Mit dem Ölkocher auf Bauernfang in Indonesien
“Früher habe ich mit Holz und Gas gekocht”, sagt Rukmini, eine 30-jährige indonesische Bauersfrau, während sie in ihrem Zuhause vor versammelter Journalistenschar den Pflanzenöl-Kocher “Protos” vorführt und sich dabei geduldig ablichten lässt. “Mittlerweile koche ich einmal täglich mit dem neuen Kocher. “
Seit etwas mehr als einem halben Jahr steht Protos von der deutschen Firma Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH) nun in Rukminis Haus, in dem versteckten Dörfchen Tiram nahe dem Ort Purwodadi (Zentraljava). Wie zehn weitere Haushalte in dem Ort auch nimmt Rukminis Familie derzeit an dem Protos-Versuchsprojekt teil, dessen erklärtes Ziel es ist, Menschen, die nach wie vor auf offenem Feuer, mit gesundheitsschädlichem Kerosin oder gefährlichen Gaskochern ihre Mahlzeiten zubereiten, eine sichere, aber auch umweltschonende Alternative zu bieten.
Während sich für uns in den westlichen Industrienationen beim Kochen bestenfalls Luxusfragen wie “Induktionsherd ja oder nein?” stellen, werden in Entwicklungs- und Schwellenländern jährlich noch Tonnen an Feuerholz sowie große Mengen an Biomasse, Dünger, Holzkohle oder eben dem billig erhältlichen Kerosin verbrannt. Das schadet nicht nur der Gesundheit der Menschen, sondern bedeutet auch einen Verlust an Biodiversität und zieht klimaschädliche Folgen nach sich. Protos soll eine Antwort auf all diese Probleme liefern, indem erstens nur Pflanzenöle und im Idealfall nur jene eingesetzt werden, die nicht mit der menschlichen Nahrungskette in Konflikt stehen. Soweit die Theorie.
Biosprit für Airlines
Beim Modellversuch in Indonesien setzt BSH in erster Linie auf Jatropha-Öl. Die Pflanze lässt sich auch auf geschädigten Böden anbauen, die nicht für Nahrungsmittel genutzt werden können, zudem ist Jatropha kein Speiseöl. Als Partner für die Öl-Produktion fungiert die niederländische Firma Waterland. Die hat sich auf Jatropha und dessen Anbau in Mischkulturen spezialisiert und dient bislang auch als einziger nennenswerter Abnehmer der Protos-Kocher in Indonesien: Von Waterland erhalten die ansässigen Bauern den Pflanzenöl-Kocher, der ansonsten etwa 20 Dollar kosten würde, gratis - sofern sie sich an dem Projekt beteiligen und auf ihrem Land Jatropha anbauen. Jatropha, das die Bauern, zum Betreiben der Kocher brauchen. Jatropha, das Waterland selbstverständlich nicht in erster Linie für die überschaubare Menge von ein paar hundert Protos-Kochern produziert, sondern in großem Stil als Biosprit an Airlines wie die Lufthansa oder Swiss verkauft. Die Fluglinien bessern damit ihre CO2-Bilanz auf.
Widersprüchliche Aussagen
Auch dass beim Anbau Böden genutzt werden, die ohnehin nicht für Nahrungsmittel taugen würden, erscheint im Gespräch mit den Bauern plötzlich in einem fragwürdigen Licht. Vor dem Jatropha-Anbau habe er die Landfläche für Nahrungsmittel genutzt, sagt einer der Bauern im Gespräch mit den Journalisten. “Der Boden in dem Gebiet ist durchaus für den Anbau von Lebensmitteln geeignet”, bestätigt auch Friedhelm Göltenboth, Professor für Agrarökologie an der Universität Hohenheim, der das Protos-Projekt begleitet.
Ein anderer Bauer lässt indes anklingen, er hätte seine Landnutzungsrechte überhaupt verloren, wäre er nicht auf das Angebot von Waterland eingegangen. Die Felder selbst gehören der Forstbehörde, mit der Waterland zusammenarbeitet.
