Boeing 737 Max: Die lange Liste der Versäumnisse
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Knapp ein Jahr nach dem zweiten Absturz einer Boeing 737 Max binnen weniger Monate hat ein Untersuchungsausschuss des US-Kongresses schwere Vorwürfe gegen den Flugzeugbauer und die Luftfahrtaufsicht FAA erhoben.
Die Überprüfung der 737 Max sei "in grober Weise unzureichend" gewesen, heißt es in dem vorläufigen Untersuchungsbericht des Ausschusses vom Freitag. Die FAA habe ihre Pflicht bei der Erkennung entscheidender Sicherheitsprobleme im Rahmen der Zertifizierung des Flugzeugs nicht erfüllt.
Mangel an Transparenz
Die Kritik am Hersteller Boeing ist ebenfalls heftig. Die 737 Max sei bereits in ihrer Entwicklung durch technische Fehler und einen Mangel an Transparenz gegenüber Aufsehern und Kunden "ruiniert" gewesen, so der für die Aufarbeitung der Abstürze zuständige Ausschuss des US-Repräsentantenhauses.
Zudem beschuldigt der vorläufige Untersuchungsbericht Boeing, Informationen zum Betrieb und zur Technik des Flugzeugs verschleiert und zurückgehalten zu haben. Die Rede ist von einer "Kultur des Verheimlichens" bei dem Konzern.
Boeing teilte auf Anfrage lediglich mit, umfassend bei der Untersuchung kooperiert zu haben und die Ergebnisse prüfen zu wollen. Die FAA erklärte in einem Statement, die Erkenntnisse des Kongressausschusses für Transport- und Infrastruktur zu begrüßen.
Flugaufsicht in der Kritik
Die Behörde betonte zwar, dass die Flugsicherheit in den USA insgesamt hoch sei. Die FAA stehe den Ergebnissen und Empfehlungen des Ausschusses jedoch offen gegenüber und wolle daraus lernen, um die Sicherheit in der Luftfahrt weltweit weiter zu erhöhen.
Boeing steht nach den beiden 737-Max-Abstürzen am 29. Oktober 2018 und am 10. März 2019, bei denen 346 Menschen starben, mit dem Rücken zur Wand. Der Airbus-Rivale wird verdächtigt, die Unglücksflieger im Wettbewerb überstürzt auf den Markt gebracht und die Sicherheit vernachlässigt zu haben.
Boeing streitet dies ab, hat aber Fehler und Pannen eingeräumt. US-Behörden prüfen, ob bei der Zulassung der seit rund einem Jahr weltweit mit Flugverboten belegten Modellreihe 737 Max alles mit rechten Dingen zuging.
Software-Probleme
Im Zentrum der Ermittlungen steht das für die 737 Max entwickelte Steuerungsprogramm MCAS, das laut Untersuchungsberichten eine entscheidende Rolle bei den Abstürzen gespielt hat. Boeing hatte bereits nach dem Unglück in Indonesien versprochen, die MCAS-Probleme per Software-Update zu beheben.
Wenig später kam es zum Absturz in Äthiopien. Das Update hat noch immer keine Zulassung der FAA. Ob und wann die 737 Max wieder abheben darf, bleibt unklar. Boeing rechnete zuletzt damit, dass die Flieger Mitte 2020 wieder zugelassen werden.
Nicht genehmigte Bauteile
Die FAA fordert von Boeing wegen nicht zugelassener Bauteile in Hunderten Flugzeugen ein Bußgeld von 19,7 Millionen Dollar (17,5 Mio Euro). Die Behörde wirft dem Flugzeugbauer laut Mitteilung vom Freitag vor, in 791 Jets der 737-Baureihe bestimmte Sensoren eingebaut zu haben, die noch nicht genehmigt worden waren.
Das Unternehmen hat 30 Tage Zeit, die Strafe zu zahlen oder anzufechten. Boeing erklärte, bereits auf die Beanstandungen der FAA reagiert zu haben. Es gehe bei der Angelegenheit nicht um ein Sicherheitsproblem, sondern um Versäumnisse bei bestimmten Unterlagen zur Zertifizierung.
Äthiopien macht Boeing für Absturz verantwortlich
Der Absturz einer Boeing 737 MAX im März 2019 in Äthiopien wurde Insidern zufolge durch die Bauweise des Flugzeuges verursacht. Das gehe aus einem Entwurf des Zwischenberichts äthiopischer Ermittler zur Absturzursache des Flugs 302 der Ethiopian Airline, bei dem alle 157 Menschen an Bord ums Leben kamen, hervor, wie zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen Reuters am Freitag sagten.
Die US-Verkehrssicherheitsbehörde (NTSB) habe nun die Möglichkeit, Bedenken zu äußern oder Änderungen vorzuschlagen. Ein Sprecher der NTSB bestätigte, dass die Behörde den Entwurf des Zwischenberichts erhalten habe. Boeing lehnte eine Stellungnahme ab.
Laut der Agentur "Bloomberg", die zuerst über den Inhalt des Entwurfs berichtete, sagen die Schlussfolgerungen wenig oder nichts über die Leistung von Ethiopian Airlines oder ihrer Flugbesatzung aus. Dies habe bei einigen Teilnehmern der Untersuchung Bedenken hervorgerufen.
Konträre Ergebnisse
Der äthiopische Zwischenbericht steht damit im Kontrast zum im vergangenen Oktober veröffentlichten Abschlussbericht Indonesiens zum Absturz einer Lion Air Maschine mit 189 Toten. Der Bericht der indonesischen Aufsichtsbehörde machte in erster Linie eine Fehlfunktion des Kontrollsystems MCAS für das Unglück der 737 MAX Ende Oktober 2018 verantwortlich.
Dieses System führt zum automatischen Absenken der Flugzeugnase bei drohendem Strömungsabriss. Neben Technikproblemen hätten aber auch Fehler der Crew und mangelnde Wartung den Absturz der Maschine des Billigfliegers Lion Air mit verursacht.
Das Boeing-Modell 737 MAX ist seit März 2019 aus dem Verkehr gezogen, nachdem bei den Abstürzen in Indonesien und Äthiopien innerhalb von fünf Monaten 346 Menschen ums Leben kamen. Das Flugverbot für die 737 MAX hat dem amerikanischen Flugzeugbauer im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren einen Verlust eingebrockt.
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