Kunststoff hilft gegen laute Züge und Schienen
Neben dem Autoverkehr zählt die Bahn zu den größten Lärmverursachern in Europa. 22 Millionen Menschen sind hohen Lärmbelastungen entlang von Bahnstrecken ausgesetzt, rechnet die Europäische Umweltagentur vor. Was beim Autoverkehr das Rollgeräusch auf der Straße ist, ist der Rad-Schienen-Kontakt beim Zug. Durch das Aufeinandertreffen von Metall auf Metall sind die Auswirkungen jedoch ungleich höher als beim Abrollen von Gummireifen auf Asphalt.
Wackelnde Kästen und Wände
Kleinste Unebenheiten auf den Laufflächen führen zu einer enormen dynamischen Krafteinwirkung. Auch hier gilt: Je rauer die Schiene und das Rad, desto lauter das direkte Gleisgeräusch und die Erschütterungen, die sich als sekundärer Luftschall über die Umgebung fortpflanzen. Diese Vibrationen können Kästen, Wände und Decken in Gebäuden zum Zittern bringen und sind auch bei Brücken eine große Lärmquelle.
Abhilfe können Gleisdämpfungen schaffen. Einer der globalen Marktführer in diesem Bereich ist das Vorarlberger Unternehmen Getzner, das Gleise mittels Polyurethan-Matten dämmt. Dabei handelt es sich um speziell geschäumte Kunststoffe, die im Schotterbett verbaut oder auch an Schwellenunterseite angebracht werden. Getzner zufolge können damit Isoliergrade von bis zu 95 Prozent erreicht werden.
Geringer Verschleiß sorgt für leiseres Gleis
Die damit erreichte Elastizität hat einen zweiten Effekt. „Ein glattes, gut geschliffenes Gleis wird durch den Betrieb mit der Zeit rauer und somit auch lauter. Durch die elastischen Komponenten ist der Verschleiß geringer, das Gleis bleibt also in besserem Zustand und länger leiser“, erklärt Christian Loretz, Leiter der Unternehmensentwicklung bei Getzner, im futurezone-Interview. Neben Österreich und Deutschland werden die Gleisdämmungen der Vorarlberger weltweit etwa in Japan, China, Indien, Nordafrika oder Brasilien eingesetzt.
Auch im Zugbereich spielen moderne Messtechniken eine wichtige Rolle, um die Lärmabschirmung zu optimieren. So werden mittlerweile Lärmbildkameras eingesetzt, die analog zu Wärmebildkameras die Schallabstrahlung messen und in verschiedenen Farben darstellen können. Auf diese Weise sollen neuralgische Punkte im Schienennetz erkannt werden. Mit neuen Polyurethan-Rezepturen soll die maximale Dämmwirksamkeit weiter optimiert werden.
Kunststoff statt Grauguss
Viel getan hat sich auch bei den Zügen selbst. Neben eingebauten Raddämpfern werden tiefliegende Radabdeckungen verbaut, welche die Schallabstrahlung vermindern sollen. Einer der größten Lärmerzeuger im Zugverkehr sind alte Bremssysteme, die immer noch im Güterverkehr im Einsatz sind. Gebremst wird dabei mittels Klötzen aus Gusseisen, die einfach auf die Laufflächen der Räder gedrückt werden. Das ist nicht nur lärmintensiv, sondern sorgt durch den Abrieb für ein raueres und damit lauteres Gleis.
Eine gewisse Abhilfe schaffen Bremsklötze aus modernen Kunststoff-Verbundwerkstoffen, mit denen alte Güterzüge nachgerüstet werden. Moderne Hochgeschwindigkeitszüge haben mittlerweile längst Systeme verbaut, bei denen die Scheibenbremse vom Rad getrennt ist und auch mittels Motoren gebremst wird. Die Lärmbelastung wird durch den sukzessiven Einsatz modernerer Züge folglich sinken.
"Leise Routen" ab 2024 vorgeschrieben
Als Anreiz zur Umrüstung ist laut Verkehrsexperten denkbar, die Benützungspreise für die Trasse lärmabhängig zu gestalten. Ein alter, lauter Güterzug müsste dann mehr bezahlen. Ab Ende 2024 wird es zudem aufgrund einer EU-Verordnung auch Strecken geben, die als „leise Routen“ klassifiziert sind. Auf diesen dürfen laute Güterwagen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr fahren. In Österreich sind ein Großteil der Hauptverbindungsachsen als derartige leise Strecken vorgesehen.
Eine gute Übersicht, wer entlang der Hauptverkehrsrouten wie stark von Straßen-, Schienen- und Fluglärm betroffen ist, bietet die vom Verkehrsministerium betreute Webseite Lärminfo.at, die mit umfangreichem Kartenmaterial aufwartet.