Start-ups

Wie aus Sonnenlicht und Luft Fische entstehen

Seit vergangenem November leben laut UNO 8 Milliarden Menschen auf der Erde. Sie alle zu ernähren, wird zunehmend zu einer Herausforderung, erschwert durch die Effekte der Klimakrise. Ein großer Teil der Nahrung kommt in vielen Ländern aus dem Wasser. Wegen Überfischung können die Fangquoten jedoch nicht weiter erhöht werden, weshalb Aquakulturen in den vergangenen Jahren einen enormen Anstieg erlebt haben.

Darin werden Fische, Schalentiere und genießbare Wasserpflanzen gezüchtet. Aquakulturen sind jedoch selbst mit vielen Problemen konfrontiert, etwa einem Anstieg von Krankheiten und Parasiten. Um sie zu bekämpfen, werden massenhaft Pestizide und Antibiotika eingesetzt. Kombiniert mit der Menge an Ausscheidungen von Zuchttieren führen "Fischfarmen" in Küstennähe oft zur Zerstörung natürlicher Lebensräume.

Geschlossener Kreislauf

Aquakulturen gibt es jedoch auch an Land, wo sie potenziell weniger Unheil anrichten können. Ein Start-up aus Österreich hat sogar einen Plan, wie man Fische in einem komplett geschlossenen Ökosystem auf nachhaltige Weise züchten kann. Blue Planet Ecosystems will in Schiffscontainern einen dreiteiligen Kreislauf aus Algen, Plankton und Fischen kreieren und alleine mit Sonnenlicht eine ertragreiche Nahrungsmittelproduktion aufbauen.

"So wie Photovoltaikanlagen Sonnenlicht in Strom umwanden, haben wir uns überlegt, ob man biologische Maschinen bauen könnte, die Sonnenlicht in Biomasse umwandeln, in Proteine und Fettsäuren, in Lebensmittel", erklärt Paul Schmitzberger, der Blue Planet Ecosystems gemeinsam mit seinem Bruder Georg gegründet hat. "Wir haben begonnen, Algenproduktionssysteme zu entwickeln. Aber wenn man pflanzliches in tierisches Protein umwandeln kann, dann ist das hochwertiger. So ist das Zooplankton dazugekommen." Winzig kleine, Algen fressende Krebse dienen als Nahrung für Fische. Die Ausscheidungen der Fische werden wiederum von den Algen verwertet. Außerdem benötigen die Algen Kohlendioxid, das in der Umgebungsluft reichlich vorhanden ist, und viel Sonnenlicht.

"Ein sehr moderner Karpfenteich"

Mit der Idee wandten sich die Brüder zunächst an ein Start-up-Entwicklungszentrum in San Francisco, wo 2019 dann auch der Startschuss für das Projekt fiel. "Durch die Laborphase sind wir relativ schnell gegangen und sind jetzt dabei, industrielle Prototypen zu bauen." In Wien wird derzeit am ersten Produkt namens LARA gearbeitet. Die Abkürzung steht für landbasierte automatische rezirkulierende Aquakultur.

Das Funktionsprinzip von LARA ist nicht neu. "Wir bedienen uns hier der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Natur und lassen diesen komplett natürlichen Prozess in unseren modularen Einheiten laufen", sagt Schmitzberger. "Wir machen nichts anderes als einen modernen Karpfenteich. Einen sehr modernen!"

Modulare Anlage mit KI

Algen, Plankton und Fische werden in drei separaten Containern gezüchtet. Das Fischmodul wurde als erstes entwickelt, es kann auch ohne die beiden anderen Module betrieben werden. "Die Nahrung für die Fische kommt dann von uns. Wir schauen drauf, dass die nachhaltig und lokal produziert wird." Noch nachhaltiger wird es freilich, wenn der gesamte Kreislauf zum Einsatz kommt.

Im geschlossenen Ökosystem können bestimmte Umweltbedingungen präzise reguliert werden, wodurch die Fische schneller wachsen. "In der Natur wachsen die Tiere nur zu den Zeiten im Jahr, wo die Temperatur in einem Optimalbereich ist. In unserem System ist das immer so." Den Umgang mit LARA will Blue Planet Ecosystems seinen Kunden möglichst einfach machen. "Wir setzen ganz auf Daten, Bilderkennung und künstliche Intelligenz, um die Komplexität überschaubar zu halten." Mit Kameras und Bilderkennung im Fischtank werden etwa einzelne Tiere identifiziert und abgemessen. Mit Pestiziden und Medikamenten kommen die Tiere nie in Berührung. "Das ist paradox, aber wir bilden einen extrem natürlichen Prozess ab, nur in einer künstlichen Umgebung."

