Was sich Start-ups von der nächsten Regierung wünschen
"Besonders was das Thema internationale Fachkräfte anbelangt, haben wir jetzt eine große Chance, weil da bisher ein Koalitionspartner sehr auf der Bremse gestanden ist", sagt Markus Raunig, Vorsitzender der Initiative Austrian Startups. 5.000 bis 10.000 neue Jobs würden in den nächsten Jahren bei heimischen Start-ups entstehen. Zwei Drittel der jungen Unternehmen hätten aber - vor allem im IT-Bereich - schon heute Probleme qualifizierte Mitarbeiter zu finden.
Rot-Weiß-Rot-Karte "weit weg von Wettbewerbsfähigkeit"
Die Rot-Weiss-Rot-Karte, die dazu beitragen sollte, Fachkräfte von außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ins Land zu holen, sei "weit weg von internationaler Wettbewerbsfähigkeit", sagt Raunig. Im günstigsten Fall dauere es 3 Monate, bis eine entsprechenden Bewilligung komme - im schlimmsten Fall bis zu 9 Monate: "Das ist viel zu langsam. Besonders für Start-ups ist es sehr schmerzhaft lange auf neue Mitarbeiter warten zu müssen. Auch für viele Mitarbeiter ist das ein Grund nicht ins Land zu kommen."
Bei Start-up-Visa für Gründer sehe es nicht besser aus, kritisiert Raunig. In den vergangenen Jahren seien ganze drei Mal solche Visa ausgestellt worden. "Wenn man sich als Standort positionieren will, ist es aber essenziell, dass man es für internationale Gründer einfach macht, ins Land zu kommen."
Fast-Track für Start-ups
Austrian Startups fordert nun ein Fachkräftekontingent für Start-ups oder Unternehmen generell zu schaffen, wie das etwa in Frankreich der Fall ist. Auf jeden Fall müssten die Prozesse starkt beschleunigt werden. Raunig schlägt ein "Fast Track"-System für Start-ups vor, über das innerhalb von einer Woche über Aufenthaltsgenehmigungen von Fachkräften entschieden wird.
Ein Drittel bis die Hälfte der benötigten Mitarbeiter müssten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes gefunden werden, sagt der Austrian-Startups-Vorsitzende. Leute mit entsprechenden Qualifikationen seien in Österreich nicht zu finden.
Unternehmerisches Denken
"Wir bilden im Moment nicht die richtigen Fähigkeiten aus", sagt Hannah Wundsam, die seit Ende Oktober die Stelle eines Chief Experience Officers (CXO) bei Austrian Startups einnimmt. Neben der Verbesserung der digitalen Bildung wünscht sie sich eine Verankerung von Entrepreneurship oder unternehmerischem Denken in die Lehrpläne. "Entrepreneurship - das Erkennen von Problemen und das Finden von Lösungen - müsste in jedes Fach eingebaut werden."
Vorstellbar seien etwa Projektwochen, in denen das Interesse für unternehmerisches Denken geweckt und Kindern die Möglichkeit geboten werde, in das Entrepreneurship hineinzuschnuppern. "Ich war in einem Gymnasium und danach hätte ich mir nicht vorstellen können, selbst etwas zu gründen", sagt Wundsam: "Erst später habe ich gemerkt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Die wollen wir in einem frühen Stadium vermitteln und aufzeigen."
Digitale Bildung
"Es muss viel mehr passieren, wenn wir unsere Kinder auf die Zukunft vorbereiten wollen", sagt Raunig: Es müsse das Ziel sein, dass jedes Kind, das in Österreich aus der Schule rausgeht, programmieren kann. Solche Fähigkeiten würden in Zukunft immer wichtiger, auch um zu verstehen was passiert: "Wir leben in einer immer digitaleren Welt, aber die meisten von uns haben keine Ahnung, was hinter dem Bildschirm passiert. Das muss in Zukunft Grundbildung sein."
In Österreich würden wegen der Klimakrise Tausende Menschen auf die Straße gehen, es sei ein unglaublicher Ideenreichtum vorhanden, sagt Raunig. Aber die wenigsten würden erkennen, dass sie das Problem selbst anpacken und Lösungen beisteuern könnten: "Das liegt daran, dass das Bildungssystem diesen Horizont gar nicht öffnet und die Fähigkeiten, die dafür notwendig sind, nicht genug fördert."
Start-up-Beirat
Generell wünschen sich Wundsam und Raunig mehr Sensibilität für Start-ups, besonders bei Gesetzesvorhaben. Viele Vorlagen, zuletzt etwa die Urheberrechtsreform in der EU, hätten für Start-ups nachtteilige Folgen und könnten sich wie die umstrittenen Upload-Filter schnell zur existenziellen Bedrohung auswachsen. Ein Start-up-Beirat aus Gründern und Experten könnte mit Empfehlungen solchen Kollateralschäden entgegenwirken, sagt Raunig.
Ihre Empfehlungen an die künftige Regierung, die auch bessere Rahmenbedingungen für Gründer und Reformen in der Förderlandschaft beinahlten, hat die Initiative in eine 37 Punkte umfassende Agenda verpackt und sie bereits an die Regierungsverhandler übermittelt.