Ausbau des Bahnnetzes: "Jede Sekunde zählt"
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Durch die Diskussion um ein österreichweites Öffi-Jahresticket (123-Ticket) ist das heimische Bahnnetz stärker in den öffentlichen Fokus gerückt. Wir haben deshalb mit Johann Pluy darüber gesprochen, wie sich das Netz in Zukunft entwickeln wird. Pluy bekleidete innerhalb der ÖBB eine Reihe unterschiedlicher Funktionen, seit 2019 ist er Mitglied des Vorstands.
futurezone: Welche Kapazitäten hat das Bahnnetz jetzt schon und welche sind notwendig, wenn künftig tatsächlich ein 123-Ticket kommen sollte?
Johann Pluy: Momentan wickeln wir 155 Millionen Zugkilometer pro Jahr ab. Wir rechnen stark damit, dass wir diese Zahl in den nächsten zehn Jahren um mindestens 30 Prozent erhöhen müssen.
Wie kommt es zu dieser Prognose?
Durch das Bevölkerungswachstum kombiniert mit der Veränderung des Mobilitätsverhaltens. Durch die Diskussion um den Klimawandel, Fridays for Future oder das 123-Ticket ist jetzt Rückenwind da. Wir sind dadurch zum Erfolg verpflichtet und haben alle Hände voll zu tun.
Wie erhöht man die Kapazität auf Bahnstrecken?
Es gibt verschiedenste Maßnahmen, etwa längere Züge, mehr doppelstöckige Waggons, dichtere Takte, breitere Türen ...
Breitere Türen?
Ja, jede Sekunde zählt beim Fahrgastwechsel. Wir müssen unsere Bahnhöfe so gestalten, dass das gut klappt. Aber auch die Disziplin der Fahrgäste ist wichtig, wenn wir Intervalle verkürzen wollen.
Wie sieht es mit dem Neubau von Gleisstrecken aus?
Es gibt da stetige Verbesserungen, vor allem um Flaschenhälse zu entschärfen – etwa durch den viergleisigen Ausbau der Strecke Meidling-Mödling oder Linz-Wels. 2023 ist die Pottendorfer Linie fertig, 2025 der Koralm-Tunnel, 2027 der Semmering-Tunnel. Das wird garantiert einen Ansturm auf die Züge bringen, genauso wie es auf der Weststrecke war. Wenn wir solche Großprojekte bauen, benötigt das aber zehn Jahre und mehr. Um die Kapazität schnell zu erhöhen, hilft nur Technologie.
Auf welche Art soll Technologie helfen?
Das Bahnnetz ist bereits sehr gut ausgelastet und wird voll bleiben, deshalb muss man es effizienter managen. Netzwerkoptimierung ist wichtig. Als Mensch kann man das intellektuell nicht mehr leisten. Wir werden daher massiv in Automatisierung investieren. Sämtliche Betriebsbereiche werden zunehmend digitalisiert, von der Zusammenstellung der Züge bis zur vorausschauenden Wartung. Wir wollen künftig auf zehn Meter genau wissen, wo eine Schiene Schaden nehmen könnte.
Apropos Schaden: Wie reagieren die ÖBB auf den Klimawandel?
Wir werden unsere Infrastruktur in den nächsten Jahren klimafester machen müssen. Schienen sind aus Metall, die dehnen sich durch steigende Durchschnittstemperaturen stärker aus. Wir streichen sie teilweise weiß an, das macht sie kühler. Außerdem müssen wir Trassen mehr gegen Steinschläge und Erdrutsche absichern. Beim Inspizieren von Strecken könnten uns künftig Drohnen helfen. Nichts ist schlimmer für die Eisenbahn als eine Überraschung.
In Salzburg errichten die ÖBB erstmals ein Pumpspeicherkraftwerk. Was erwarten Sie sich davon?
Wir haben bereits zehn Wasserkraftwerke und produzieren ein Drittel unseres Stromes selbst. Unseren Eigenversorgungsgrad wollen wir weiter erhöhen und wir wollen unseren Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Neben dem neuen Kraftwerk wollen wir künftig auch vermehrt Fotovoltaik einsetzen. Durch Solarzellen entlang der Strecke könnten wir Strom regional produzieren und Übertragungsverluste vermeiden. Wo es keinen Fahrdraht gibt, könnten künftig auch Wasserstoff-Lokomotiven fahren.
Was passiert eigentlich mit Infrastruktur, wenn der Bedarf sinkt, wie es etwa beim Westbahnhof der Fall ist?
Wer Infrastruktur plant, muss langfristig denken. In den frühen 2000ern dachte man: Machen wir Radwege aus Regionalbahnstrecken. 15 Jahre später gab es eine Renaissance der Regionalbahnen. Man sollte nicht vorschnell etwas abschreiben. Durch steigenden Bahnverkehr werden wir den Westbahnhof weiterhin brauchen.
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