"Stopp Corona"-App speichert Kontakte ab sofort auch automatisch
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Noch heute Freitag oder spätestens am Samstag soll die neue Version der "Stopp Corona"-App des Roten Kreuzes in den App Stores von Apple und Google verfügbar sein. Mit wem Nutzer in Kontakt gekommen sind, kann die App dann - die Einwilligung der Nutzer vorausgesetzt - auch automatisch protokollieren. Im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus werden die Kontakte dann gewarnt. Bisher musste ein solches Protokoll manuell erstellt werden. Wer will, kann dies auch so beibehalten.
Ampelsystem
Zusätzlich wird das Warnsystem beschleunigt. Bisher mussten Nutzer abwarten, bis die Infektion mit dem Virus ärztlich bestätigt wurde, um mit einem Knopfdruck eine Warnmeldung an jene Personen zu verschicken, mit denen man in den vergangenen 48 Stunden mindestens 15 Minuten lang in weniger als zwei Meter Abstand zu tun hatte. In der neuen Version der App wird ein Ampelsystem eingeführt. Treten bei einem selbst verdächtige Symptome auf (Über 38 Grad Fieber, trockener Husten) kann man bereits eine Warnmeldung an die zuvor getroffenen Personen verschicken.
Diese erhalten dann die Mitteilung, dass eine Person, der sie nahe kamen, möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert ist (gelbe Ampel). Wer solcherart kontaktiert wurde, sollte sich sofort selbst isolieren, weil er nun vielleicht selbst ein Virusträger ist. Der Absender der Warnmeldung sollte sich danach an die Corona-Hotline 1450 oder seinen Hausarzt wenden, um auf eine Infektion mit COVID-19 getestet zu werden. Sobald er das Testergebnis erhält, kann er in der "Stopp-Corona"-App entweder die Warnung bestätigen (rote Ampel) oder Entwarnung geben (grüne Ampel).
"Infektionskette unterbrechen"
Um bei einem selbst auftretende Symptome richtig einzuschätzen, hält die App auch einen kurzen Symptomcheck bereit. "Das Kontaktpersonenmanagement ist eine wichtige Aufgabe in der Phase des 'Containment', in die wir nach Ostern eintreten werden", meint Gerry Foitik, der Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes. "Wenn man sich mit dem Coronavirus infiziert, entwickelt man erst nach fünf bis sechs Tagen Symptome. Wenn man etwas merkt, war man aber schon 24 bis 36 Stunden vorher infektiös für andere. Man war also infektiös und wusste es nicht. Die App hilft dabei, Kontakte schnellstmöglich zu informieren und die Infektionskette zu unterbrechen."
Wer Leute trifft, sollte App nutzen
Knapp 300.000 Downloads kann die App derzeit aufweisen. Laut einer Studie der Universität Oxford müsste eine App einen Durchdringungsgrad von mindestens 60 Prozent aufweisen, um das Coronavirus in einem Land möglichst wirkungsvoll zu bekämpfen. "Es kommt auch sehr darauf an, wieviele App-Nutzer sich richtig verhalten, wenn sie eine Warnmeldung erhalten", meint Gerry Foitik. Darum, einen möglichst hohen Durchdringungsgrad zu erreichen, gehe es nur bedingt, meint der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes. "Wenn sie gar keine infektionsgefährlichen Kontakte außerhalb ihrer Familie daheim haben, brauch sie die App gar nicht. Wenn sie aber hinaus gehen, Leute treffen, Face-to-Face-Kontakte haben, dann sollte sie das mit der App dokumentieren."
Foitik betont, dass die App-Nutzung weiterhin freiwillig erfolge, aber im Kampf gegen das Coronavirus sehr effektiv sei. "Die App ist natürlich nicht die 'Magic Bullet', die die Pandemie im Alleingang besiegt. Sie schützt auch einen selbst nicht, aber sie schützt andere Personen - ähnlich wie eine Gesichtsmaske."
So wenig Daten wie möglich
Während die App von der Corona-Task-Force der Regierung als wichtiges Werkzeug im Kampf gegen die Corona-Krise gesehen wird, gab es zuletzt große Zweifel daran, ob sie die Daten von Anwendern wirkungsvoll schützt. "Unsere App ist ein Datenschutzchampion", versichert Michael Zettel, Country Manager von Accenture Österreich, das die App entwickelt hat. "Sie folgt dem Prinzip 'Privacy by Design'. Wir erheben so wenige persönliche Daten wie möglich." Die App-Nutzung sei völlig anonym möglich. Falls man eine Infektion mit dem Coronavirus vermutet und das ärztlich abgeklärt hat, sei lediglich die Angabe einer Telefonnummer notwendig, um einen TAN-Code zu erhalten. Diesen muss der Nutzer eingeben, um seine Angaben (bestätigte Warnung oder Entwarnung an alle Kontakte) zu bestätigen. Die Telefonnummer wird nach 30 Tagen von den Servern gelöscht.
