Adygene Gletscher im Tian Shan Gebirge in Hochasien

Adygene Gletscher im Tian Shan Gebirge in Hochasien (Kirgistan)

© APA/AFP/ARSENY MAMASHEV / ARSENY MAMASHEV

Science

Warum Gletscher mit Satelliten vermessen werden

Gletscher liegen in enormen Höhen, sind schwer zugänglich und breiten sich über weite Flächen aus. Sie sind zudem dynamisch, also wachsen und schmelzen in unterschiedlichem Ausmaß. Das macht es schwer, sie zu beobachten und zu vermessen. 

Man kann sie punktuell untersuchen und daraus Hochrechnungen ableiten. Als viel wichtiger hat sich in den vergangenen Jahren aber die Nutzung von Satellitendaten etabliert. 

So wird damit etwa hierzulande dokumentiert, wie stark ein Gletscher in Salzburg zurückgegangen ist. Erst kürzlich verdeutlichte eine Aufnahme des Stubacher Sonnblickkees, dass dieser in den vergangenen 25 Jahren um 45 Millionen Kubikmeter schrumpfte. Damit verlor er nahezu die Hälfte seiner Gesamtmasse.

Satellitenbild des Stubacher Sonnblickkees

Satellitenbild des Stubacher Sonnblickkees

Radardaten, wie die der europäischen Sentinel-1-Satelliten, liefern dabei neue Informationen über die Zusammensetzung der Gletscher weltweit. Denn in einigen Regionen, beispielsweise in Asien, sind die Gletscher in enormen Höhenlagen noch nicht so gut erforscht.

Eine Studie untersuchte jetzt das Wachstum von Gletschern, die sogenannte Akkumulation. Sie entstand im Rahmen der „Dragon 5“-Kooperation zwischen der Europäischen Raumfahrtagentur ESA und China, mit Beteiligung der TU Graz.

Dragon-Kooperation

"Dragon" ist eine Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Raumfahrtagentur ESA und dem Wissenschafts- und Technikministerium (MOST) der chinesischen Weltraumbehörde. Sie besteht seit 2004. Die 5. Runde (Dragon 5) der Zusammenarbeit befindet sich derzeit in der finalen Phase. 

55 Forscherteams aus Europa und China arbeiteten im Rahmen von Dragon 5 an 10 Projekten. Dabei werden Themen der Klimaforschung, Erdbeobachtung und Umwelt behandelt.

Sommer- und Winterakkumulation

„Bei uns in den Alpen wissen alle: Im Winter ist es kalt, da fällt Schnee und die Gletscher haben ihren Massezuwachs“, erklärt Tobias Bolch vom Institut für Geodäsie an der TU Graz im Gespräch mit der futurezone. Doch in einigen Gletschergebieten ist das anders, etwa in Hochasien, also in den östlichen Teilen des Himalayas, oder den Gebirgen des Tibetanischen Plateaus. Die Gletscher liegen dort mitunter auf über 6.000 Metern. „Dort ist es im Winter extrem kalt und sehr trocken“, sagt Bolch. Daher geht man davon aus, dass dort kaum Niederschlag fällt.

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Stattdessen sorgen Wetterphänomene wie der Monsun dafür, dass einige der Gletscher im Sommer wachsen. Dann gibt es genug Niederschlag, aufgrund der Höhenlage wird aus dem Regen Schnee und der Gletscher gewinnt an Masse. Bisher war es aber schwierig herauszufinden, welche Gletscher zu welcher Jahreszeit wachsen. 

Radardaten blicken durch Wolken und Schnee

Zusammen mit einem internationalen Forscherteam hat Bolch die Gletscher Hochasiens mithilfe der Radardaten untersucht. „Der Satellit sendet aktiv Mikrowellen aus, die Wolkendecken durchdringen können“, sagt Bolch. Das sei vor allem während der Monsunzeiten im Sommer wichtig, da man in dieser Zeit nicht mit optischen Bildern arbeiten kann. 

Außerdem kann Radar unter die Schneedecke schauen. Die Daten zeigen die genauen Grenzen zwischen frischem Schnee, nassem Schnee, Eis und Firn an. Firn ist abgelagerter Schnee, der mindestens ein Jahr alt ist.

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Sentinel-1 erfasst diese Daten alle 12 Tage. Die Forscher sammelten und verglichen sie über mehrere Jahre hinweg, um sich ein genaues Bild der Gletscherschmelze und des -wachstums zu machen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass das Wachstum im östlichen Pamirgebirge und in großen Teilen des Himalayas überwiegend im Winter stattfindet. 

Bisher ging man davon aus, dass diese Gletscher im Sommer wachsen, denn dann fällt dort der meiste Niederschlag. Diese Annahme wurde aus Messungen geschlussfolgert, die deutlich tiefer im Tal gemacht und auf die höheren Lagen übertragen wurden. 

Mithilfe der Satellitendaten konnten sich die Forscher aber ein konkretes Bild von den Gletschern machen und die bisherigen Annahmen aktualisieren. Erklärbar wäre das Gletscherwachstum im Winter durch eine Zunahme des Niederschlags. Dieser wird unter anderem durch die Westwinde beeinflusst, die im Winter auf die Region treffen. Bisher wurde das Phänomen aber noch nicht genau untersucht.

Anpassung der Klimamodelle

Das hat unter anderem Auswirkungen auf die Klima- und Gletschermodellrechnungen. Die neuen Erkenntnisse können in die Modellrechnungen einbezogen werden. „Gletscher, die vor allem im Sommer wachsen, haben deutlich höhere Masseverluste als jene, die im Winter Masse gewinnen“, erklärt Bolch. 

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„Gletscher sind Wasserspeicher aus Eis, die im Sommer Wasser freigeben“, sagt Bolch. Das abfließende Schmelzwasser ist in der sehr trockenen Region in Hochasien besonders wichtig, da sie die Gegend bewässern. „Der Abfluss im Sommer ist eine wichtige Quelle für das Leben und die Landwirtschaft“.

Gefahren durch wachsende Gletscherseen 

Gleichzeitig verändere sich auch die Gefahrenlage durch den Rückzug der Gletscher, so Bolch. Je mehr sich die Gletscher zurückziehen, desto größere Gletscherseen mit Schmelzwasser entstehen. 

Sind die Wassermengen zu groß, können die Dämme brechen und es schwappen Flutwellen ins Tal, die die Infrastruktur und wichtige Landwirtschaftsflächen zerstören können. „Das passiert in regelmäßigen Abständen“, sagt Bolch. Zudem destabilisieren sich die Hänge durch den zurückziehenden Gletscher, weshalb es häufiger zu Erdrutschen kommen kann.

Die Gletscher in Hochasien werden seit Jahren von Forschern beobachtet. 2022 hat ein Team der Uni Innsbruck diese Probleme untersucht. Durch den stetigen Temperaturanstieg aufgrund der Klimakatastrophe und der dadurch zunehmenden Gletscherschmelze werden in Hochasien die Gletscherseen in den kommenden Jahren stark ansteigen. Bis 2100 kann sich das Wasservolumen der Gletscherseen sogar verzehnfachen, so ihre Schlussfolgerung. 

Mehr Gletscherseen auch in Salzburg

Dass Gletscherseen immer mehr werden, wird auch in Salzburg befürchtet. Aufgrund der Gletscherschmelze werden dort mehr und vollere Gletscherseen erwartet - bis 2100 sollen 260 zu den 1.500 Seen im Hochgebirge dazukommen. Die Auswirkungen werden noch erforscht. Dass auch hier die Dämme brechen und das abfließende Wasser Schaden anrichten kann, liegt nahe.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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