Der Batteriespeicher "Guardian Angel" von Kite Rise ist so sicher, dass er im Wohnraum stehen kann.
Guardian Angel: Der Natrium-Stromspeicher aus der Steiermark
Wenn die Solaranlage am Dach nachmittags Strom erzeugt, muss dieser irgendwo aufbewahrt werden. Viele verwenden dafür einen Heimspeicher. Mit dem Strom kann man am Abend das E-Auto aufladen oder diesen längerfristig zur Blackout-Vorsorge speichern.
Das Start-up Kite Rise aus Graz stellte kürzlich einen All-in-One-Energiespeicher vor, der nicht auf Lithium, sondern Natrium basiert, das sich u. a. aus Kochsalz herstellen lässt. In den Batteriezellen befindet sich statt einem Lithium-Ionen-Elektrolyten einer mit Natrium-Ionen. „Chemisch funktionieren sie ähnlich wie Lithium-Batterien“, sagt Harald Autischer, CEO und Mitgründer von Kite Rise. Man könne die Batterien sogar in denselben Anlagen produzieren und müsse nur einen anderen Elektrolyten einfüllen.
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Obwohl sich Lithium in den vergangenen 20 Jahren als Batterien-Standard etabliert hat, brauche es Alternativen. „Natrium gilt als besser für die Umwelt, sozialverträglicher und ist gleichzeitig verfügbarer“, meint Autischer. Letzteres habe vor allem hinsichtlich der europäischen Unabhängigkeit wachsende Bedeutung (siehe unten: "Lithium macht Europa abhängig"). „Außerdem sind sie deutlich langlebiger und man kann sie bis zu 3-mal so lange nutzen wie Lithium-Ionen-Batterien“, meint Autischer. Gerade in unseren Breitengraden sei auch die höhere Robustheit bei Temperaturschwankungen ein Argument für Natriumbatterien.
Die futurezone sprach mit Harald Autischer (links) und Florian Kogler (rechts) von Kite Rise über die Entwicklung ihres Natrium-Ionen-Heimspeichers Guardian Ange“.
© Kite Rise Technologies
Natrium-Ionen-Batterien im Überblick
Wie bei einer Lithium-Ionen-Batterie befindet sich ein flüssiger Elektrolyt mit geladenen Teilchen (Ionen) zwischen Anode und Kathode. Durch eine chemische Reaktion entsteht Strom. Statt Lithium-Ionen kommen jedoch Natrium-Ionen zum Einsatz.
Vorteile:
- Bessere Verfügbarkeit
- Höhere Widerstandsfähigkeit
- Geringere Brandgefahr
- Nachhaltigeres Recycling
Nachteile:
- Hohe Entwicklungskosten
- Geringere Energiedichte pro kg
Fokus auf Sicherheit: Brandschutz und Blackout
Den für einen Heimspeicher etwas seltsamen Namen Guardian Angel (Schutzengel) erklärt Kite-Rise-Chef Autischer so: „Wir wollten komplett kompromisslos sein, wenn es um die Sicherheit geht.“ Obwohl Natrium-Ionen-Batterien allgemein eine geringere Brand- und Explosionsgefahr aufweisen, habe Kite Rise zusätzliche Sicherheitsmechanismen eingebaut, auf die große Batteriekonzerne oft verzichten würden. Wegen einer statistisch geringen Wahrscheinlichkeit eines Defekts würden diese meist eingespart.
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Ein Schutzengel könne der Akku auch angesichts der geopolitischen Bedrohungslage sein, gibt Autischer zu bedenken: „Mit 15 Kilowattstunden kann Guardian Angel ein Durchschnittshaus etwa 2 Tage versorgen, wenn keine Sonne scheint. Damit überbrückt man so gut wie jeden Stromausfall.“
Durchdachtes Gestaltungskonzept
Während gewöhnliche Heimspeicher oft ein verstecktes Dasein in der Garage oder im Keller fristen, soll der Heimspeicher von Kite Rise einen zentralen Platz im Haushalt einnehmen – „als Stilelement oder etwas, das man sich ins Haus oder die Lobby stellen würde“, meint der Geschäftsführer. Das klingt, als ob sie von Apple inspiriert wurden. „Wir würden uns nicht in allen Bereichen mit Apple vergleichen wollen, in manchen aber schon – etwa beim Innovationsgrad und Designanspruch“, meint Autischer: „Die Lieferketten wollen wir aber anders aufbauen.“
In der Variante "Styrian Oak" könnte man den Batteriespeicher mit einem Holzschrank verwechseln.
