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Simpel

Emporia-Chef: „Sie haben uns ausgelacht“

Den Aufstieg von Emporia umgibt ein Hauch Silicon-Valley-Romantik. Ähnlich wie die berüchtigten Garagenfirmen war das 1991 gegründete Unternehmen in seinen Anfangen eine Post-authorisierte Funkwerkstätte – untergebracht im Elternhaus. Jetzt, 20 Jahre später, verzeichnet die Linzer Firma einen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro, ist in mehreren europäischen Ländern vertreten und expandiert nach Russland, Hong Kong und in die USA. Und das obwohl man denken könnte, dass Emporia bewusst gegen Trends arbeitet. Die Handys sind weder besonders dünn, noch mit Smartphone-Features ausgestattet, die selbst die günstigsten Android-Geräte bieten. Das Geheimnis des Erfolgs ist die Erschließung eines Marktes für Simple Phones und Seniorenhandys.

Neuer Markt
„Wir mussten den Markt erst kreieren und formen. Als wir unsere Senioren-Handys erstmals den Mobilfunkbetreibern vorstellten, haben sie uns ausgelacht und gefragt: Wer braucht das, wer soll das kaufen?“, sagt Albert Fellner, Chef von Emporia. „Wir hatten sogar Schwierigkeiten Lohnfertiger zu finden. Sie wollten keine Vorserienmodelle produzieren, da sie glaubten, die Geräte floppen und dass sie deshalb keine Folgeaufträge bekommen.“

Firmengründer Fellner verwendet, wenig überraschend, ein Emporia-Handy, sieht sich aber deshalb nicht als Technik-Verweigerer: „Mein Background kommt aus der Technik, ich habe nur einen anderen Zugang. Technik kann Spaß machen, es muss aber nicht jedem Spaß machen. Während das Smartphone für manche das liebste Spielzeug ist, haben andere daran keine Freude und wollen einfach nur die Basis-Funktionen, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen.“

Wenn die Zielgruppe primär Senioren sind, ist der Begriff Seniorenhandy für Fellner nicht immer zutreffend. „Eine 35-Jährige, die sich nicht für Technik interessiert, kann sich genauso über ein Emporia-Handy freuen, wie ein 80-Jähriger über sein iPhone 4.“ Diese Meinung scheinen auch Vertreter der Industrie zu teilen: Das Modell „emporiaELEGANCE“ wurde mit drei Design-Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem deutschen iF Product Design Award.

Kopien
Der Erfolg bringt aber auch wenig erfreuliches: Nachahmer. So findet man etwa in Handyshops in Taiwan Billig-Handys, die optisch Emporia-Modellen zum Verwechseln ähnlich sind: „Wir kennen das Problem. Es sind meistens Ultra-Low-Cost-Plattformen, die in ein Gehäuse mit großen Tasten eingebaut werden. Das Interface ist Schrott, die Verarbeitung mangelhaft“, so Fellner: „Wir haben das Motto: Beyond the big button. Es gehört mehr zur einfachen Bedienung als bloß große Tasten. Deshalb würden uns auch über einen guten Mitbewerber freuen, dann könnten wir noch besser die Stärken unserer Geräte zeigen.“

Die Maschinen zur Fertigung der Handys werden in Österreich gebaut und nach China gebracht. Dort werden die Emporia-Geräte von Lohnfertigern hergestellt. Bei Fertigungen in China kam es bereits öfter bei anderen Produkten vor, dass die Unternehmen, die mit der Fertigung beauftragt sind, Komponenten und Geräte als Überschuss produzierten, ohne dass der Auftraggeber davon wusste. Diese werden dann günstig an chinesische Hersteller verkauft, die daraus Kopien der Produkte fertigen.

Expansionen
In Österreich hat Emporia einen Marktanteil von vier Prozent. Verkauft werden die Geräte aber etwa auch in Großbritannien, Deutschland, Polen und Spanien. Dieser Tage gehen erste Lieferungen an Distributoren und Netzbetreiber in Russland und Hong Kong. Nächstes Jahr sollen die USA folgen. „Wir gehen Schritt für Schritt vor. Ein Unternehmen soll organisch wachsen und nicht wild wuchern“, so Fellner.

