Orion-Start auf Freitag verschoben
Am Ende hat es nicht funktioniert. Bis zum Ende haben NASA-Techniker und Millionen Zuseher im Internet auf einen Start der Raumkapsel Orion gehofft, aber Wind und technische Probleme verhinderten den Flug. Laut Plan sollte Orion um 13:05 Uhr abheben, doch es kam zu Verzögerungen. Zunächst war ein Boot in die Sicherheitszone um das Kennedy Space Center in Florida eingedrungen und musste entfernt werden. Dann kam es zu einem Ventilator-Leistungsabfall in der Lüftungsanlage der Startrampe. Außerdem kamen Windböen auf, die als zu stark für einen Start galten. Ab einer Windgeschwindigkeit von 21 Knoten (38 km/h) wird die Countdown-Uhr automatisch angehalten. Außerdem traten noch Anzeigen-Probleme im Zusammenhang mit Treibstoffventilen in der Trägerrakete auf. Um 15:44 sollte ein letzter Startversuch unternommen werden. Kurz davor verkündete die NASA, den Start auf Freitag zu verschieben.
Unabhängigkeit von Russland
Mit der Raumkapsel Orion soll die NASA erstmals seit dem Ende des Space Shuttle wieder über einen eigenen Personentransporter ins All verfügen. Die für die USA unangenehme, jahrelange Abhängigkeit von Russland und seinen alten Sojus-Kapseln soll dadurch bald beendet werden. Ein wichtiger Schritt dahin ist der erste unbemannte Weltraum-Test, der heute stattfinden soll.
Der Testflug soll folgendermaßen ablaufen: Orion hebt an der Spitze einer Delta IV Heavy Trägerrakete vom Kennedy Space Center in Florida ab. Sollte der Start verzögert werden, bleibt ein Zeitfenster von insgesamt zwei Stunden und 39 Minuten. Die Raumkapsel soll sich während ihres Fluges 5.793 Kilometer von der Erdoberfläche entfernen - eine Distanz, welche die Flughöhe der Internationalen Raumstation um das circa 15-fache übertrifft.
32.000 km/h
Die Maximalgeschwindigkeit wird dabei 32.186 km/h betragen. Die Orion-Kapsel umrundet die Erde auf ihrem Flug zwei Mal und kehrt danach zur Erdoberfläche zurück. Beim Wiedereintritt wird sich der Hitzeschild von Orion auf über 2000 Grad Celsius aufheizen. Nach viereinhalb Stunden sollte sie 965 Kilometer vor der kalifornischen Küste im Wasser landen.
Im Fokus des Testfluges steht die Beobachtung von Systemen und Vorgängen, die maßgeblich für die Sicherheit künftiger Besatzungen sind, darunter Hitzeschild, Bordelektronik, Software, Fluglage, Separierungsvorgänge, Fallschirm-Auslösung und Bergung. Die Ergebnisse sollen bei der Weiterentwicklung von Orion helfen.
Fernreisen
Laut Plan soll die Kapsel erstmals im Jahr 2021 Menschen ins All befördern. Alltransport alleine reicht der NASA aber nicht. Mit Orion sollen Menschen so weit vordringen wie nie zuvor. In den 2020ern plant die US-Weltraumagentur die Begegnung mit einem Asteroiden. Erstmals sollen Menschen ein solches Objekt aus nächster Nähe im All erkunden. Der Asteroid soll außerdem in eine stabile Umlaufbahn um den Mond gebracht werden.
Mit Orion will die NASA auch zum Mond und darüber hinaus fliegen, etwa zu einem der Lagrange-Punkte. Dabei handelt es sich um Positionen im All, in dem die Anziehungskräfte von Sonne und Erde im Gleichgewicht stehen. Die Punkte würden sich nicht nur für die Platzierung von Raumstationen anbieten, sie könnten auch kleine Asteroiden, so genannte Trojaner, beinhalten.
In den 2030ern soll Orion als eines von mehreren Raumschiffmodulen für die erste bemannte Marslandung der NASA eingesetzt werden. Für solche Missionen in die Tiefen des Alls wird derzeit eine neue Raketengeneration entwickelt, die den Namen Space Launch System (SLS) trägt.
