Auf dem Rübenacker rollt der Unkraut hackende Roboter
Landwirt*innen müssen für ertragreiche Ernten und gesunde Nutztiere laufend Entscheidungen treffen. Dazu zählt etwa der ideale Ausbringungszeitpunkt von Dünger oder die optimale Futterration. Je mehr Daten über die Pflanzen- und Tierbestände verfügbar sind, umso bessere Entscheidungen können gefällt werden. Künstliche Intelligenz (KI) kann dabei helfen, große Datenmengen zu verarbeiten und optimale Entscheidungen vorzuschlagen.
Das europäische Projekt AgrifoodTEF, an dem 8 Länder beteiligt sind, befasst sich mit KI-basierten Innovationen für die Landwirtschaft. Die heimischen Partner sind Josephinum Research, die FH Wiener Neustadt und Raumberg-Gumpenstein Research & Development. Nationaler Fördergeber ist die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Ziel des Projekts ist es, Unternehmen und Start-ups bei der Entwicklung von KI- und Robotiklösungen zu unterstützen.
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Testen von Robotern
„Wir bieten den Firmen an, uns ihren Roboter zu einem frühen Zeitpunkt anzuschauen und unter realen Praxisbedingungen Versuche durchzuführen“, sagt Markus Gansberger, Leiter des Studiengangs Agrartechnologie und Digital Farming an der FH Wiener Neustadt, der futurezone. Ein Beispiel ist der KI-gestützte Hackroboter Farming GT, der Unkraut jätet.
Fakten
Bei dem Projekt AgrifoodTEF handelt es sich um ein Netzwerk von Testzentren in Europa. Im Rahmen dessen sollen Unternehmen und Start-ups aus dem Agrar- und Lebensmittelproduktionssektor bei der Produktentwicklung von KI- und Robotiklösungen unterstützt werden.
60 Millionen Euro beträgt das Gesamtvolumen des Budgets für das Projekt AgrifoodTEF europaweit. Die Hälfte wird über die Europäische Kommission finanziert, die andere Hälfte kommt von nationalen Fördergebern. Hierzulande wird das Projekt von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert.
„Gemüse, Gewürze oder andere Kulturen im Biolandbau werden meist in Reihen angebaut. Entlang dieser Reihen lässt sich das Unkraut mechanisch gut heraushacken, aber dazwischen erfolgt dies meist händisch, wenn keine Pflanzenschutzmittel angewendet werden“, sagt er.
Derzeit versuche man daher über KI-Lösungen, diese Pflanzen zu erkennen und das zu jäten, was Landwirt*innen nicht am Feld haben wollen. Wichtig sei, dass ein solcher Feldroboter präzise navigieren und autonom übers Feld fahren kann. „Er muss wissen, wo er gerade unterwegs ist, Hindernisse und Feldgrenzen erkennen und im Bedarfsfall frühzeitig stoppen. Insofern werden die Sicherheitsaspekte und Rahmenbedingungen stets mitgedacht.“
Daten verarbeiten
Daneben soll Firmen Datenservices angeboten werden. „KI-Anwendungen beruhen auf großen Datenmengen. Je besser die Datenverarbeitung, umso besser die Performance. Damit ein System etwa Zuckerrüben mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig detektiert, muss es trainiert werden“, so der Fachmann. Farming GT etwa arbeitet mit einer Datenbasis von rund 18 Millionen Bildern.
