Boombranchen für Start-ups: Blockchain und Landwirtschaft
Heinrich Gröller und Nikolaus Futter sind mit ihren Familienunternehmen fest in der Old Economy verankert. Als Business Angel sind sie dennoch sehr umtriebig. Futter setzte mit dem Compass Verlag, der vor kurzem sein 150 jähriges Bestehen feierte, schon sehr früh auf die Digitalisierung. Auch Investments in Start-ups wurden bereits Ende der 1990er Jahre getätigt. Bis das Platzen der Dotcom-Blase seine Spuren hinterließ. "Es war eine wilde Zeit", erinnert sich der Investor.
Später war er unter anderem mit einer Beteiligung bei der Personensuchmaschine 123people erfolgreich, die 2010 für kolportierte 15 Millionen Euro an den französischen Telefonbuchverlag PagesJaunes verkauft wurde. "Wir haben am Exit schön partizipiert und sind dann in das Thema Start-ups hineingewachsen", erzählt Futter.
Gröller, der in der Immobilienbranche beheimatet ist, investiert mit der familieneigenen Allinvest seit 2014 in Start-ups. "Es geht auch darum, das Familienunternehmen für die nächste Generation attraktiv zu gestalten", sagt der Business Angel. Die futurezone hat mit den beiden Investoren, die auch der Austrian Angel Investors Association angehören, über Boombranchen und Kriterien für Investments gesprochen.
futurezone: Welche Branchen bieten in
Österreich gute Voraussetzungen für Start-ups?
Nikolaus Futter: Ich sehe Chancen für Österreich in der digitalen Welt überall dort, wo wir auch in der realen Welt einigermaßen verankert sind. Weil wir einfach das Verständnis dafür haben. Im maritimen Bereich werden wir sicher nicht die Riesen-Start-ups hervorbringen.
Sondern?
Futter: Österreich ist sehr stark im Automotive-Bereich, aber auch in der Landwirtschaft. Das ist weitgehend unbekannt, aber die Landwirtschaft war eine der ersten digitalisierten Branchen in Österreich. Meldepflichten werden dort schon seit 15 Jahren digital abgewickelt. Spannend ist aber auch alles was komplett neue Technologien betrifft, etwa die
Blockchain. Die Kryptowährung
Bitcoin ist nur ein Anwendungsfall, andere schießen aus dem Boden. Es kommt darauf an, was man daraus macht. Wir sind auch in anderen stark wachsenden Technologien, etwa maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz in der akademischen Ausbildung in Österreich sehr gut aufgestellt.
Heinrich Gröller: Man kann viele Branchen nennen. Wir werden in der Bankenlandschaft massive Umbrüche sehen und auch in der Medizintechnik. Es gibt mehr als eine Handvoll klassische Biotech-Start-ups in Österreich, die gut funktionieren, weil wir auch eine relativ gute medizinische Forschung durch das AKH haben. Der Umbruch hat gerade erste begonnen.
Welche Möglichkeiten sehen Sie in Branchen, in denen Sie aktiv sind?
Gröller: Im Immobilienbereich tut sich gerade sehr viel, die klassischen Dienstleister, Makler und Hausverwaltungen, werden de facto gerade digitalisiert. Es gibt eine Unzahl an Start-ups, von denen viele auch wieder verschwinden werden. Auch bei der Digitalisierung der Baustelle kann man noch sehr viel tun. Vom Bedarf und den Optimierungsmöglichkeiten ist da sehr viel drinnen.
Welche Kriterien legen Sie an Start-ups an, in die Sie investieren?
Gröller:Der wichtigste Punkt - und das ist mittlerweile fast ein Sterotyp - sind die handelnden Personen. Man muss ihnen zutrauen, dass sie auch unternehmerisch agieren können. Es gibt eine interessante ältere Studie, die besagt, dass 70 Prozent der erfolgreich verkauften Unternehmen mit einem anderen Geschäftsmodell erfolgreich waren, als jenem, mit dem sie gegründet wurden. Die Guten haben erkannt, dass das, was sie machen, nicht funktioniert und haben rechtzeitig ein neues Modell entwickelt. Diejenigen, die diese Flexibilität nicht haben, sterben.
Futter: Das kann ich nur unterstreichen. Ich habe auch schon Leute überschätzt. Generell gilt bei mir, dass ich verstehen muss, was das jeweilige Start-up macht. Es gibt genug Sachen, wo ich aussteige, bevor ich eingestiegen bin.
Welche Rolle spielt die Branche für Sie?
