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Ubisoft entschlüsselt Hieroglyphen mit Assassin's-Creed-Fans

Die Detailverliebtheit des Spiels "Assassin's Creed: Origins" hat im Jahr 2017 viel Lob beschert. Tatsächlich hatten die Vorarbeiten fünf Jahre gedauert, um die im Spiel gezeigten Hieroglyphen mit Hilfe von Historikern und Ägyptologen richtig hinzubekommen. Doch dabei sollte es nicht bleiben. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Google und nicht zuletzt den Fans der erfolgreichen Spielreihe entstand eine intelligente Suchmaschine, die Forschern beim Entschlüsseln von Hieroglyphen helfen soll.

Hohe Trefferquote

Vor einem Jahr wurde die "Hieroglyphics Initiative" erstmals offiziell präsentiert. Am Mittwoch gaben Ubisoft, Google und die Entwicklerfirma Psycle auf der Google Cloud Next '18 in London nun weitere Einblicke in das Projekt. Die Plattform ist durch maschinelle Lernprozesse mittlerweile so weit entwickelt, dass sie 800 Referenz-Hieroglyphen mit einer knapp 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit richtig klassifiziert, wenn sie mit Bildern von Inschriften gefüttert wird.

"Beim maschinellen Lernen sind enorme Datenmengen notwendig. Damit die Erkennung zuverlässig funktioniert und das System trainiert werden kann, waren etwa 100 Bilder pro Hieroglyphe notwendig, die das Schriftzeichen in ähnlicher Form abbilden", erklärt Alex Fry von Psycle. "Um die bekannten 800 mittelägyptischen Hieroglyphen im System zu etablieren, waren folglich 80.000 Bilder notwendig - eine Summe, die zunächst unerreichbar schien."

Fans helfen über Nacht aus

An diesem Punkt griff Ubisoft auf Fans der Spielreihe zurück. Sie wurden aufgefordert Hieroglyphen direkt im Browser nach einer Schablone nachzuzeichnen. Die dadurch entstehenden Abweichungen - etwa auch im gewählten virtuellen Pinselstrich - sollten dem System artifiziell geschaffenes Datenmaterial geben, damit die maschinelle Erkennung trainiert werden konnte.

"Es war faszinierend. Sofort nach dem Aufruf, praktisch über Nacht hatten wir die 80.000 Bilder zusammen", sagt der Ubisoft-Verantwortliche Pierre Miazga im Gespräch mit der futurezone. Nach einigen Anpassungen des Modells sowie der Anwendung von Googles automatisierten Machine-Learning-Technologien konnte das System so stark verbessert werden, dass es einigen Wissenschaftlern bereits als Werkzeug beim Erfassen und Übersetzung von Hieroglyphen dient.

Offene Plattform

Über die Plattform, die als Open-Source-Initiative konzipiert ist, soll der größte digitale Katalog von Hieroglyphen entstehen. Faksimile von Inschriften können einfach über den Browser hochgeladen werden. Mittels Bilderkennungstechnologien werden die darauf zu sehenden Hieroglyphen automatisch isoliert und grafisch hervorgehoben. Mit wenigen Handgriffen kann das erfasste Schriftzeichen verfeinert und somit digital dokumentiert werden.

"Der äußerst mühselige Prozess, Hieroglyphen zu übersetzen, ist eigentlich seit 200 Jahren unverändert. Die Initiative wird das Katalogisieren und Vergleichen  entscheidend vereinfachen und den Austausch zwischen Wissenschaftlern fördern", ist auch Perrine Poiron überzeugt, die als Ägyptologin bei Assassin's Creed für die richtige Einbindung von Hieroglyphen in das Spiel verantwortlich war.

"Das Feedback von Wissenschaftlern ist bisher ausschließlich positiv. Und je mehr die Plattform genutzt wird, desto besser und zuverlässiger wird sie durch das maschinelle Lernen", sagt Miazga zur futurezone. Neben der richtigen Erkennung und Klassifizierung der Schriftzeichen orten die Projektverantwortlichen derzeit vor allem noch bei der kontextabhängigen Übersetzung Optimierungsbedarf.
 

Disclaimer: Die Reisekosten zur Google Cloud Next '18 wurden von Google übernommen.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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