Aufbau
Orion sieht den Apollo-Raumkapseln der 1960er- und 70er-Jahre sehr ähnlich, ist aber ein Stück größer. Statt drei Astronauten soll die Kapsel in der Standardkonfiguration vier Raumfahrer beherbergen. Für kurze Wege, wie bei Transporten zur ISS, sollen bis zu sechs Plätze zur Verfügung stehen. Dazu bietet die Kapsel genügend Raum für Fracht, sowohl in der Kapsel, die unter Luftdruck steht, wie im daran anschließenden Service-Modul (ohne Luftdruck). Als Lebensraum im Inneren von Orion stehen Raumfahrern ungefähr neun Kubikmeter zur Verfügung. Zum Vergleich: Bei Apollo waren es rund sechs Kubikmeter.
An der Basis der kegelförmigen Kapsel, unterhalb des Hitzeschildes, befindet sich das Servicemodul, das Antrieb, Energieversorgung (auch mittels Solarsegeln) und diverse Flüssigkeitstanks beinhaltet. Als Teil von Orion, der nur während des Startvorgangs vorhanden ist, gilt auch das Startabbruch-System (Launch Abort System). Dabei handelt es sich quasi um einen Aufsatz an der Raketenspitze, der die Raumkapsel im Fall einer Explosion der Trägerrakete blitzschnell von dieser lösen und in sichere Entfernung befördern soll.
Entwicklung
Der Plan zur Entwicklung einer neuen US-Raumkapsel wurde 2004 unter der Regierung von George W. Bush initiiert. Ein Mitgrund dafür war die Katastrophe rund um das Space Shuttle Columbia im Jahr 2003. Diese leitete auch das Ende des Space-Shuttle-Programmes ein.
Die Projektleitung bei der Entwicklung von Orion hat der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin. Daneben gibt es aber zahlreiche Zulieferunternehmen aus 45 Staaten. Auch österreichische Komponenten befinden sich an Bord. Das Wiener Unternehmen TTTech stattet Orion mit einem neuartigen "Nervensystem" auf Ethernet-Basis aus. Damit werden über 50 Bordinstrumente verbunden. Die dabei verfügbare Übertragungsrate ist 1000 mal schneller als beim Space Shuttle. Mehr Details dazu weiter unten.
Mitbringsel
Abgesehen von jeder Menge High-Tech werden beim ersten Weltraumflug von Orion eine Menge unterschiedlicher Gegenstände mitgeführt. Der verfügbare Platz an Bord wird unter anderem dazu verwendet, um ein Stück Mondgestein mitzuführen. Außerdem wird sich ein Knochenteil eines Tyrannosaurus Rex in der Raumkapsel befinden. Auf einem mitgeführten Mikrochip sind die Namen von mehr als einer Million Menschen gespeichert, die den Raumflug symbolisch mitmachen dürfen.
Mitgenommen werden auch zahlreiche Anstecknadeln, Flaggen und Wimpel, Gegenstände aus der Kinderserie "Sesamstraße" und Musikaufnahmen. Ein Schrank beherbergt ein Strahlungs-Experiment von Studenten. Die mitgeführte Fracht dient sowohl der Wissenschaft als auch der Öffentlichkeitsarbeit.
Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass die NASA ein wichtiges Mitbringsel vergessen hat: Nämlich die Gesamtausgabe der deutschen 60er-Jahre-Kultserie "Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion".
Nach sechs Jahren Entwicklung, Millionen von Tests, schreibt Österreich neuerlich Weltraumgeschichte: Das Wiener Unternehmen TTTech ist mit seiner Technologie in der neuen Raumkapsel Orion, die Menschen ab etwa 2030 auch zum Mars bringen soll und am 4. Dezember 2014 erstmals ins All geschossen wird, vertreten.