Begleitende Forschung

Ein Fischcontainer soll im Jahr rund zwei Tonnen Fischeinheiten abwerfen. "Das ist aber stark abhängig davon, welche Fischart man verwendet, wo der Container aufgestellt ist und was das Ziel des Kunden ist." Das Start-up beschäftige laut Schmitzberger ein ganzes Forschungsteam, um Fragen wie geografische Unterschiede zu klären. "In Österreich scheint ja weniger Sonne als beispielsweise in Ägypten."

Erforscht soll auch werden, wie sich bestimmte Bedingungen auf das Tierwohl auswirken. Dass es nicht zu negativen körperlichen Entwicklungen wie in Mastbetrieben am Land kommt, ist Schmitzberger wichtig. "Wir wählen auch nur Fische aus, die sich in Gruppen wohlfühlen." In anderen Aquakulturen werden beispielsweise Lachse gezüchtet, die die meiste Zeit ihres Lebens solitär leben und nun in riesiger Zahl in einem mit Netzen abgegrenzten Raum leben sollen.

Nachhaltig und leistbar

Das Interesse an LARA sei jedenfalls sehr groß, berichtet Schmitzberger. 2023 werden erste Module an Testkunden ausgeliefert. Zum genauen Preis der Produkte gebe es noch Verhandlungen. "Aber es soll schon so sein, dass sich die Investition in drei bis fünf Jahren amortisiert." Um Ozeane und aquatische Ökosysteme zu entlasten, sei es notwendig, nicht nur in der Produktion, sondern auch ökonomisch nachhaltig zu sein. "Unser langfristiges Ziel ist es auch nicht, nur Fisch für zahlungskräftige Konsumenten zu produzieren. Er soll für jeden leistbar sein."


Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

Warum Fischfarmen gefährlich für die Umwelt sind

Fische sind als Nahrungsmittel ziemlich gesund. Sie enthalten viel Eiweiß, gesundheitsfördernde Fettsäuren (Omega-3), Vitamine und Mineralstoffe. Der Fischkonsum pro Kopf hat sich nicht zuletzt deshalb in den letzten 50 Jahren verdoppelt. Die Tiere in Aquakulturen zu züchten bringt Vorteile: Man macht reiche Beute ohne auf Jagd gehen zu müssen und schont die ohnehin stark dezimierten frei lebenden Tierbestände in den Meeren.

Hauptsächlich gefüttert werden Fische in Netzgehegen im Meer mit Fischmehl, also getrockneten und gemahlenen Teilen von anderen Fischen, Krebsen, Muscheln und anderen Meereslebewesen. "Futterreste und Kot der Tiere fallen auf den Meeresgrund und dort verursachen sie Probleme", erklärt Aquakulturexperte Franz Lahnsteiner vom Bundesamt für Wasserwirtschaft. "Es enstehen nährstoffüberdüngte Zonen, in denen andere Lebewesen nicht mehr existieren können."

Viel Forschungsbedarf bei geschlossenen Kreisläufen

Dazu kommt die Verabreichung von Medikamenten und auch der Betrieb von Fischfarmen sorgt für viele Emissionen und Abfälle. In der EU gebe es für Aquakulturen strenge Vorschriften, in anderen Teilen der Welt aber nicht. Weltweit gibt es aber die Tendenz, die Fischzucht nachhaltiger zu gestalten.

Laut Lahnsteiner gebe es etwa genügend Fischarten, die sich rein pflanzlich ernähren. Manche Meerestiere kommen gar völlig ohne Nahrungszufuhr durch den Menschen aus, etwa Muscheln oder Seegurken. Sie verwerten einfach im Wasser schwebende Reststoffe. "Geschlossene Ökosysteme wären nachhaltig und würden viele Probleme lösen", sagt der Experte. "Die Schwierigkeit dahinter ist, so etwas in großem Stil ökonomisch zu betreiben." Bei Kreislaufsystemen bestehe außerdem immer noch viel Forschungsbedarf.

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

mehr lesen