Per Luftschiff und Sonnenenergie emissionsfrei über den Atlantik
"Sie hoben ab. Es fühlte sich merkwürdig an, nicht wie ein Flugzeug, nicht wie ein Hubschrauber. Merkwürdig, aber interessant", so beschreibt Mary Murphy, Hauptfigur des Science-Fiction-Romans "Das Ministerium für die Zukunft" ihre ersten Eindrücke in einem Solarluftschiff. Mit einer Außenhaut aus Photovoltaikzellen und Propellern mit Elektromotor fliegen die Zeppeline der Zukunft völlig emissionsfrei rund um den Globus, um ihren Passagier*innen "Naturkreuzfahrten" bei größtem Komfort und reinem Klimaschutzgewissen zu ermöglichen.
Vision zur Realität machen
Derzeit arbeiten mehrere Unternehmen daran, diese Vision einer klimafreundlichen Luftfahrt zur Realität zu machen. Sie planen Konstruktionen, die um ein Vielfaches größer als heutige Verkehrsflugzeuge sein und Passagier*innen sowie Fracht über große Distanzen transportieren sollen. Das kalifornische Unternehmen LTA Research ist eines davon. Es wurde 2015 von Google-Mitgründer Sergey Brin gegründet und arbeitet derzeit an der Konstruktion von "Pathfinder 3", einem 180 Meter langen, mit Helium gefüllten Luftschiff.
Ein anderes Unternehmen ist Hybrid Air Vehicles aus Großbritannien. Dessen Konstruktionen sehen aus wie 2 seitlich miteinander verwachsene Luftschiffe. Sie sollen künftig bis zu 50 Tonnen Fracht rein elektrisch über 7.000 Kilometer und mehr befördern. Ein weiterer großer Player ist die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH aus Deutschland, welche das Erbe des bekannten Grafen Ferdinand von Zeppelin, dem Begründer des Starrluftschiffbaus, weiterführt. Die 75 Meter langen Zeppelin NT Luftschiffe sind auf touristische Rundflüge spezialisiert und die momentan kommerziell erfolgreichsten Produkte ihrer Art.
Große Oberfläche bietet sich an
Die Idee, die riesigen Oberflächen von Luftschiffen mit Dünnschichtsolarzellen zu überziehen, liegt auf der Hand, sagt Christoph Pflaum von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Versuche mit kleineren Solarluftschiffen, die erzeugte Solarenergie direkt in Elektromotoren, aber auch Bordakkus einspeisen können, habe es in der Vergangenheit bereits gegeben. Die Weiterentwicklung von Luftschiffen ging jedoch seit 1937 kaum voran. Das Unglück des Luftschiffs Hindenburg, das bei einer Landung in New Jersey spektakulär in Flammen aufging, hat Luftschiffen langfristig ein schlechtes Image verpasst.
245 Meter lang, 3.200 kW stark
Angesichts der Klimakatastrophe und der treibstoff- und emissionsintensiven Luftfahrt werden Luftschiffe aber wieder interessanter. Solarluftschiffe wären laut Pflaum ein "echter Gamechanger". Mit einem Team hat der Computerwissenschaftler Simulationen von Transatlantikflügen für Fluggeräte durchgeführt, die ungefähr die Größe starrer Luftschiffe aus den 30er-Jahren aufweisen - neben der 245 Meter langen Hindenburg gab es auch andere fliegende Giganten: "Die USS Akron ist auf Kurzstrecken mit 200 Personen geflogen. Auf Langstrecken braucht man mehr Komfort, da könnte man rund 100 Passagiere mitnehmen."
Das simulierte Luftschiff würde eine Außenhülle mit Dünnschichtsolarzellen auf einer Fläche von über 13.000 Quadratmeter aufweisen. Alle Solarzellen zusammen kämen auf ein Gewicht von rund 7 Tonnen. Dank neuer Bauweisen und Materialien wäre das Luftschiff 108 Tonnen schwer und somit rund 10 Tonnen leichter als vor 100 Jahren. Das Luftschiff hätte 4 Rotoren mit 6,54 Meter Durchmesser und Motoren mit einer Gesamtleistung von 3.200 kW. An Bord wären auch Lithium-Ionen-Batterien mit einer Kapazität von 3.000 kWh und einem Gesamtgewicht von 10 Tonnen.
Atlantikquerung in 2 Tagen
Das Forscherteam hat optimale Routen über den Atlantik berechnet, die das Luftschiff nehmen sollte, um seine Energieerzeugungs- und Speicherkapazitäten bestmöglich nutzen zu können. Den Großteil des Jahres käme man von London in 2 Tagen und 2 Nächten nach New York. Umgekehrt geht es schneller: 2 Tage und eine Nacht reichen. Das Luftschiff würde unter Ausnutzung von Winden über 200 km/h schnell fliegen.
Im Winter müsste das Solarluftschiff weit in den Süden ausweichen, um genügend Sonnenenergie zu tanken, damit man mit Akkus über die Nacht käme. "In dieser Zeit würde man wohl Wasserstoff mitnehmen und diesen über Brennstoffzellen in Strom umwandeln", meint Pflaum. Wasserstoff hat eine größere Energiedichte als Batteriezellen. Ein derzeit noch ungelöstes Problem sei die Hitzeentwicklung durch die Solarzellen. Sie würde den Auftrieb des Luftschiffs erhöhen, wodurch Landungen erschwert werden.
Kaum Infrastruktur notwendig
Abgesehen von Landungen sei der Flug mit einem Solarluftschiff sehr gefahrlos, sagt Pflaum. Blitzschläge seien kein Problem. Sollte es zu Punktierungen des Auftriebskörpers kommen, würde das Luftschiff langsam absinken und nicht abstürzen. Das "Ground Handling" sei bei Luftschiffen schon eher riskant - siehe Hindenburg. Im Gegensatz zu Flugzeugen benötigt man aber keine Landebahn, nur eine große flache Ebene. Das könnte eine Wiese sein, aber auch eine Eisfläche. Mit Luftschiffen könnte man Transporte schwerer Frachten von und zu Orten durchführen, die mit Flugzeugen nicht erreichbar sind.
Abgesehen von einer Verankerung, mit der gelandete Luftschiffe am Bug befestigt werden, benötige man keine Infrastruktur für Luftschiffe, so Pflaum. Das mache sie auch ökonomisch interessant. Die einzigen Emissionen im Betrieb würden, je nach verwendetem Strommix, aus dem Aufladen der Batterien vor dem Abheben resultieren. Aber: "Das sind 1 bis maximal 5 Prozent der Menge an Kohlendioxid, die im konventionellen Luftverkehr anfällt."