Mit der App Citizenme wird man künftig seine eigenen Daten an Werbetreibende verkaufen können.
Mit der App Citizenme wird man künftig seine eigenen Daten an Werbetreibende verkaufen können.
© Gregor Gruber

Citizenme

Wie Nutzer mit ihren Daten Geld verdienen können

Bestseller-Autor Marc Elsberg beschreibt in seinem Roman „Zero“ (lesen Sie hier das Interview dazu) eine Welt, in der es üblich ist, dass Menschen mit ihren eigenen Daten handeln. Dies ist keineswegs eine Utopie, sondern ein Szenario, das in naher Zukunft gang und gäbe sein wird. Das Start-up Citizenme aus Großbritannien will Nutzern noch in diesem Jahr die Möglichkeit geben, ihre persönlichen Daten zu verkaufen. Ebenso wie das deutsche Unternehmen Data Fairplay, das ebenfalls kurz vor dem Start steht, will es Konsumenten dabei helfen, ihre Daten selbst zu sammeln und kommerziell zu verwerten.

Wie man zum Datenhändler wird

Citizenme ist derzeit eine iPhone-App, mit der man sich über die Nutzungsbedingungen von Apps und Online-Netzwerken wie Facebook oder Twitter informieren kann. Wenn man die App mit seinem eigenen Facebook-Konto verknüpft, kann man zudem ein detailliertes Persönlichkeitsprofil über sich selbst einsehen. Es zeigt, ob jemand politisch eher liberal oder konservativ eingestellt ist, ob jemand extro- oder introvertiert ist, ob jemand leicht aufbrausend ist, oder in Stresssituationen ruhig bleibt, ob jemand alles plant und sehr organisiert ist, oder ob er sehr spontan agiert. Das Persönlichkeitsprofil wurde in Zusammenarbeit mit der Cambridge University und dem dortigen “Psychometric Centre” entwickelt. Damit soll Nutzern vor allem aufgezeigt werden, was Datenhändler so alles über einen wissen und wie Nutzer auf andere wirken.

Das Start-up mit Sitz in Großbritannien hat aber weitaus mehr vor, als das, was die iPhone-App derzeit bietet. Erstens soll die App auf alle gängigen Betriebsssteme ausgeweitet werden. Zweitens sollen in Zukunft auch weitere Daten von der App erfasst werden können, etwa Gesundheitsdaten oder Standortinformationen. Nutzer sollen diese Daten dann selbst kontrollieren und an Werbetreibende verkaufen können. Das Start-up behält dann einen kleinen Teil der Einnahmen. Citizenme ist damit eines der ersten Unternehmen, die das Bewusstsein für Datenwirtschaft schärfen wollen. Die futurezone sprach mit StJohn Deakins, dem Gründer und Chef von Citizenme, über seine Pläne.

Futurezone: Haben Menschen tatsächlich das Bedürfnis, ihre digitale Persönlichkeit an Unternehmen zu verkaufen?
StJohn Deakins: Es geht dabei um mehr, als nur darum, seine Daten zu verkaufen. Man nimmt sich das zurück, was andere bereits tagtäglich mit unseren persönlichen Informationen und digitalen Persönlichkeiten anstellen: Sie zu sammeln und zu verkaufen. Bei Citizenme geht es daher darum, den Konsumenten die Möglichkeit zu geben, eine faire Vergütung zu bekommen, sofern sie ihre Daten überhaupt verkaufen möchten. Mit diesem Konzept wollen wir erreichen, dass jeder von der Internet-Wirtschaft profitiert.

Werbung finanziert all die kostenlosen Internet-Services, die wir benutzen und lieben. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Internetökonomie. In der Geschichte des Internets haben sich die Konsumenten aber nicht damit beschäftigt, was mit ihren Daten passiert und wie sie daraus Profit schlagen könnten. Aber ohne dass die Konsumenten eine aktive Rolle einnehmen, geht es nicht. Es hat sich eine unethische Kultur des Datensammelns entwickelt, die auch der Werbung geschadet hat. Wenn Konsumenten ihre Daten selbst kontrollieren und selbst bestimmen können, welche Daten sie mit wem teilen, wird Werbung wieder etwas wert sein, weil sie für denjenigen dann persönlich relevant wird.

Mit wieviel Geld können Nutzer rechnen, die sich bereit erklären, ihre Daten zu verkaufen?
Da sind sehr viele Variablen im Spiel, wieviel die Daten von einzelnen Personen wert sein werden. Außerdem hängt es davon ab, welche Informationen sie von sich preisgeben und verkaufen möchten und für wie lange. Am Anfang gehen wir davon aus, dass das, was die Personen in Geld in Europa zurückbekommen, etwa einem Betrag entspricht, mit dem sie ein digitales Abo wie Spotify bezahlen können. Wir möchten aber auch weitere Anreize für die Konsumenten bieten, etwa Vergünstigungen für einzelne Produkte.

Wie sieht Ihr Geschäftsmodell genau aus?
Die Entscheidung, was passiert, liegt immer beim Konsumenten. Die, die ihre Daten nicht teilen wollen, bezahlen für Citizenme künftig eine kleine monatliche Gebühr. Die, die ihre Daten mit Werbetreibenden teilen, zahlen für das Service nichts. Citizenme wird sich eine kleine Gebühr für die Transaktionen einbehalten, diese ist mit der eines Kreditkartenanbieters vergleichbar.

Glauben Sie, dass sich Internet-Giganten wie Facebook und Google das gefallen lassen, dass Internet-Nutzer plötzlich selbst zu Datenhändlern werden?
Die Giganten wie Facebook und Google brauchen Services wie Citizenme sogar künftig. Nur wenn sich die Bürger selbst um ihre Daten kümmern, kann sich das Internet-Ökosystem weiterentwickeln. Davon profitieren dann alle – Marken, Herausgeber, Services wie Facebook ebenso wie die einzelnen Internet-Nutzer.