Um dies zu ermöglichen, hat Emporia ein Beratungsgremium gegründet, dem auch der ehemalige A1-Chef Boris Nemšić angehört. „Meine Rolle ist den Prozess des Wachstums zu begleiten und mitzugestalten“, so Nemšić. „Und auch um die eine oder andere Türe zu öffnen“, so der Manager weiter. Dass aber gerade diese Woche ein Vertrag zwischen Emporia und dem russischen Mobilfunker VimpelCom unterzeichnet wurde (Nemšić war von April 2009 bis Juni 2010 CEO), sei Zufall.

Einen Wunschmarkt hat Fellner noch: Japan. „Das wäre für mich die Königsklasse, da die Japaner sehr technik-affin sind.“ Der Markteintritt sei aber schwer, da es ausländische Unternehmen bei den japanischen Mobilfunkbetreibern schwierig haben. „Deshalb hat das keine Priorität. Erst wollen wir den US-Markt im Griff haben.“

Touchscreen
Trotz Expansionsplänen, oder auch gerade deshalb, wird sich Fellner aus dem Tagesgeschäft zurückziehen: „Im stressigen Büroalltag muss man immer nachdenken. Ich hoffe durch den Ausstieg aus dem Tagesgeschäft jetzt auch wieder vordenken zu können“, sagt Fellner. Er will sich zukünftig wieder verstärkt dem Erkennen und Entwickeln neuer Produkte und Services widmen. Seine neueste Vision: einfach zu bedienende Handys mit Touchscreen. „Das ist eine große Herausforderung. Die ersten Studien waren desaströs.“ Senioren, die zum ersten Mal mit berühungssensiblen Displays in Kontakt kommen, haben laut Emporias Untersuchungen große Probleme mit dem Drücken auf den Bildschirm. „Einige drücken zu schwach, weil sie Angst haben das Glas zu zerbrechen. Andere drücken wieder so stark, dass man Angst bekommt, sie könnten mit dem Finger durch das Gerät fahren“, so Fellner.

Wie genau solch ein Senioren-Handy aussehen wird, will er noch nicht verraten. Für ihn wäre etwa auch eine Mischform aus Touchscreen und ausziehbarer Tastatur denkbar. Auch auf das Betriebssystem will er sich noch nicht festlegen: „Bei Android kann man zwar recht einfach die Oberfläche verändern, wenn man aber Basisfunktionen, wie etwa das Erstellen von Telefonbucheinträgen oder das Tippen von SMS ändern will, stößt man an Grenzen.“

3G als Pflichtoption
Ebenfalls ein wichtiger Punkt zukünftiger Modelle wird 3G sein. „Das hat eher etwas mit den Providern zu tun. Gerade bei skandinavischen Mobilfunkern werden 2G-Modelle oft nicht mehr angeboten, da es für die Betreiber einfacher ist, wenn sich nur 3G-Modelle im Netz befinden.“ Die Integration von 3G kann aber natürlich auch Vorteile haben: „Man muss 3G nicht zwangsläufig nutzen, um einen Browser auf ein kleines Handy-Display zu quetschen. Für zukünftige eHealth-Lösungen oder erweiterte Security-Lösungen (Anm.: der berühmte rote Notfallknopf an der Rückseite mancher Emporia-Handys) kann UMTS und HSPA durchaus praktisch sein.“ Auch eine simple Wetter-Applikation wäre für ihn denkbar.

Damit aber die Senioren nicht in die Kostenfalle tappen, weil sie etwa einen Tarif ohne inkludiertes Datenvolumen oder eine Prepaid-Karte haben, müsste so ein Modell auch von dem Provider entsprechend unterstützt werden: „Die könnten ein nettes Tarif-Paket für das Handy schnüren“, so Fellner. Wann dieses Handy oder ein Touchscreen-Modell erscheint, lässt er noch offen: „Aber am Mobile World Congress in Barcelona (Anm. Februar 2012) werden wir auf jeden Fall Neuigkeiten präsentieren.“

Die Firma:

Das Familienunternehmen mit Sitz in Linz wurde 1991 von Albert Fellner und Eveline Pupeter-Fellner gegründet. Aktuell werden 120 Mitarbeiter beschäftigt, der Jahresumsatz beträgt  50 Millionen Euro. Die Produkte  haben etliche Preise für ihr Design und ihre Bedienung gewonnen. Kernmärkte sind Österreich,  die Schweiz, Deutschland, Polen, Ungarn und Kroatien.  Insgesamt werden die Handys in 30 Ländern vertrieben.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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