Open Source kommt
Doch warum ist die "Stopp Corona"-App nicht quelloffen (Open Source) und warum wird der Dienst auf Servern von Microsoft gehostet? Besteht dadurch nicht die Gefahr, dass wenig vertrauenerweckende Institutionen wie US-Geheimdienste über geheime Hintertüren auf die Daten zugreifen? "Wir planen, die App quelloffen zu machen, aber das ist ein aufwendiger Arbeitsschritt", meint Zettel. "Gegenüber mehreren Universitäts-Instituten, sowie den Datenschutz-NGOs NYOB und epicenter.works haben wir den Quellcode jedoch bereits offengelegt. Ihre Analyse des Quellcodes wird wahrscheinlich nach Ostern vorliegen."
Server bei Frankfurt
Microsofts Cloud-Lösung Azure habe man verwendet, weil sie sicher und schnell für eine große Anzahl an App-Nutzern skalierbar sei. Die Server, mit denen die "Stopp Corona"-App kommuniziert, stünden in der Nähe von Frankfurt, seien also durch europäische Datenschutzstandards geschützt. Informationen darüber, welcher Smartphones-Besitzer welche andere Smartphone-Besitzer in letzter Zeit getroffen hat, werden nicht auf den Servern gespeichert, sondern lediglich lokal. Auf den Servern befinden sich auch keine Informationen darüber, welche Smartphones welche Warnmeldungen erhalten. "Warnmeldungen werden verschlüsselt an alle Nutzer verschickt, aber nur, wer den richtigen Schlüssel hat (durch Anwesenheit in der Kontaktliste des Absenders) kann diese Nachricht aufsperren", erklärt Christian Winkelhofer, der Leiter des App-Projekts bei Accenture Österreich.
Bis zur Herdenimmunität
"Die App hat nichts mit Big Data zu tun", fasst Winkelhofer zusammen. "Sie kommt völlig ohne Ortsdaten aus, es gibt keinen Personenbezug in den Nachrichten. Wir verwenden asynchrone kryptografische Verfahren. Es liegen keine Geräte-Identifikationsnummern in der Cloud. Die einzigen Daten, die wir aus der App erhalten, sind anonymisierte Statistiken zur Nutzung." Gerry Foitik verspricht: "Wenn die Pandemie vorbei ist, dann braucht man die App nicht mehr und sie wird gelöscht." Vorbei sei die Corona-Krise aber erst, wenn Herdenimmunität durch einen hohen Durchseuchungsgrad oder einen Impfstoff hergestellt ist. "Für die nächsten 12 bis 18 Monate wird die App ihre Berechtigung haben."
Europäische Lösung
Weil sich die Schutzmaßnahmen gegen das Virus in dieser Zeit vielfach verändern können und beispielsweise Reisebeschränkungen schrittweise aufgehoben werden könnten, sei die Interoperabilität mit Warnsystemen in ganz Europa und darüber hinaus wichtig. Laut Michael Zettel von Accenture gibt es Gespräche mit App-Entwicklern aus ganz Europa über die Umsetzung der Technologie PEPP-PT (Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing). Abwarten wollte man ein gemeinsames europäisches Vorgehen nicht. Mit der "Stopp Corona"-App habe man stattdessen schnell ein funktionierendes System aufgebaut. Um die Integration in eine europäische Lösung wollte man sich erst danach kümmern. "Stand heute gibt es keine lauffähige App, die PEPP-PT integriert hat", meint Zettel.
Beacons
Ein reger Austausch dazu finde jedoch statt, unter anderem auch mit dem österreichischen Entwicklerteam NOVID20. Sie hat eine App entwickelt, die ähnlich wie die "Stopp Corona"-App Infektionsketten unterbrechen soll, dabei aber von Anfang an auf Open Source gesetzt hat. Gemeinsam mit NOVID20 arbeiten das Rote Kreuz und Accenture auch an der Entwicklung von Beacons - also kleinen Geräten, die dieselbe Funktion wie die App erfüllen, allerdings ohne Smartphone. Mit der Regierung gäbe es ebenfalls Gespräche über die Einführung von Beacons, verrät Foitik. "Wie Leute dann zu so einem Beacon kommen sollen oder ob das etwas kosten wird, das weiß man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht."
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