Kann man Facebook dann davon abhalten, die Daten seiner Nutzer zu verkaufen?
Facebook stoppen? Derzeit nicht. Selbst wenn man seinen Account bei Facebook löscht, hat man zugestimmt, dass Facebook die Daten über einen behalten darf. Wir hoffen, dass es mit der Zeit ein “Recht auf informationelle Selbstbestimmung” geben wird, sodass man mehr Kontrolle in so einer Situation bekommt. Bis dahin stellt Citizenme eine pragmatische Lösung dar. Wir helfen den Konsumenten auch dabei, die Nutzungsbedingungen der einzelnen Services zu verstehen, und was diese für Auswirkungen haben. User können dann selbst entscheiden, ob sie ein bestimmtes Service nicht mehr nutzen möchten.

Mit welchen Unternehmen wird Citizenme künftig zusammenarbeiten, wenn es um die Daten der Konsumenten geht?
Wir arbeiten nicht mit Datenhändlern zusammen, sondern kämpfen mit unserem Modell gegen diese an. Stattdessen arbeiten wir mit Werbekunden, Marken, Agenturen und anderen Mitgliedern des digitale Werbeökosystems zusammen, die auf ethisch korrekte Daten zurückgreifen wollen von denjenigen, die ihnen diese Daten auch freiwillig geben.

Derzeit wird den Nutzern der Citizenme-App ein Persönlichkeitsprofil angezeigt, wenn sie die App mit ihrem Facebook-Konto verknüpfen. Dieses wurde von der Cambridge Universität erstellt. Wird es hier weitere Kooperationen geben?
Ja, wir sind sehr beeindruckt von ihrer Arbeit, Online-Identitäten aufzuschlüsseln. Es werden in den nächsten Monaten noch weitere Charakterzüge von Menschen dazu kommen, die anhand der Facebook-Daten generiert werden können.

Ist es Ihrer Meinung nach notwendig, bei den Internet-Nutzern für mehr Bewusstsein zu sorgen, was mit ihren Daten geschieht und wie sie für Profiling-Zwecke missbraucht werden?
Ja, definitiv. Wir sind gerade in einem Transformationsprozess vom alten, zentralisierten, analogen Industriezeitalter in eine Informationsgesellschaft, in der alles als Standard digital ist. Das hat weitreichende Auswirkungen auf die globale Gesellschaft. Unsere Rolle dabei ist es, Tools und Lösungen bereitzustellen, um Internet-Nutzern ihre Rechte über ihre digitale Identität zurückzugeben. Die Verteidigung der digitalen Bürgerrechte ist ein entscheidender Teil unserer Arbeit, die wir in einer eigenen Non-Profit-Organisation namens “Citizen Foundation” zusammenfassen.

Widerspricht sich der Schutz der eigenen Privatsphäre nicht mit der Tatsache, dass User ihre eigenen Daten verkaufen?
Als globale Gesellschaft sind wir heutzutage alle automatisch digital. Unsere Definition von Privatsphäre ändert sich sehr schnell. Wearables wie Apples HealthKit oder Sensoren wie iBeacon stehen kurz vor der Masseneinführung. Da steckt ein großes Business dahinter und viele Vorteile für die Gesellschaft. Die Frage wird sein: Wer soll die ganzen Daten kontrollieren, die wir erzeugen? Wir glauben, dass das wir, also jeder einzelne von uns, sein sollte.

Wenn Menschen die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, was sie teilen wollen und für welchen Zweck, ist das eine gute Sache. Eine Person kann dann z.B. frei entscheiden, ob sie ihre Daten nur für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung stellt. Dadurch wird die Entscheidung, was Privatsphäre ist, eine sehr persönliche. Die Definition von Privatsphäre passt sich damit dem Informationszeitalter an.

Citizenme hat vor kurzem die iPhone-App gestartet, aber gleichzeitig angekündigt, dass weitere Versionen für Android, Firefox, Ubuntu, Windows und Chrome geplant sind. Wann wird Citizenme auf diesen Plattformen erhältlich sein?
Die iPhone-App repräsentiert das erste Stadium der von uns geplanten Services. Unsere Vision ist es, digitale Konsumenten auf dem Gerät abzuholen, auf dem sie sich gerade befinden und das für sie am bequemsten ist. Die Android-Version wird mit Ende des Sommers fertig sein, die anderen Plattformen bis zum Ende des Jahres.

Sie geben an, dass die Daten lokal am Smartphone gespeichert werden und jeder im Besitz seiner Daten bleibt. Da Ihre App bis jetzt aber nicht quelloffen ist, lässt sich das jedoch nur schwer überprüfen. Wird der Code zu einem späteren Zeitpunkt transparenter?
Ja, unser Service ist so entwickelt, dass die Daten so nah wie möglich beim Besitzer bleiben und zwar so lange, wie der Besitzer der Daten dies wünscht. Man kann sogar das anonymisierte Tracking zu Statistikzwecken abdrehen, so dass wir gar keine Daten von den Usern bekommen.

Wenn unsere Code-Basis wächst, werden wir auch unseren Code als Open Source veröffentlichen. Außerdem arbeiten wir derzeit an der Gründung von citizenmefoundation.org, einer separaten Non-Profit-Plattform für Bürgerdaten.

Wann wird das Service für Bürger, die ihre Daten verkaufen wollen, starten?
Geplant ist es noch für dieses Jahr.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

mehr lesen
Barbara Wimmer

Kommentare