Große Hürden zu bewältigen
“Bis 2014 wollen wir etwa 40.000 Einheiten von Protos verkauft haben”, sagt Samuel Shiroff, verantwortlicher Projektmanager bei BSH. Ein hoch gestecktes Ziel, blickt man auf die bisherige Entwicklung: Laut offiziellen Angaben wurden in Indonesien bisher 1.200 Stück des Kochers abgesetzt, allerdings wurden diese nicht tatsächlich an Endkunden verkauft, sondern der BSH im wesentlichen von Partnerfirmen wie Waterland abgenommen, die damit wiederum die Bauern ködern. Hätte sie sich Protos für den anvisierten Preis von umgerechnet 20 Dollar auch selbst gekauft? “Nein”, sagt Rukmini, das hätte sie sich gar nicht leisten können. Und obwohl ihr Protos zur Verfügung steht, koche sie auch weiterhin parallel mit Holz und Gas.
Auch technisch wirft der Pflanzenöl-Kocher bei genauerem Hinsehen Fragen auf. So besteht das Gerät aus zwei Teilen, dem Kochgestell samt Brenner und dem Tank, in den das Pfalnzenöl eingefüllt wird. Beide Teile sind jedoch nicht als Einheit verbaut, sondern stehen separat, verbunden durch einen Schlauch: Ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko, stellt man sich vor, dass beispielsweise Kinder beim Spielen darüber stolpern könnten, während der Kocher in Betrieb ist.
Zielgruppe ungeklärt
Hinzu kommt, dass die Menschen in dem Dorf nicht mit der Handhabung von Protos vertraut sind. Während BSH versichert, die Bedienung sei einfach und unkompliziert, stellt sich später heraus, dass speziell ältere Menschen Probleme haben könnten, sich mit dem Kocher vertraut zu machen. In Trainings will man den Leuten beibringen, wie Protos funktioniert. Eine weitere Hürde, vor der wohl viele zurückschrecken werden. Nicht zu vergessen der - im Vergleich - bis dato für die meisten Familien zu hohe Preis.
Was sind also die Zielgruppen, wen will BSH letztlich mit Protos ansprechen? Für die Ärmsten der Armen kommt das Gerät nicht infrage, das bestätigt auch der Agrarökologe Göltenboth im Gespräch mit der futurezone. “Wir sehen nicht die eine Zielgruppe, wir haben alle im Auge, die regelmäßig Brennstoffe kaufen müssen”, entgegnet Shiroff. Jene Menschen, die eine Arbeit hätten, seien auch qualifiziert Protos zu benutzen.
Langer Atem
Seinen Ursprung nahm das Protos-Projekt bereits im Jahr 1998, die Idee zu dem Pflanzenöl-Kocher lieferten Forscher am Institut für Agrartechnik in den Tropen an der Universität Hohenheim. 2003 erwarb BSH die Patente und übernahm die technologische Weiterentwicklung des Kochers, 2004 gab es erste Feldtests auf den Philippinen, später auch in Afrika und anderen asiatischen Ländern - darunter auch Indonesien. 2009 wurde die zweite Generation von Protos vorgestellt, 2010 ging der Kocher in Kooperation mit der Firma Tjokoro in Jakarta in Serienproduktion.
BSH hat in den vergangenen Jahren viel Geld in das Projekt gesteckt, das wie viele vergleichbare Projekte in Entwicklungsländern durchaus “gut gemeint” ist. Bislang rechnet sich der Aufwand aus wirtschaftlicher Sicht nicht. Doch der Konzern erhofft sich über das soziale Engagment, den Fuß in den indonesischen bzw. südostasiatischen Markt zu bekommen, um dort auch andere, reguläre Produkte zu verkaufen. Außerdem sieht BSH die Möglichkeit, ab einer bestimmten Menge an verkauften Protos-Kochern CO2-Zertifikate zu generieren und auch weiterzuverkaufen.