Futter: Überall dort, wo Informationen Teil einer Infrastruktur werden, fühle ich mich sehr wohl, ich nenne das die informationelle Infrastruktur. Das ist auch unser Geschäft bei
Compass. Firmeninformationen sind Teil einer Informationslandschaft, die für Banken, Versicherungen oder Beratungsunternehmen unabdingbar ist.
Gröller: Auch bei uns ist der Ausgangspunkt, ein besonderes Verständnis für die Branche zu haben. Ich brauche das nötige Netzwerk, um die Start-ups auch unterstützen zu können. Ich glaube auch, dass in der Angel-Landschaft eine Professionalisierung stattfinden wird und dass wir selber gegenüber den Start-ups eine Marke aufbauen müssen. Da macht es auch Sinn, sich auf gewisse Branchen zu spezialisieren, damit man zusätzlich zum Finanzinvestment einen entsprechenden Mehrwert liefern kann.
Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Forschung in Österreich?
Futter: Es gibt sicherlich noch Defizite, aber es gibt auch sehr gute Initiativen. Fast alle Universitäten haben eigene Bereiche und Abteilungen, die sich darum kümmern, ihr Know-how zu verwerten und in den Markt zu bringen. Wir haben auch eine gute Frühphasenförderlandschaft, gerade was Forschungsorientierung betrifft. Es happert ein bisschen daran, dass wir bei den Akademikern, die aus der Hardcore-Forschung kommen, ganz wenig wirtschaftliche Kompetenz finden.
Gröller: Die Techniker haben oft das Problem, dass sie zu sehr an ihre Produkte und zu wenig an ihre Kunden denken. Am Ende muss ich das Produkt am Markt unterbringen können. Wir müssen es schaffen, die Techniker, die auf der Produktebene interessante Ideen und Projekte haben, relativ früh mit den richtigen Leuten von der betriebswirtschaftlichen Seite zu vernetzen.
Österreich hinkt als Start-up-Standort im internationalen Vergleich hinterher. Warum?
Futter: Wir sind ein sehr kleines Land und ein kleiner Standort. Wir reden über Mickey-Mouse-Dimensionen. Grundsätzlich denke ich, dass wir für das, was wir machen können, nicht schlecht aufgestellt sind. Aber es ist völlig logisch, dass Berlin mit einem 100-Millionen-Einwohner-Land und London mit einer viel größeren Finanzkraft dahinter, stärkere Standorte sind.
Gröller: Vor allem im Early-Stage-Bereich ist die Förderlandschaft sehr gut, das ist eine klare Differenzierung. Ich kenne auch Gründer, die deshalb nach Österreich gekommen sind. Es ist aber traurig, dass wir es nicht schaffen, diese Start-ups in Österreich zu halten, weil wir in der Anschlussfinanzierung eine Schwäche haben. Man kann streiten, ob es mehr österreichisches Geld geben sollte. Aber die Frage ist auch, wie man internationale Fonds dazu bewegen kann, ein Büro in Österreich aufzumachen, weil hier gute Start-ups sind.
Warum gibt es nicht genügend österreichisches Geld?
Gröller: Das ist ein Mentalitätsthema. Der Österreicher ist ein Sparbuchhalter und kein Aktienkäufer. Das wirkt sich auch auf Start-ups aus. Es ist auch ein bisschen ein Problem des österreichischen Stiftungsrechts, dass konservative Investments begünstigt. Es gibt sicher den einen oder anderen Hebel, mit dem man Teile dieser Gelder aktivieren könnte. Das wäre für die Start-up-Landschaft sehr viel. Natürlich sind auch steuerliche Erleichterungen ein Thema. Ich bin ein Fan davon, tendenziell weniger direkt zu fördern und es stattdessen Investoren leichter zu machen, Geld auf den Tisch zu legen, da kann mit dem gleichen Aufwand mehr erreicht werden.
Futter: Steuerlich wäre einiges möglich. Etwa wenn man Verluste, wir reden hier von Hochrisikoinvestitionen, gegen Exit-Erträge gegenrechnen könnte.
Welche Anreize braucht es noch?
Gröller: Ein weiteres wichtiges Thema ist der Bürokratieabbau. Gründungen und die ganze Bürokratie um die ersten Jahre eines Start-ups herum, sollten einfacher gestaltet werden. Etwa wenn man es Start-ups ermöglichen würde, drei Jahre ohne Gewerbeanmeldung zu agieren. Dass ein Freiraum generiert wird, um am Anfang Dinge ausprobieren zu können.
Futter: Ein großer Wunsch ist die kleine AG, die eine erheblich einfachere Gestaltung der Gesellschaftsanteile ermöglichen würde. Es würde dem Standort guttun, wenn wir ein solches flexibles Vehikel hätten.