Dieses simple mathematische Problem kann niemand lösen
Die großen Mathematik-Probleme unserer Zeit stellt man sich als Laie immer hochkomplex vor. So, dass man sie mit dem Wissen, das man aus der Schulzeit gerade noch hat, gar nicht erst erfassen kann. Einige bisher ungelöste Probleme erscheinen aber auf den ersten Blick ganz simpel – und bereiten Mathematiker*innen gerade deshalb Kopfzerbrechen.
Das Collatz-Problem, auch bekannt als die (3n+1)-Vermutung fällt in diese Kategorie. Man beginnt mit einer beliebigen natürlichen Zahl, zum Beispiel 10. Nun gibt es 2 Dinge, die man tun muss: Ist eine Zahl gerade, teilt man sie durch 2 und ist eine Zahl ungerade verdreifacht man sie und addiert 1 (so erhält man wieder eine gerade Zahl). Spielt man das für 10 durch, erhält man folgende Zahlenreihe: 10 – 5 – 16 – 8 – 4 – 2 – 1.
Gefangen in der 421-Schleife
Und so hat man bereits den Kern des Problems gefunden. Zum Schluss ist man in einer 421-Schleife gefangen, egal mit welcher Zahl man beginnt. Was sich ändert ist die Länge der Abfolge, je nachdem welche Startzahl man wählt. Die Zahlen gehen dabei immer wieder hoch und runter, man erhält sogenannte „Hagelschlag“-Zahlen. Ein System, wie lange es von einer Startzahl bis zur Schleife dauert gibt es nicht. Während man mit der Zahl 24 neunmal rechnen muss, bis man 1 erreicht, benötigt man mit 27 als Startzahl 111 Schritte.
Visualisiert man den Collatz-Graphen, erhält man etwas, das wie eine Koralle aussieht. Schön genug, um es in das Ausmalbuch "Visions of Numberland: A Colouring Journey Through the Mysteries of Maths" zu schaffen. Erstellt wurde es von Edmund Harriss (und kann hier heruntergeladen werden, bereitgestellt von Brady Haran).
Keine Ausnahmen und keine Beweise
Was diese Darstellung deutlich zeigt ist, dass vermeintlich alle Nummern irgendwann Teil dieses Collatz-Graphen werden. Das Problem ist, dass man bisher nicht nachweisen konnte, dass diese Regel ausnahmslos für alle natürlichen Zahlen gilt. Es scheint so, denn man hat auch noch keine Ausnahme gefunden. Einen Beweis gibt es aber nicht. Es könnte sein, dass eine Zahl nicht in die 421-Schleife gerät, sondern ins Unendliche weitergeht oder in einen anderen Zyklus übergeht.
Für die erste Option müssten alle Zahlen dieser Ausnahme außerhalb des Collatz-Graphen liegen, visualisiert wäre das ein Kreis statt einer Koralle. Die Collatz-Vermutung lautet, dass es nur die 421-Schleife gibt, dafür müsste man aber die anderen beiden Möglichkeiten ausschließen können. Oder man findet sie, dann würde sich die Vermutung als falsch herausstellen. Beides ist bisher nicht geschehen.
Terence Tao löst sie "fast"
Seit der deutsche Mathematiker Lothar Collatz die Vermutung wohl 1950 zu verbreiten begann, scheitern Wissenschaftler*innen an diesem Problem. Am nächsten an eine Lösung kam 2019 Terence Tao. Er konnte zeigen, dass die Collatz-Vermutung für natürliche Zahlen „fast zutrifft“. Das bedeutet, dass es eine sehr hohe, aber nicht 100-prozentige Wahrscheinlichkeit gibt, dass man die 421-Schleife erreicht. 2020 konnte man mithilfe eines Computers alle positiven Zahlen bis 2^68 bestätigen.
Chaostheorie
„Es ist in der Mathematik oft so, dass einfach formulierte Probleme erstaunlich schwierige Lösungen haben“, sagt Leonhard Summerer, Professor für Mathematik an der Universität Wien, der futurezone. Obwohl das Collatz-Problem auf den ersten Blick wie ein Fall aus der klassischen Zahlentheorie wirkt, kommt es laut Summerer eher aus den Bereichen der dynamischen Systeme, genauer der Chaostheorie.
Das zeigt sich in der Wichtigkeit der Ausgangsbedingung. Bei minimaler Veränderung der Formel – z.B. wenn man zum Schluss -1 statt +1 rechnet – erhält man andere Zyklen als die 421-Schleife, sagt Summerer.
Anreiz statt Frustration
Frustrierend sei es nicht, dass sich das Problem nicht lösen lasse, es brauche noch Geduld, sagt Summerer. „Für gewisse Probleme ist die Mathematik einfach noch nicht reif. Das ist beim Collatz-Problem wahrscheinlich auch so. Aber der Anreiz, neue Methoden zu entwickeln, entsteht natürlich aus der derzeitigen Nichtlösbarkeit des Problems. Ungelösten Probleme haben die Mathematik immens weitergebracht, sie sind ein Motor, um die Forschung anzutreiben.“