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"Der App Store ist ein ungemütliches Pflaster"

„Wir müssen den Vergleich mit anderen erfolgreichen Indie-Games nicht scheuen. Wir sind mit dem Erfolg unseres Spiels sehr zufrieden", sagt Josef Ortner. Der TU-Absolvent hat gemeinsam mit drei Studienkollegen vom IGW Mitte dieses Jahres das erste Mobile Game veröffentlicht und damit Spieler rund um den Globus begeistert. Bei HueShift, so der Titel des Erstlingswerks, handelt es sich um ein Jump&Run-Spiel mit ausgefallener Optik und anspruchsvollem Game Design.

Aus dem selben Umfeld – dem Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung rund um Peter Puragthofer – kommt auch das zweite erfolgreiche Mobile-Games-Studio, Spielwerk. Laut Firmenchef Franz Hess sei der gemeinsame Ursprung aber Zufall. Während All Civilized Planets mit HueShift gerade ihr Debüt gemeistert haben, hat Spielwerk schon mehrere Spiele (GrooveLight, 3DLogic, Primal Plant Attack, Run Bob Run) veröffentlicht. Erst vor wenigen Wochen hat sich das Studio mit Socialspiel – man kennt sich aus Deep Silver Vienna Zeiten - zusammengetan, um die Kenntnisse aus Mobile und Social in einer Firma aufgehen zu lassen. Zudem wird derzeit ein Projekt gemeinsam mit Sproing umgesetzt.

Erste Schritte
„Eigentlich war es nur ein Testlauf. Das Spiel war ein Experiment, um zu sehen, ob wir von der Spiele-Entwicklung leben können", sagt Ortner zur futurezone. Der Versuch darf als geglückt verbucht werden. Aufgrund der guten Download-Zahlen – über die der 30-Jährige aus strategischen Gründen schweigt – konnten Investitionen in Hardware, Software (Unity) und Infrastruktur getätigt werden, die kommenden Spielen zu Gute kommen. „Wir sind mit Hueshift nicht reich geworden, aber es hat aus technischer Sicht die Zukunft unsere Studios gesichert", so Ortner. Als Ausgaben schlagen nun nur mehr die Personalkosten zu Buche. Der studierte Medieninformatiker will hier jedoch Selbstausbeutung vermeiden. „Wir können es uns nicht leisten, zwei Jahre gratis zu arbeiten und auf einen Erfolg zu hoffen". Daher versuchen er und sein Team nun, Fördertöpfe, die in Wien gut ausgebaut sind, anzuzapfen.

Glück und Hintertüren
Ortner sieht die Game-Entwicklung insgesamt realistisch. Es sei ein harter Job, Erfolg nie garantiert. Bei Hueshift hatten sie viel Glück, da Apple das Spiel im App-Store prominent beworben hat. „Wir waren drei Wochen lang auf der Startseite, das hat enorm viel gebracht." Zwar hat Ortner tausende eMails an Branchenkollegen und Meinungsmacher geschickt, um auf das Spiel aufmerksam zu machen, wirklich abgehoben ist die App aber erst, als Apple auf sie aufmerksam wurde. „Es hat ihnen einfach gefallen, also haben sie es beworben", sagt der gebürtige Wiener. Insgeheim hatten sie mangels eines Publishers auf solch einen Push gehofft, als es dann plötzlich und kurz nach der Veröffentlichung passierte, waren es trotzdem überrascht. „Wir mussten Updates vorziehen, Arbeitsabläufe umstellen. Es war extrem stressig", so Ortner.

Auch Spielwerk hat so einen Promoter im Rücken. Allerdings handelt es sich dabei nicht um Apple, sondern um eine eigene Entwicklung. „Unsere erfolgreichste App ist iGlow Stick. Das ist kostenlos und wurde über vier Millionen mal geladen", sagt Chefdesigner Hess. Die Spaß-App, die mit Spielen gar nichts zu tun hat, wird als Plattform verwendet, um auf Games von Spielwerk hinzuweisen. So konnte sich die Firma einen zweiten Werbekanal aufbauen, um Publikum zu erreichen.

