenn eine Zulassung für Roboter entwickelt wird, die nicht mehr machbar ist, weil sie das Produkt so teuer macht, dann hat man nichts gewonnen. Man muss pragmatisch sein. Die Technologie kann sehr viel helfen und wir sollten keine künstlichen Hürden aufbauen.