Heimvernetzung scheitert an universellem Standard
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Das "Internet der Dinge" oder das "Internet of Everything" gilt seit längerem als milliardenschwerer Markt der Zukunft. Im Consumer-Bereich steht dabei die Heimvernetzung und Heimautomatisierung im Vordergrund. Obwohl der Heimvernetzung ein so riesiges Potenzial zugeschrieben wird, lässt vielversprechendes Engagement aus dem Silicon Valley bislang auf sich warten.
Mit der Übernahme von Nest, einem Anbieter digitaler Thermostate und Feuermelder ist Google zumindest einen Schritt in Richtung Heimvernetzung gegangen. Samsung hat auf der diesjährigen CES eine Plattform für Heimautomatisierung vorgestellt. Die südkoreanische Smart-Home-Lösung soll alle Geräte im Haushalt miteinander vernetzen und per Smartphone oder Tablet steuerbar machen. Seither hat man aber von Google und Samsung Smart Home nicht mehr viel gehört.
Mit HomeKit hat Apple auf der WWDC Anfang der Woche ein Protokoll vorgestellt, mit dem das iPhone zur zentralen Fernbedienung für das Smart Home werden soll. HomeKit ist in das neue Betriebssystem iOS 8 integriert und stellt Herstellern von smarten Haushaltsgeräten ein Protokoll zur Verfügung, mit dem sie die Steuerung ihrer Geräte direkt in iOS einbetten können.
Auf diese Weise soll man nicht mehr auf die jeweiligen Apps der Gadget-Hersteller zurückgreifen müssen, um etwa das Licht zu dimmen oder das Garagentor zu öffnen. All dies soll auch per Sprachassistenten Siri funktionieren, wie Apples Software-Chef Craig Federighi bei der Präsentation erklärte.
Wie genau die Umsetzung aussehen wird, ist derzeit noch unklar. Spekulationen zufolge könnten etwa HomeKit-fähige Haushaltsgeräte mit einer Zertifizierung, ähnlich Apples AirPlay versehen werden. Allerdings könnte die Geschlossenheit von Apples Betriebssystem für einen Siegeszug zu einem Hemmschuh werden.
Genau solches Abschotten sei das Problem bei Heimautomatisierungen. Ein wesentlicher Bremsklotz für das Durchstarten der Heimvernetzung, so glaubt der US-amerikanische Chiphersteller Qualcomm, sei der Mangel an einem universellen Standard mit dem all die Sensoren, Devices und Apps miteinander kommunizieren können. So wie das Web HTML spricht, müsse auch für das Internet der Dinge ein entsprechender Standard gefunden werden.
Mit AllJoyn versucht Qualcomm das Fundament für einen solchen Standard zu legen. Die Idee dahinter ist, das Durcheinander der Vielzahl an bestehenden Transfer-Protokollen abzubauen. "Um das Internet of Everything vollständig realisieren zu können, glauben wir, dass es ein offenes, universelles Software-Entwicklungs- und Service-Framework braucht, das die nahtlose Interaktion sämtlicher Apps und Geräte herstellerübergreifend ermöglicht", sagt Hamid-Reza Nazeman, Country Manager für Deutschland und Zentraleuropa bei Qualcomm, im futurezone-Interview.
Um die Etablierung des AllJoyn-Standards voranzutreiben, hat Qualcomm den Sourcecode geöffnet und der Linux-Foundation übergeben. Außerdem wurde im Dezember vergangenen Jahres die AllSeen Alliance ins Leben gerufen. Rund vier Monate nach Gründung gehören ihr bereits 44 IT-Unternehmen an, darunter klingende Namen wie LG, Panasonic, Sharp, Cambridge Audio, Cisco, D-Link und HTC.
AllJoyn, so Nazeman, ist unabhängig von Betriebssystemen, Plattformen und Produktmarken. Das sei auch der Grund, warum die AllSeen Alliance existiert: "Um gleichgesinnte Unternehmen zusammenzubringen und eine Reihe von Produkten und Services zu schaffen, die auf den selben Standard aufbauen", erklärt Nazeman. Bei ausreichender Verbreitung und Vielfalt der Produkte, so hofft man, würde die Integration des AllJoyn-Standards durch die Hersteller zum Selbstläufer werden, sodass die für das Internet of Everything notwendige universelle Interoperabilität zustande kommt. Denn ohne nahtloser und universeller Interoperabilität könne es auch kein Internet of Everything geben, ist Nazeman überzeugt.
Qualcomm goes Proximal
Das AllJoyn-Framework soll extrem leichtgewichtig sein und kaum Ressourcen beanspruchen. Bei der Kommunikation zwischen zwei Devices soll außerdem der Mittelsmann umgangen werden können. Wenn also beispielsweise die Waschmaschine fertig geschleudert hat und eine Benachrichtigung an das Smartphone oder das TV-Gerät sendet, muss die Information keine Umwege machen, sondern kann im so genannten Proximal Network direkt von Gerät zu Gerät übertragen werden.
Was den Transport-Layer betrifft, soll AllJoyn ebenso unabhängig sein. In der aktuellen Version werden IP-gestützte Transferprotokolle wie WLAN, Wi-Fi-Direct, Ethernet und Powerline unterstützt. Auch Transferprotokolle, die ohne IP-Adressen funktionieren, wie Bluetooth LE, ZigBee oder Z-Wave, sollen demnächst ermöglicht werden.
Die Proximal-Architektur bringt nicht nur Vorteile für die Leistungsfähigkeit sondern auch in Bezug auf Sicherheit, Privatsphäre und Datenschutz. "Das Gute an der Peer-Konnektivität von AllJoyn ist, dass viele der miteinander vernetzen Geräte gar nicht mit der Cloud außerhalb verbunden sein müssen", erklärt Nazeman. So können etwa in einem Smart-Home zahlreiche Geräte zur Gänze im hauseigenen Proximal-Netzwerk bleiben. Will jemand seine Geräte mit dem Web verbinden, so ist es mit AllJoyn möglich, eine gebündelte Leitung nach Außen aufzubauen, ohne dass sich jedes einzelne Device mit dem Internet verbinden muss.
Selbstverständlich muss aber das hauseigene Netz eines vollständig vernetztes Smart-Homes nach wie vor vor unbefugten Zugriffen oder kriminellen Attacken abgesichert werden. Innerhalb des Netzwerkes besteht die Möglichkeit den Zugriff auf Geräte per PIN-Abfrage zu schützen. Wie mit Datenschutz und Privatsphäre tatsächlich umgegangen wird, liegt schlussendlich in den Händen der Gerätehersteller.
Ob es Google, Apple oder Samsung tatsächlich gelingt, die Heimvernetzung wesentlich voranzutreiben wird sich erst zeigen. Denn ein Wechsel auf ein anderes Betriebssystem könnte - zumindest im Fall von Apple - die Funktionsweise des smarten Garagentors oder der intelligenten Heizung fundamental einschränken.
Qualcomm ist hier mit seinem universellen Standard vermutlich eine Nasenlänge voraus. Aber mit AllJoyn ist Qualcomm auch nicht auf weiter Flur. Denn die MQTT-basierende M2M-Plattform von Wind River Systems, die iDigi Cloud von Digi oder das EveryWhere Device Framework von Eurotech rittern ebenso um die Vormachtstellung beim Internet der Dinge. Ob Qualcomm seine führende Marktposition im Bereich der Smartphone-Prozessoren dafür nutzen kann, den Grundstein für das HTML des Internet of Everything zu legen, bleibt abzuwarten.
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