© Kite Rise Technologies
Teurer als die Konkurrenz aus China
Die erste Produktionsserie soll 2026 starten. Ausgeliefert werden die Geräte dann ab Frühjahr. 19.500 Euro kostet ein Heimspeicher inklusive Lieferung und Service-Paket. Dass gewöhnliche Lithium-Heimspeicher um einiges weniger kosten, wissen sie – man biete dafür höhere Qualität und Sicherheit, bei längerer Nutzungsdauer.
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Kite Rise garantiert Käufern 10.000 Ladezyklen bzw. 10 Jahre Betrieb. Danach liege die Leistung immer noch bei 80 Prozent. Bei Lithium-Geräten liege das Maximum hingegen oft nur bei 6.000 Ladezyklen. Außerdem seien Lithium-Geräte sensibler für Temperaturschwankungen und würden deshalb häufiger bereits früher an Leistung einbüßen. Angesichts der längeren Nutzungsdauer relativiere sich der Preis, sagt Autischer.
Grundlagenforschung wurde zu Start-up
Kite Rise ging 2021 aus einem Forschungsprojekt hervor. 3 der 4 Gründer waren zuvor als Experten in der Batterieentwicklung bei Großkonzernen wie Samsung tätig, der etwa ein Batterieforschungszentrum in Graz betreibt. Noch während sie in ihren Konzern-Jobs arbeiteten, entwickelten sie im Rahmen des Bridge-Programms der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG die wissenschaftliche Basis für ihren Salzakku.
Noch immer beteiligt sich Kite Rise an mehreren FFG-Forschungsprojekten, bei denen es um Verbesserung von Batterietechnologien geht. „Beim Projekt Helios machen wir etwa zusammen mit der Uni Innsbruck Grundlagenforschung zur Zellchemie“, meint Vertriebschef Florian Kogler. „Wir verstehen uns als Batterieentwickler, aber auch als Kompetenzzentrum für die neue Technologie“, sagt Autischer.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Lithium macht Europa abhängig
Beim wirtschaftspolitischen Konflikt zwischen China und den USA hört man häufig von verhängten Exportbeschränkungen für Computerchips. Auch Rohstoffe sind ein Thema: 90 Prozent der verarbeiteten seltenen Erden kommen derzeit aus China. Die dortige Regierung setzte sie bereits mehrfach als politisches Druckmittel ein.
Ruhiger ist es um Batterien. „Acht der derzeit zehn größten Batteriehersteller kommen aus China“, gibt Harald Autischer, CEO des Batterien-Start-ups Kite Rise, zu bedenken. Eine Analyse des deutschen Forschungszentrums Fraunhofer FFB und der Uni Münster ergab kürzlich außerdem, dass das Land fast die gesamte Wertschöpfungskette für Lithium kontrolliert. Mit 98 Prozent der Lithium-Eisenphosphat-Aktivmaterialien – der Schlüsselzutat für Batteriechemie – kontrolliert China den Markt.
Europa ist deshalb stark von China abhängig. 74 Prozent des Lithium-Vorkommens liegen derzeit in Australien und Chile. Kontrolliert wird die dortige Produktion jedoch zu 29 Prozent von chinesischen und zu 26 Prozent von US-Unternehmen. Europa hat dort kaum etwas zu sagen.
Eine eigene Produktion gibt es in Europa noch nicht und man ist derzeit komplett auf Importe angewiesen. Erst jetzt beginnt allmählich die Erschließung eigener Vorkommen. Eines der vielversprechendsten Lithium-Vorkommen befindet sich auf der Kärntner Koralpe, wo 12 Millionen Tonnen Lithium-Gestein nachgewiesen wurden. Die anderen großen Vorkommen sind in Tschechien und Serbien. In Letzteren sollte die Produktion schon starten – allerdings sorgten dort Bürgerproteste für einen vorübergehenden Stopp.
Fest steht: Europa ist in einer brenzligen Abhängigkeit. Deshalb ist die Suche nach Alternativen, wie Natrium-Ionen-Batterien, auch politisch relevant. Natrium ist im Gegensatz zu Lithium leichter verfügbar. Natriumchlorid, also Salz, ist eines der häufigsten Elemente in der Erdkruste und wäre auch in Europa in großer Menge verfügbar.
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