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Noch fünf bis zehn Jahre bis zum fahrerlosen TGV

Alle zwei Jahre findet in einer andere europäischen Stadt die Transport Research Arena statt. Die siebente Ausgabe dieser Fachkonferenz, auf der sich über 3300 Verkehrsforscher aus ganz Europa und darüber hinaus treffen, findet in Wien statt. Am Montag wurde die TRA2018, die von der europäischen Kommission und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie veranstaltet wird, in der Messe Wien eröffnet.

Viel Freud, viel Leid

"Der Verkehrssektor kreiert einen von 20 Arbeitsplätzen in Europa. 40 Prozent aller EU-Exporte entfallen auf den Transportbereich. Das sind gigantische Zahlen", meint EU-Transportkomissarin Violeta Bulc bei der Eröffnung der TRA2018. "Aber es gibt nicht nur Positives, sondern auch viel Negatives, und auch dabei spielt der Transport eine große Rolle." Bulc spricht hier etwa die 25.000 Verkehrstoten pro Jahr (laut Statistik 2016) oder jene 400.000 Menschen an, die jedes Jahr durch die Folgen von Luftverschmutzung sterben.

EU-Transportkommissarin Violeta Bulc auf der Mobilitäts-Fachkonferenz TRA2018 in Wien

"Forscher, bitte helft uns!"

"Das versursacht unnötigen Schmerz. Ich apelliere daher an Wissenschaft und Innovation: Bitte helft uns!" Bulc sieht in den EU-Mitgliedsstaaten großen Erfindergeist, der früher Undenkbares Realität werden lässt: "Erinnern Sie sich noch, als wir uns nicht vorstellen konnten, dass Flugzeuge alleine mit Solarenergie fliegen? Das war früher ein Witz, aber jetzt ist es Realität. Hybride oder vollelektrische Flugzeuge wird es in ein paar Jahren am Markt geben." Bulc fordert Unternehmen und Forschungsinstitutionen auf, in großen Maßstäben und vernetzt zu denken. Gerade junge Leute seien zudem aufgerufen, neue Lösungen im Transportbereich zu kreieren.

Hofers Autowunsch als 18-Jähriger

Gerade bei jungen Menschen und deren Mobilitätswahrnehmung sieht auch Verkehrsminister Norbert Hofer große Veränderungen. "Für mich war es als 18-Jähriger sehr wichtig, ein Auto zu besitzen. Meine Kinder sind nicht sehr interessiert daran, ein Auto zu besitzen, aber sie interessieren sich für Mobilität." Österreich wolle die Verkehrspläne der EU-Kommission proaktiv unterstützen. Wichtige Voraussetzungen dafür sieht Hofer mit dem Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur dank Breitbandmilliarde und der Positionierung als 5G-Vorreiter erfüllt.

David-Bowie-Zitat während der Keynote zur Mobilitäts-Fachkonferenz TRA2018 in Wien

Umbruch wie in der Musikindustrie

"Die Menschheit wird sich in den nächsten 20 Jahren mehr verändern als in den letzten 300 Jahren", zeigt sich Futurist Gerd Leonhard in seiner Keynote zur TRA2018 überzeugt. Der Autoindustrie bescheinigt der Buchautor ("Technology vs. Humanity") einen ähnlichen Umbruch, wie sie die Musikindustrie durch Streamingportale wie Spotify erlebt hat. Der Straßenverkehr wird durch Entwicklungen wie  Elektrifizierung, Automatisierung, Konnektivität, Carsharing, Big Data etc. stark verändert werden. Im Luftfahrtbereich sagt Leonhard Drohnen eine große Zukunft voraus.

Flugzeuge ohne Piloten

Weitere Voraussagen über das Reisen in der Luft trifft bei der anschließenden Podiumsdiskussion zwischen Vertretern verschiedenster Transportsektoren (Straße, Wasser, Schiene etc.) Axel Flaig von Airbus: "In den nächsten 20 bis 30 Jahren werden 30.000 neue Flugzeuge benötigt, aber wir erkennen bereits jetzt einen Engpass bei Piloten. Es wird daher autonome Flugzeuge geben. Zuerst wird der Co-Pilot ersetzt, dann auch der Pilot." Zu der Wirkung einer solchen Aussage auf Flugpassagiere meint Flaig: "Schritt für Schritt werden sich die Leute daran gewöhnen. U-Bahnen ohne Fahrer kümmern heute auch niemanden mehr. Wir werden lernen, der Technologie zu vertrauen." Eine kurze Umfrage im Publikum, ob man sich in ein Flugzeug ohne Pilot setzen würde, gibt dem Vertreter der Luftfahrtindustrie Recht.

Panel-Diskussion bei der Mobilitäts-Fachkonferenz TRA2018 in Wien

Emissionsreduktion

"Die Fliegerei muss aber nachhaltiger werden", betont Flaig. Die Investitionen in Elektrifizierung seien deswegen hoch. Flaig rechnet in Zukunft mit einer Vermehrung von Zubringerflügen mit Elektro-Flugzeugen, ebenso mit Flugtaxis in Großstädten. Die Reduktion von Kohlendioxidemissionen hält Helmut List, CEO von AVL List, auch für die größte Herausforderung im Straßenverkehr. "Aber auch konventionelle Antriebe entwickeln sich weiter", meint List. "Verbrennungsmotoren mit extrem niedrigen Emissionen sind möglich."

Kollaboration als EU-Vorteil

Was die Automatisierung von Verkehrsmitteln betrifft, sieht Carole Desnost, Chief Innovation Officer der französischen Staatsbahn SNCF, einen deutlichen Vorteil für die Schiene im Vergleich zu selbstfahrenden Straßenfahrzeugen. "In fünf bis zehn Jahren wird es einen TGV ohne Fahrer geben", kündigt Desnost an. Die Rolle Europas sehen die Panel-Diskutanten als Mitstreiter im globalen Wettkampf. "Europa ist etwa nicht in Führungsposition bei 5G", ist Hanna Mauer Sibley vom Netzwerkausstatter Ericsson überzeugt. "Das wird in Nordamerika und Asien zuerst kommen." Was Europa auszeichne, sei seine kollaborative Umgebung. Gemeinsam könne es gelingen, tragfähige nachhaltige Entwicklungen im Transportbereich voranzubringen und weltweit durchzusetzen.

Dichtes Programm

Ihre Fähigkeit zur Zusammenarbeit soll die europäische Verkehrsforschung in den nächsten Jahren bei der TRA2018 unter Beweis stellen. Bei hochkarätig besetzten Vorträgen, Diskussionsrunden, Strategie-Sessions, Praxisdemonstrationen und kleineren Events sollen die Teilnehmer Know-How austauschen und gemeinsame Projekte forcieren. Die futurezone wird die TRA2018 auch am Dienstag und Mittwoch besuchen. Unter anderem werden wir dabei einen Blick auf die Innovationen heimischer Start-ups werfen, die das Austria Wirtschaftsservice (aws) zur Konferenz eingeladen hat, oder eine Fahrt in einem autonomen Testfahrzeug des Grazer Forschungsinstituts Virtual Vehicle wagen.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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