Start-up bietet digitales Tool für Nachhilfe und Berufswahl
Der Bedarf an Nachhilfe ist in Österreich groß. Laut dem AK Nachhilfebarometer 2019 benötigt ein Drittel der Kinder Nachhilfe – mehr als 100 Millionen Euro gehen an bezahlte Angebote. Insgesamt 327.000 Kinder brauchen heuer privaten Ergänzungsunterricht, wobei ihr Anteil seit dem vergangenen Jahr auf 33 Prozent gestiegen ist. Laut der Arbeiterkammer stellt das einen Rekord seit der Nachhilfe-Erhebung dar. So brauchten im Jahr 2010 vergleichsweise nur 26 Prozent der Schulkinder private Nachhilfe.
Die Suche nach dem richtigen Angebot ist seitdem aber einfacher geworden und findet zunehmend online statt. Unter anderem stellt das heimische Start-up talentify die Plattform talentify.me zur Verfügung und unterstützt Schüler nicht nur beim Lernen, sondern auch bei der Berufsorientierung und -wahl. Lehrer sind in diesem Fall aber die Schüler selbst: Laut Bernhard Hofer, Gründer und Geschäftsführer von talentify, ist das sogenannte „Peerlernen“ eine der ursprünglichsten Formen des Lernens und schon seit Jahrtausenden im Einsatz. „Wir sehen uns als Werkzeug, diese sinnvolle Form des Lernens wieder mehr an Schulen und vor allem Jugendlichen näher zu bringen", sagt er.
Nutzer unterschiedlichen Alters
Genutzt wird die Plattform von Schülern ab neun Jahren, aber auch von Maturanten und älteren Personen. „Schüler unter 14 dürfen das Angebot nur mit Einverständnis der Eltern nutzen – für sie gibt es einen Eltern-Account“, sagt Hofer. Ab 14 dürfen Schüler Lernhilfe anbieten, Eltern dürfen das nicht. Die Nutzer können sich alters- und schulübergreifend miteinander verbinden und lernen. „Wenn ein 10-jähriges Mädchen beispielsweise mit einem 15-jährigen Mädchen lernt, dann hat das vielmehr einen schwesterlichen Charakter und die Lernsituation ist viel entspannter“, sagt Hofer. Oft helfe diese Verbindung auch bei einem Umstieg in die gleiche Schule des Lernpartners.
Auf der Plattform wird anhand von Punkten und eines Aktivitätsindikators ersichtlich, wie rege Schüler Lernhilfe geben. Sie können auch bewertet werden. Und: „Schüler bekommen von uns in Zusammenarbeit mit Partnerschulen auch einen zweistündigen Pädagogikkurs, der freiwillig besucht werden kann und dementsprechend mit einem Badge gekennzeichnet wird“, sagt Hofer. Über 40.000 Nutzer sind auf dem Portal registriert – pro Monat sind derzeit um die 10.000 aktiv. Zusätzlich kooperieren mehr als 500 Partnerschulen mit talentify.
Automatisierter Match
Die Plattform wird parallel zur Schul- oder Berufswahlentscheidung sowie zur Orientierung hinsichtlich eines Lehrberufes herangezogen. Dafür stellt talentify Fragenblöcke aus zehn Fragen zusammen, in denen Interessen, Werte und Talente zur Selbstevaluierung abgefragt werden. Diese Daten werden gemeinsam mit bestehenden Informationen über Lernhilfe oder Schulwahlentscheidungen in ein Stärkenprofil zusammengefasst. „Das ist die Schnittstelle zu Unternehmen“, sagt Hofer. Schüler können sich über bestimmte Lehrberufe informieren und mit Berufsschülern, Lehrlingen sowie Unternehmen in Kontakt treten.
Über talentify.works können sich Unternehmen demnach als Arbeitgeber präsentieren „Sie können auch angeben, ob der Bereich, in dem sie KFZ-Mechatroniker suchen, beispielsweise eine Hightech-Werkstätte ist oder eine ölverschmierte Schraubenzieher-Welt“, erklärt Hofer. Diese Unternehmensprofile können mit den jeweiligen Berufsbildern verknüpft werden. Auf Basis der Stärken- und der Unternehmensprofile werden Betriebe und Schüler per Algorithmus und Deep Learning automatisiert gematcht. „Aber nur, wenn die Jugendlichen zustimmen, dass sie aktiv gefunden werden wollen“, so Hofer. talentify will damit den Informationsoverflow eingrenzen. „Junge Leute kennen sieben Lehrberufe, aber es gibt über 230 davon – und die sind sich teilweise sehr ähnlich“, sagt er.
Auch Weiterbildungstool angeboten
Das Angebot soll künftig mit einem digitalen Weiterbildungstool erweitert werden: die talentify.academy. Sie basiert auf der Wiener Lern-Applikation ovos Play und kann spielerisch angewandt werden. „Wenn ein Jugendlicher einen Traumberuf hat, beispielsweise Pilot, kann er sich ein Stärkenprofil anlegen. Mit dem Tool erfährt er, welche Fähigkeiten ein Pilot haben muss“, sagt Hofer. Fehlt beispielsweise das nötige technische Verständnis, wird ihm gezielt ein Kurs angeboten. Auch Softskills oder digitale Kompetenzen können so trainiert werden.
"Es ist der in unseren Augen einzige nachhaltige Bildungs- beziehungsweise Berufsorientierungsweg, um junge Menschen über einen längeren Zeitraum zu begleiten, einen digitalen Ort zum Sammeln ihrer Stärken und Fähigkeiten zu bieten und im Anschluss Möglichkeiten nach der Schule aufzuzeigen. Alle profitieren", sagt Bernhard Hofer.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer redaktionellen Kooperation zwischen futurezone und aws.