„Seit 2008 haben wir uns auf diesen Tag vorbereitet“, sagt Reinhard Maier, Direktor Aerospace bei TTTech. Mit der NASA arbeitet man schon seit der Jahrtausendwende zusammen, als man mit Honeywell und dem US-Rüstungs- und Technologiekonzern Lockheed Martin erste Forschungsprojekte gestartet hatte – damals ging es um Triebwerkssteuerungen. Der Orion-Start ist ein neuer Höhepunkt in der Firmengeschichte.
Tag X
Zehn Mitarbeiter haben sich auf diesen Tag X vorbereitet, etwa 15 Millionen Euro sind in den gesamten Space-Bereich investiert worden, allein die TTTech-Technologie an Bord der Orion kostet fast vier Millionen Euro. Die Avionik-Systeme stammen von Honeywell. Das US-Unternehmen wird wiederum von TTTech beliefert. „Wir schicken Designs, Knowhow und Chip-Designs an Honeywell und Honeywell baut darauf die Infrastuktur für das Avionics-System“, erklärt Maier. Er verfolgt den Orion-Start von Wien aus, wäre zwar gerne dabei, aber für Nicht-Amerikaner gelten (zu) strenge Regelungen.
Ethernet im Raumschiff
In der Orion-Raumkapsel arbeiten mindestens 30 unterschiedliche Systeme, vom Navigations- über das Startablauf-, bis hin zum Raketensteuerungs- und Kommunikationssystem. Bei Letzterem spielt eine TTTech-Entwicklung eine entscheidende Rolle, die TTEthernet genannt wird. „Ein Kommunikationssystem an Bord einer Raumkapsel muss total ausfallssicher sein, unser System sorgt für diese sichere Echtzeitkommunikation.“
Beim TTEthernet ist die Kommunikation dreifach abgesichert. Da man von Fehlern ausgehen muss, sind solche Redundanzen integriert. Sollte ein System ausfallen, übernimmt eines der beiden anderen Systeme die Arbeit ohne Verzögerung. Alle drei Systeme laufen ständig parallel. „Wir nennen das aktives Standby“, erklärt Maier. Die Wahrscheinlichkeit, dass das gesamte System ausfällt, liegt bei 10 hoch minus 12, also bei 0,000000000001 Prozent. Das kann durchaus als absolut sicher bezeichnet werden. So hohe Sicherheiten gibt es übrigens auch in der Luftfahrt, wo etwa Flugzeugsteuerungen dreifach abgesichert sind.
Verbesserungen
Der Orion-Erstflug ist für TTTech ein spannendes Projekt, weil Erstflüge riesige Datensammelflüge sind, bei der die einzelnen Systeme genau gecheckt werden und die Zulieferfirmen über notwendige Verbesserungen oder Fehlfunktionen informiert werden. TTTech-Vorstand Georg Kopetz ist überzeugt, dass sich sein Unternehmen auch in der Raumfahrt etablieren und zu einem Technologieführer werden kann. Beim europäischen Ariane 6-Projekt will man ebenfalls die Kommunikationssysteme liefern.
„Ich erwarte aber nicht nur, dass wir uns in Europa etablieren, sondern wir wollen auch mit den „neuen“ Raumfahrt-Unternehmen wie SpaceX (Elon Musk), Virgin Galactic (Richard Branson) oder Blue Origin (Jeff Bezos) zusammenarbeiten.“ Österreich ist in der Raumfahrt zwar ein Nischenanbieter, aber durch Unternehmen wie etwa RUAG Space doch auch ein gefragter Partner von NASA und ESA.
Luftfahrt und Automobile
TTTech hat bereits langjährige Erfahrung in der Luftfahrt und arbeitet mit allen großen Flugzeug-Herstellern zusammen, von Boeing über Airbus bis hin zu Bombardier oder Embraer. Man ist mit Kommunikations-, Kabinendruck- und Flugsteuerungssystemen bei der Boeing 787, beim Airbus A380 oder auch bei Privatjets von Embraer vertreten. „Unser Slogan lautet Aerospace safety at automotive cost, also Luftfahrtsicherheit zu Automobilpreisen“, sagt Maier. In der Automobil-Branche ist TTTech mittlerweile nämlich ein gefragter Zulieferer. Gemeinsam mit Audi entwickelt man derzeit auch ein selbstfahrendes Auto.