"Asien ist beim Datenschutz nicht der Wilde Westen"
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Wenn es um neue Technologien geht, gilt Asien als treibende Kraft. Um mehr über den Unterschied zwischen Asien und Europa zu erfahren, hat A1 Hans-Peter Ressel eingeladen, der in Südostasien Karriere gemacht hat. Anlass war die mit der futurezone durchgeführte IoT-Challenge, bei dem das beste Jungunternehmen gesucht wurde, das sich mit dem Internet der Dinge beschäftigt. Die futurezone hat Ressel gemeinsam mit A1-Group-Chef Thomas Arnoldner zum Interview getroffen.
futurezone: Herr Ressel, Sie leben bereits seit längerem in Malaysia. Wie werden dort neue Technologien angenommen?
Hans-Peter Ressel: Es gibt viel Neugier und eine breite Schicht an Leuten, die auf Trends aufspringen. Malaysia steht etwa im Wettbewerb mit dem Nachbarn Singapur. Hier versucht man, sich gegenseitig zu übertrumpfen und führend zu sein. Zusätzlich versucht China, mit vielen Ländern zu kooperieren. Man will viel Technologie und Kapital aus China in die Länder bekommen. In Malaysia gibt es etwa eine enge Kooperation mit Alicloud, die in manchen Städten und Gemeinden Smart-City-Projekte ausrollen.
Sie waren ja auch Teil der Alibaba-Gruppe. Was passiert da auf dem Feld IoT?
Hans-Peter Ressel: Sehr viel. Alicloud hat einen eigenen IoT-Geschäftsbereich gegründet und sich vorgenommen, bis 2022 zehn Milliarden Geräte zu vernetzen. Es wird versucht, Standards einzuführen und viele Pilotprojekte zu starten. In China gibt es etwa einen Essenszustelldienst, der zur Alibaba-Gruppe gehört. Dabei wird ein System installiert, das Zustellfahrern automatisch anzeigt, wann ein Essen im Lokal gekocht wird und wann sie es abholen müssen. Ein anderes Projekt gibt es bei kleinen Greißlern. Die Geschäfte werden mit Sensoren ausgestattet. In Echtzeit weiß man dann, was sich wie schnell verkauft, Produkte werden automatisch nachbestellt. In diesem Spiel zwischen Online und Offline wird es interessant.
Steht man Neuerungen grundsätzlich offener gegenüber als in Österreich?
Hans-Peter Ressel: In Österreich herrscht oft eine gewisse Skepsis, wenn es um neue Dinge geht. Es gibt viele Vorbehalte, man möchte erst überzeugt werden, ob man etwas wirklich braucht und ob man davon profitiert und dass nicht andere Bereiche leiden. Ich glaube aber auch, dass eine gewisse Skepsis wichtig ist. In
Asien hat man eher eine gesunde Naivität, wo man zuerst probiert und dann im Nachhinein die Lehren daraus zieht und versucht, es in mehreren Situationen besser zu machen. Gerade bei der jungen Generation herrscht eine Aufbruchsstimmung.
Herr Arnoldner, wie sehen Sie den Unterschied zwischen Asien und
Europa?
Thomas Arnoldner: Es sind grundlegend verschiedene Konzepte, wie Wohlstand geschaffen wurde, erhalten werden soll und künftig entwickelt wird. Wir haben ein sehr hohes Wohlstandsniveau in Europa und spielen ein defensives Spiel, um diesen Wohlstand zu erhalten. Wir investieren viel in Sozialsysteme, Pensionen und den Gesundheitsbereich. Wir versuchen uns mit Regulierung zu schützen. Andere Regionen spielen hingegen ein offenes Wachstumsspiel, das gilt im Osten wie im Westen. Dort setzt man auf Technologie und Wirtschaftswachstum, auch zulasten der sozialen Absicherung.
Wenn man sich aber anschaut, wie viel privates und öffentliches Geld in Bereiche wie Künstliche Intelligenz, Telekom, Halbleiter und Biotechnologie reingesteckt wird, sind Welten dazwischen. Speziell in Asien ist eine langfristige und zentral geplante Wohlstandsschaffungsstrategie dahinter. Sie baut darauf auf, in gewissen Schlüsselbereichen die Weltführerschaft zu erreichen. Es gibt also eine Euphorie, mit der in anderen Teilen der Welt neue Technologien angegangen werden versus der Angst, die teilweise dann in Europa gesehen wird. Wir sehen es auch beim Thema Risikoaffinität versus Risikoaversion in Europa, wenn wir etwa in den Venture-Capital-Bereich schauen.