Auf Basis dessen wurden Algorithmen entwickelt, wodurch er Zuckerrüben in unterschiedlichsten Facetten erkennen kann. Langfristig ziele man laut Gansberger darauf ab, alle Pflanzenarten maschinell zu identifizieren. „So können sich mehrere unterschiedliche Anwendungsfälle ergeben. Wenn es um chemischen Pflanzenschutz geht, können so einzelne Pflanzen ganz gezielt behandelt werden.“
Algorithmen validieren
Ein weiterer Service ist das Validieren von Algorithmen, etwa zur Ertragsschätzung. „Wenn ich weiß, wie der Ertrag ausfällt, kann ich bei der Düngung frühzeitig reagieren und die richtige Menge Dünger einsetzen. Ziel ist es, dass die Nährstoffe zu 100 Prozent bei der Pflanze ankommen und sie nicht über- oder unterversorgt ist“, so Gansberger. Er und sein Team valideren, wie gut das jeweilige System den richtigen Ertrag geschätzt hat, und unterstützen gegebenenfalls in der Weiterentwicklung. Die Effizienz im Düngereinsatz könne so verbessert werden.
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AgrifoodTEF sei dem Fachmann zufolge eine gute Chance für Österreich, in einem europäischen Netzwerk mitzuarbeiten. „Was Österreich interessant macht, ist, dass wir kleiner strukturiert sind und unsere Felder nicht alle flach, sondern auch hügelig sind. Wir bieten andere Anforderungen an Roboter, als dass sie nur auf ebener Fläche arbeiten.“ Österreich habe zudem unterschiedliche Klimaräume, wodurch die heimische Landwirtschaft sehr divers ist und auch eine Vorreiterrolle im Sonderkulturenanbau, im Biolandbau oder im Obst- und Gemüseanbau einnimmt.
Generell werden sich derartige technische Lösungen laut Gansberger in Österreich dort durchsetzen, wo viel Handarbeit benötigt wird. Nicht nur entlasten sie bei der Verrichtung von herausfordernden Tätigkeiten am Feld und im Stall, auch tragen sie zu einer nachhaltigen Landwirtschaft bei.
In den kommenden 5 Jahren soll ein ausgereiftes Service-Angebot für Start-ups und Firmen entstehen. „Wichtig ist auch, Kompetenzen in Österreich aufzubauen und Infrastruktur zu etablieren.“
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Auskunft über heimische Felder durch Satellitendaten
In Österreich ist die Digitalisierung in der Landwirtschaft auf dem Vormarsch. Drohnen erkennen den Wuchs von Nutzpflanzen, analysieren diesen und ermöglichen präzise Eingriffe. Sensoren erkennen wiederum den Zustand von Pflanzen und Boden. Auch bei der Fütterung setzen Landwirte zunehmend Roboter ein.
Daneben werden zahlreiche Innovationen noch entwickelt.
Die sogenannte Innovation Farm in Wieselburg, die neue technische Lösungen erprobt und für Landwirt*innen anwendbar macht, nutzt seit 2018 vielfach Satellitenbilder, die Auskunft über die heimischen Felder geben.
Saatstärke verändern
„Dadurch können wir zum Beispiel beim Mais die Saatstärke verändern, also die Anzahl der Pflanzen pro Quadratmeter. Das hat den Zweck, dass einzelne Pflanzen mehr Wasser und Licht bekommen“, sagt Markus Gansberger, Leiter der Innovation Farm.
Auf diese Weise wolle man einen Beitrag leisten, um die Wassereffizienz zu verbessern und den Ertrag zu sichern.
Sentinel-2 der ESA
Generell verraten Erdbeobachtungssatelliten wie Sentinel-2 der ESA, welche Pflanzen auf unseren Feldern angebaut werden. Die Innsbrucker Firma GeoVille und die Wiener Firma EOX haben im Auftrag der AgrarMarkt Austria (AMA) ein System entwickelt, das Angaben der Landwirt*innen zu ihrem Anbau automatisch auf ihre Richtigkeit überprüft.
Denn für diese Angaben erhalten Landwirte EU-Subventionen. Die Sentinel-Daten nehmen nicht jedes einzelne Pflänzchen auf, sondern alle 2,6 Millionen Parzellen in Österreich in ihrer Gesamtheit. Die Informationen werden dann mit den Angaben abgeglichen, die Landwirt*innen gegenüber der AMA gemacht haben.