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Ein Wasserstoffkraftwerk für den eigenen Garten

Über die Verwendung von Wasserstoff als Speichermedium für Strom im großen Stil wird schon länger diskutiert. Das leichte Gas könnte die Produktionsschwankungen von Solar-, Wind-, Wasserkraft und anderen erneuerbaren Energiequellen ausgleichen und somit zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern beitragen. Was im Großen möglich ist, soll aber auch im Kleinen funktionieren - etwa mit einem Wasserstoffkraftwerk für den eigenen Garten.

Zwischenspeicher für überschüssigen Strom

An dieser Idee forschen Wissenschaftler*innen des Fraunhofer Instituts für Angewandte Polymerforschung (IAP) und der Technik-Universität BTU Cottbus gemeinsam mit einem Industriepartner. Sie wollen ein kleines Windrad kreieren, das Strom erzeugt. Was nicht sofort verbraucht wird, wird verwendet, um Wasser mittels Elektrolyseur in Wasserstoff umzuwandeln (siehe Grafik weiter unten). Bei Bedarf wird der in speziellen Drucktanks gespeicherte Wasserstoff in eine Brennstoffzelle geleitet, die daraus Strom und Wärme gewinnt. Somit lassen sich nicht nur Haushaltsgeräte betreiben, auch die Heizung wird unterstützt.

Marcello Ambrosio mit einem leichten, biegbaren Rotorblatt, dessen Faserstreifen von einem Roboter gelegt werden

Biegbare Rotorblätter für jede Windstärke

Die Idee in die Praxis umzusetzen, sei eine technische Herausforderung, erklärt Marcello Ambrosio vom IAP: "Klassische Windkraftanlagen sind groß dimensioniert. Kleinere sind bisher vom Wirkungsgrad her nicht so optimal." Die Forscher*innen haben sich deshalb zunächst mit der Entwicklung eines kompakten Windrads beschäftigt. "Was wir vorhaben, ist ein klappbares Windrad, das man ohne Zuhilfenahme von Geräten aufstellen kann, etwa mit einem Flaschenzug."

Das Windrad soll spezielle Rotorblätter besitzen, die sich mit steigender Windstärke verdrehen können. "Dadurch ersparen wir uns teure Stellmechanik in der Rotornabe", meint Ambrosio. Ein neuer Materialmix aus Kohle- und Glasfasern mache das Windrad außerdem besonders leicht, wodurch es sich schon bei Windgeschwindigkeiten von nur 2 Meter pro Sekunde (7,2 km/h) dreht. Für die Herstellung der in mehreren Lagen aufgebauten Rotorblätter sollen künftig zudem Roboter verwendet werden. Das soll den Verschnitt minimieren und die Umwelt schonen.

Leichte Drucktanks mit eingebauten Sensoren

Neben dem Windrad soll für das kleine Wasserstoffkraftwerk lediglich eine Art Gartenhäuschen notwendig sein. Darin verstauen kann man den etwa Rasenmäher-großen Elektrolyseur, die Brennstoffzelle und Wasserstofftanks. Deren Konstruktion ist eine weitere Herausforderung, an der die Forscher  tüfteln. Wasserstoff trete mit der Zeit aus Tanks aus, erklärt Ambrosio das Problem der so genannten Permeation. Wasserstoff sei als das kleinste chemische Element äußerst flüchtig und durchdringe mit der Zeit selbst dichteste Membranen.

Aktuell entwickeln die Forscher*innen besonders leichte Gasflaschen aus Carbonfaser, die 500 bis 700 bar Druck aushalten. In ihre Wände integriert sind 3D-gedruckte Sensoren, die kleinste Risse, Schläge und andere Strukturveränderungen sofort registrieren. Damit soll Wasserstoff sicher über mehrere Monate gespeichert werden können.

Genug Strom für 4 Personen

Mit dem Windrad soll eine Leistung von 3 bis 3,5 Kilowatt erzeugt werden. Das sollte für eine vierköpfige Familie reichen, meint Ambrosio. Im Sinne eines Smart Home sollen Kraftwerk und Haushaltsgeräte im besten Fall miteinander kommunizieren, um Energieangebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen. Eine Kombination mit anderen Energiequellen sei absolut möglich, etwa mit Photovoltaikanlagen. Im Vergleich mit Batteriespeichern biete der Wasserstoff gewisse Vorteile: Die Lebensdauer des Systems sei länger und es werden weniger seltene Rohstoffe verwendet.

Ziel sei es, die dezentrale Energieversorgung von Haushalten oder Kleinunternehmen zu ermöglichen, meint Ambrosio. Das Stromnetz solle durch kleine Wasserstoffkraftwerke entlastet werden, auch die Gründung von lokalen Energiegemeinschaften sei damit möglich. Im Laufe des nächsten Jahres wird eine erste Pilotanlage errichtet. Bis 2023 soll ein marktfähiges Produkt entstehen. Die Kosten dafür sollen möglichst gering bleiben: "Die Anlage muss für Privatpersonen schon bezahlbar sein. Sie soll sich in einer ähnlichen Zeit wie eine Photovoltaikanlage amortisieren."

So wird aus Wind Wasserstoff und aus Wasserstoff wieder Strom für den Heimgebrauch

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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