Haben es Unternehmen in vielen asiatischen Ländern nicht auch einfacher, etwa wegen lockerer Bestimmungen hinsichtlich
Datenschutz?
Hans-Peter Ressel: Es gibt auch in Asien sehr strenge Datenschutzvorschriften, es ist ein Irrglaube, dass dort der Wilde Westen herrscht. Regulierungsbehörden haben aber im Vorfeld ein offenes Ohr für den privaten Sektor. Vertreter werden in Prozesse eingebunden, um auf globaler Ebene wettbewerbsfähig zu bleiben.
Werden Unternehmen in Europa zu wenig in Regulierungsprozesse einbezogen?
Thomas Arnoldner: Was wir in erster Linie sehen, ist, dass Dinge sehr lange brauchen. Beim Urheberrecht begann die Diskussion 2010, der Prozess startete 2016, heuer haben wir die EU-Richtlinie, die innerhalb einer Zweijahresfrist in nationales Recht gegossen werden muss. In der gleichen Zeit hat Facebook seine Nutzerzahlen verfünf- oder versechsfacht. Man sieht einfach, dass die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung nicht standhält. Und da braucht man neue Ansätze. Man sollte nicht im Vorhinein versuchen, Dinge zu Tode zu regulieren.
Als wichtigste Grundlage für das Internet der Dinge gilt 5G. Ist Österreich beim Ausbau auf dem richtigen Weg?
Thomas Arnoldner: Wir sind sicherlich mit dem ersten Teil der 5G-Auktion in Europa bei den führenden Ländern dabei. Die Frequenzen sind natürlich eine wichtige Voraussetzung. Wir sind stolz darauf, dass wir als A1 das größte Frequenzpaket ersteigert haben. Wir haben auch schon Tests und erste Anwendungen implementiert, etwa in Gmünd und am Flughafen Wien.
Gibt es schon Details zum kommerziellen 5G-Start von A1?
Thomas Arnoldner: Wir bereiten uns intensiv vor, wir haben bereits die ersten "5G ready"-Angebote präsentiert. Wir werden um den Jahreswechsel starten, wenn wir ein Netz in hoher Qualität zur Verfügung stellen können.
Teilweise wurde etwa gegen Sender demonstriert. Halten Sie diese Bedenken für gerechtfertigt?
Thomas Arnoldner: Ich halte es für wichtig, bei den Fakten zu bleiben. Grundsätzlich nehmen wir alle Bedenken der Kundinnen und Kunden ernst. Man muss festhalten, dass wir seit Anbeginn des Mobilfunks die gleiche Technologie verwenden, nämlich Funk. Das hat sich bei 2G, 3G und 4G nie geändert und wird sich auch mit 5G nicht ändern. Was sich ändert, sind die Protokolle, die zur Übertragung genutzt werden. Es gibt keine einzige wissenschaftlich fundierte Studie, die eine negative Auswirkung von 5G nachweist. Man darf sich nicht auf Verschwörungstheorien, von denen manche mit nachweislich falschen Fakten arbeiten, einlassen.
Wie reagiert man als Konzern auf die Bedenken konkret?
Thomas Arnoldner: Wir arbeiten intensiv mit dem Forum Mobilkommunikation zusammen, das auch mit vielen wissenschaftlichen Organisationen kooperiert. Auf der entsprechenden Webseite werden sehr viel Informationen zur Verfügung gestellt und Fragen beantwortet. Man kann sich aber auch sehr gerne direkt an uns wenden. Wir wollen informieren und aufklären.
Sie sind schon länger in der Branche? Können Sie erinnern, dass es bei früheren Standards ähnliche Aufregung gegeben hat?