Die Qualen mit den App-Stores
Auch Josef Ortner und sein Team verfolgen die Grundregel: Je breiter aufgestellt, desto besser. Aktuell arbeitet das Team an der Portierung von Hueshift für PC, Mac und Linux. Durch den Mac Appstore, Steams Greenlight und diverse Indie Bundles erhoffen sie sich weitere Verkäufe. Was sie in ihrer kurzen Zeit als Firma noch gelernt haben, ist wie katastrophal die Situation bei Android ist. „Es ist ein schwieriger Markt. Geld macht man da keines", sagt Ortner. Wenn überhaupt, sind nur große Namen wie Rovio mit Angry Birds auf Googles System erfolgreich. Kostenpflichtige Titel funktionieren gar nicht und selbst Gratis-Versionen mit Werbung oder InApp-Käufen rentieren sich nicht. Piraterie sei ebenfalls ein großes Problem. „Wir vernachlässigen Android. Für mobile Games gibt es nichts besseres als iOS", so Ortner.

Hess von Spielwerk sieht Apples Lösung nicht mehr so rosig. „Wir waren ganz früh im App Store dabei. Damals konnte man rasch ein Spiel rausstellen und austesten, was funktioniert. Diese Zeiten sind vorbei." Das Zeitfenster, in dem man wahrgenommen wird, sei extrem klein. Laut dem Designer drängen täglich 300 neue Spiele in den App Store, die Chance entdeckt zu werden ist da fast Null. „Es passiert hier nichts mehr von alleine. Man muss extrem dahinter sein und viel Marketing machen. Der App Store ist ein ungemütliches Pflaster geworden", sagt Hess. Auch bei Android spricht er von Problemen. Das Team habe bereits von allen Games Android-Versionen fertig, diese aber nicht in den Google-Play-Store gestellt. Es fehle einfach die Zeit, alles zu testen. Die Fragmentierung bei Android ist laut Hess einfach zu groß. Mit Spannung wartet er nun auf Windows 8 und das damit gekoppelte Windows Phone 8.

Was die Zukunft bringt
Welches Spiel bei All Cilvilized Planets nach Hueshift kommen wird, ist noch nicht fixiert. „Wir haben viele Ideen und wägen gerade ab", so Ortner. Dass es sich wieder um einen mobile Titel handeln wird, lässt er offen. „Die Spielidee steht immer im Vordergrund. Das Gameplay und die Plattform müssen gut zusammenpassen", sagt der Designer. Woran sie jedenfalls festhalten, ist der Anspruch, den sie an Spiele stellen. Der Einstieg müsse leicht sein und für ein Massenpublikum greifbar bleiben. Zugleich müsse das Spiel aber auch knackig sein und eine Herausforderung bieten. Schließlich soll die visuelle Ebene immer besonders sein, sich ein Stil abzeichnen. Diese Balance will Ortner in jedem folgenden Spiel schaffen.

Experimente und Soziales
Punkto Plattform sei das Team offen für alles. Man habe sich etwa die Virtual Reality Brille Occulus Rift bestellt und werde damit experimentieren. Auch kommende Konsolen sind ein Thema. Hier tauscht sich das Team intensiv mit anderen heimischen Studios, die auf diese Hardware-Bereich spezialisiert ist, aus. Einzig einen Bereich kann Ortner ausschließen. „Social Games werden wir nie machen." Denn hier gehe es weniger ums Spiel, als ums Marketing. Zudem wolle er sich die ständige Betreuung eines Spiels schlicht nicht leisten.

Was sich – nicht ungewöhnlich für die österreichische Szene – gut trifft, denn dieses Gebiet wird Spielwerk künftig stärker bedienen. Durch den Zusammenschluss mit Socialspiel soll die Expertise aus dem Social-Gaming-Bereich nun in den mobilen Sektor einfließen. Anfang 2013 kann mit einem ersten spielbaren Ergebnis gerechnet werden.

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Am Donnerstag, den 20.9.2012, sprechen Josef Ortner (All Civilized Planets), Franz Hess (Spielwerk), Markus Hofer (Blackish) und Fatih Olcaydu im Zuge der SUBOTRON/WKW pro games Veranstaltung über den Tablet und Smartphone-Markt. Die einzelnen Firmen werden kurz vorgestellt, danach wird diskutiert.

Der Vortrag, der von der WKW gefördert wird, startet um 19 Uhr im Wiener Museumsquartier, im Raum D der Electric Avenue. Der Eintritt ist gratis.

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Benjamin Sterbenz

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