Chaos-Tage bei Twitter: Morgenurin und blaue Haken
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„Comedy ist jetzt legal“ kündigte Elon Musk bei seiner Übernahme von Twitter Ende Oktober an. Der Schuss ging nach hinten los. Plötzlich tummelten sich Hunderte falsche Musks auf dem Kurznachrichtendienst. Einer davon riet zur täglichen Tasse Morgenurin.
Ein zweiter gab eine Wahlempfehlung für die Demokraten bei den kommenden Midterm-Wahlen in den USA ab. Musk selbst wird nachgesagt, den Republikanern nahezustehen. Wieder ein anderer Musk verriet, dass Tesla-Batterien mit einem „ganz kleinen bisschen Kinderarbeit“ hergestellt würden.
Musk ließ Konten sperren
Musk zog die Reißleine und ließ die Konten sperren, darunter auch jene der US-Komikerinnen Sarah Silverman und Kathy Griffin. Die Aktion ist jedoch nur die Spitze des Bergs an Chaos, der sich angehäuft hat, seitdem der Tesla-Chef auch Twitter leitet.
Am 28. Oktober war der Verkauf in trockenen Tüchern. „Der Vogel ist frei“, twitterte Musk in Anspielung auf das Maskottchen. Während sich der Multimilliardär nach dem 44-Milliarden-Dollar-Deal als Retter der Meinungsfreiheit darstellte, machte sich der Vogel selbstständig. Das „Trust-and-Safety-Team“, das für die Moderation der Tweets zuständig ist, wurde von mehreren 100 auf 15 Mitarbeiter*innen zusammengestutzt. Nur Stunden nach den Übernahmen stieg die Zahl der rassistischen Inhalte und Falschinformationen rapide an.
Gefeuerte Kräfte fehlen
Im Unternehmen fürchteten die 7.500 Mitarbeiter*innen tagelang um ihre Jobs. Am Freitag fiel dann die Entscheidung, wer bleiben darf und wer gehen musste. Wer eine E-Mail auf die Arbeitsadresse bekam, war sicher. Ploppte die Nachricht auf der Privatadresse auf, war man seinen Job los.
Etwa die Hälfte der Angestellten wurden auf diese Weise entlassen, einige davon wurden wenige Tage später wieder angeheuert. Das Management hatte eingesehen, dass der Betrieb ohne einige der gefeuerten Fachkräfte nicht möglich ist.
Abomodell für "Twitter Blue"
Chaotisch läuft auch die geplante Einführung des Abo-Modells ab. Wer ein verifiziertes Konto haben will, müsse laut Musk monatlich 20 Dollar (20 Euro) zahlen. Später reduzierte er den Preis – nicht zuletzt wegen des Unmuts vieler Twitter-Nutzer – auf 8 Dollar. Bisher konnte eine Verifizierung nicht gekauft werden, sie wurde auf Anfrage vergeben und war Unternehmen und „einflussreichen Persönlichkeiten“ vorbehalten.
Insgesamt gibt es knapp über 400.000 solche verifizierte Konten. Mit dem neuen Abo-Modell soll es allen Nutzern möglich sein, eine Verifizierung zu erhalten. Dieses „Twitter Blue“ genannte Abo soll in Kürze starten. Ob zukünftig auch die „einflussreichen Persönlichkeiten“ zur Kassa gebeten werden, um ihre Verifizierung zu behalten, ist noch nicht bekannt.
Twitter braucht Geld
Dadurch soll mehr Geld in Twitters Kassa gespült werden. Die Übernahme kostet Musk allein 1,2 Milliarden Dollar an Zinsen pro Jahr für Kredite. Mit seinen wankelmütigen Entscheidungen vergrault Musk zudem Werbekunden. Große Unternehmen, wie VW oder Pfizer, drohten ihre Anzeigen auf der Plattform auszusetzen. Musk selbst spricht von massiven Umsatzrückgängen. Einsicht zeigt er nicht. Stattdessen drohte er den Unternehmen mit einem Gegenboykott.
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