Thomas Arnoldner: Ja, es gab immer Aufregung. Neue Technologien bringen für viele Menschen oft etwas Unbekanntes. Wir haben in unseren Breitengraden meist nicht die Euphorie, was neue Technologien betrifft. Im Laufe der Zeit werden Menschen die positiven Effekte der Technologie zu schätzen lernen und wir werden diese Ängste abbauen.
Gibt es in Asien vergleichbaren Widerstand gegen Mobilfunkausbau?
Hans-Peter Ressel: Ist mir zumindest nicht bekannt. Es gibt einfach sehr viel Aufbruchsstimmung. Egal, ob 5G, Blockchain, alles wird als Chance gesehen, sich selbst neu zu positionieren.
Wie sieht man bei A1 den Konflikt mit
Huawei im Zusammenhang mit dem 5G-Ausbau?
Thomas Arnoldner: Industrie- und handelspolitische Überlegungen sollte man nicht mit technologischen oder sicherheitspolitischen Überlegungen verwechseln. Wir haben Huawei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, weil es wichtig ist, dass es auch in den Lieferketten Verlässlichkeit gibt. Wir haben uns aber nach einem langen Prozess für Nokia als 5G-Lieferanten und damit sehr bewusst für ein europäisches Unternehmen entschieden. Wir sind sehr froh mit dieser Entscheidung.
Warum wird das Thema Internet der Dinge aktuell so stark von den Mobilfunkern angetrieben?
Thomas Arnoldner: Wir haben viele Jahre Menschen miteinander vernetzt, jetzt vernetzen wir alles, was man kann. In Österreich rechnen wir im Jahr 2020 mit 80 Millionen Endgeräten, im Schnitt also zehn Geräte pro Einwohnerin und pro Einwohner. Das sind nicht nur Smartwatches und Smartphones, sondern auch Autos, Fernseher bis hin zu Geräten in der Industrie. Es braucht aber natürlich auch eine gewisse Intelligenz, um mit diesen gewonnenen Daten Werte zu schaffen. Damit beschäftigen wir uns.
Würden Sie sagen, dass IoT im Alltag der Österreicher schon angekommen ist?
Thomas Arnoldner: Ich glaube ja, es wird nur oftmals nicht wahrgenommen. So hat etwa jedes neu gekaufte Auto heute eine SIM-Karte eingebaut. Jeder neue Fernseher ist online. Insgesamt stehen wir aber noch am Anfang. Künftig wird es sogar bis hin zur vernetzten Kleidung gehen.
Hat man es als Start-up im Moment einfacher, wenn man etwas im IoT-Bereich macht?
Thomas Arnoldner: Es ist für ein Start-up wichtig, einen relevanten Markt und ein entsprechendes Ökosystem zu finden. Österreich ist nicht so groß, auch nicht im Start-up-Bereich. Wir haben aber eine starke produzierende Industrie und einen starken Mittelstand. In einigen Bereich haben wir auch Weltmarktführer. Das sind Unternehmen, die ein Ökosystem mitbringen.
Zur Person: Hans-Peter Ressel
Der 36-jährige gebürtige Wiener zog nach seinem WU-Studium nach Malaysia und war dort maßgeblich an dem Aufbau von Lazada beteiligt. Das Unternehmen entwickelte sich zum größten Online-Händler in Südostasien und ist heute dort größer als Amazon. Ressel führte Lazada Malaysia an und wurde Chief International Officer. 2016 übernahm die chinesische Alibaba-Gruppe die Mehrheit an dem Unternehmen. Ende 2018 verließ Ressel Lazada und gründete Momentum Commerce, wo er andere Firmen bei der Umsetzung von E-Commerce-Projekten berät.
Zur Person: Thomas Arnoldner
Der 41-jährige Wiener ist seit 1. September 2018 Vorstandsvorsitzender (CEO) der A1 Telekom Austria Group. Diese ist in sieben Ländern tätig (Österreich, Bulgarien, Kroatien, Slowenien, Weißrussland, Serbien und Nordmazedonien) und verfügt insgesamt über 19.000 Mitarbeiter sowie knapp 25 Millionen Kunden. Der studierte Betriebswirt startete seine Karriere bei Alcatel Lucent, wo er 2013 den Vorstandsvorsitz übernahm. Vor seinem Wechsel zur A1 Telekom Austria Group war er Geschäftsführer bei T-Systems Austria.
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