"Fantasieprojekt": Russland will LNG mit Atom-U-Booten transportieren
Russland plant den Umbau atomgetriebener U-Boote für den Export von verflüssigtem Erdgas (LNG) aus der Arktis nach Asien. Damit solle die Transportzeit über die nördliche Seeroute nahezu halbiert werden, sagte Michail Kowaltschuk, ein enger Mitarbeiter von Präsident Wladimir Putin und Direktor des Kurtschatow-Instituts, Russlands führender Kernforschungseinrichtung. Kritik kommt allerdings von einem Experten für Atomsicherheit.
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Kowaltschuk stellte das U-Boot-Projekt vorige Woche auf einer Industriekonferenz in St. Petersburg vor, wie am Mittwoch auf der offiziellen Website der Veranstaltung zu lesen war.
Transport unter dem Eis
Russland setzt bereits nuklear betriebene Eisbrecher ein, um den Weg für solche Transporte über die nördliche Seeroute zu ebnen, die entlang der arktischen Küste Russlands von Murmansk im Westen bis zur Beringstraße im Osten verläuft. Moskau sieht diese Strecke als schnellere Alternative zum Suezkanal an. Russland leidet jedoch unter einem Mangel an Schiffen, die in der Lage sind, das dicke Eis der Arktis zu überwinden.
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"Es geht um die Schaffung einer grundlegend neuen Schiffsklasse, die eine Alternative zu den 'traditionellen' Gastransportern darstellen kann, die unter arktischen Bedingungen das ganze Jahr über ohne Eisbrecherbegleitung fahren können", heißt es auf der Website der Veranstaltung. Kowaltschuk sagte den Angaben nach: "Der Bau von Unterwasser-Gastankern mit Nuklearantrieb wird seit langem diskutiert, seit Anfang der 2000er Jahre. Jetzt haben wir (das Kurtschatow-Institut) und Gazprom mit dem Entwurf eines solchen Schiffes begonnen, und diese Arbeit wird fortgesetzt."
Der Nachrichtenagentur RBC zufolge besteht die Idee darin, die Zeit für die Befahrung der Route von 20 auf 12 Tage zu verkürzen. Die 360 Meter langen U-Boote sollen etwa 180.000 Tonnen LNG transportieren können.
Riesiger Unterwasser-Gastanker
Mit einer Länge von 360 Metern wären diese "Unterwasser-Gastanker" die längsten jemals gebauten U-Boote der Welt. Wie viel Wasser die Tanker untergetaucht verdrängen, ist nicht bekannt. Es ist allerdings gut möglich, dass sie auch in dieser Hinsicht zu den Superlativen gehören.
Bislang hält die russische Typhoon-Klasse den Titel des größten U-Boots der Welt, mit einer Länge von 175 Metern und einer Verdrängung (untergetaucht) von 48.000 Tonnen. Das letzte Exemplar der Klasse, die Dmitriy Donskoy, ging Anfang 2023 außer Betrieb.
Als größtes aktives russisches U-Boot gilt seitdem die K-329 Belgorod mit einer Länge von 184 Metern und einer Verdrängung von rund 30.000 Tonnen (untergetaucht).
Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 17 Knoten (31 km/h) sind die geplanten LNG-U-Boote zwar nur etwa halb so schnell wie militärische Atom-U-Boote, gegenüber Eisbrechern an der Meeresoberfläche bestehe dennoch ein Geschwindigkeitsvorteil.
Experte: Pläne sind Unsinn
Es gibt allerdings auch Kritik an den Plänen Russlands. Der ehemalige Offizier der russischen Nordflotte und Inspektor für Atomsicherheit Aleksandr Nikitin bezeichnet das Konzept gegenüber dem Barent Observer als "unsinniges Fantasieprojekt". Russland fehle es an grundlegenden Schiffsbaukapazitäten. Das Land sei nicht einmal in der Lage, einfache Tanker und Frachtschiffe zu bauen. Nun wolle man alte Reaktorprojekte aus der Sowjetzeit entstauben.
Nikitin wurde im Jahr 2000 als erster Russe vollständig vom Vorwurf des Hochverrats freigesprochen, nachdem er die Gefahren verrottender Atom-U-Boote aufgedeckt hatte. Er setzt sich seitdem für Umwelt- und Menschenrechte in Russland ein.
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