Kein Telefon-Support im Online-Handel: "Klare Verschlechterung für Kunden"
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"Das Urteil ist nicht verbraucherfreundlich und eine klare Verschlechterung für Konsumenten." Mit diesen Worten kommentiert Gabriele Zgubic, Leiterin der Abteilung Konsumentenschutz bei der Arbeiterkammer, die aktuelle EuGH-Entscheidung, wonach Händler nicht zwingend eine Telefon-Hotline anbieten müssen. Die Entscheidung sei bedauerlich, da ein Telefonat im Normalfall die unkomplizierteste Form bleibe, um mit einer Firma in Kontakt zu treten.
Telefon nicht zwingend besser
"Natürlich heißt das per se noch nichts, wenn Kunden bei einer Nummer anrufen können und dann in irgendeinem Call Center landen, wo ihnen erst recht wieder nicht geholfen wird. Die Erfahrung auch aus unseren Beratungsgesprächen zeigt aber, dass gerade bei komplexeren Fragestellungen und Problemen ein Telefonat viele Vorteile bietet", erläutert Zgubic auf futurezone-Nachfrage. In einem Gespräch könnten Nachfragen gestellt werden, der Kunde wisse im Normalfall sofort, woran er sei und auch komplexe Sachverhalte könnten leichter diskutiert werden.
Im Wesentlichen habe das EuGH-Urteil aber ohnehin nur die bestehende europäische Verbraucherrechte-Richtlinie bestätigt, die in Österreich im sogenannten Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz sehr ähnlich wie in Deutschland umgesetzt worden sei. Abgesehen von der nicht mehr zwingenden Notwendigkeit, einen bestimmten Kommunikationskanal anbieten zu müssen, habe der EuGH zumindest erneut klar gemacht, dass Kunden schnell und problemlos mit Unternehmen in Kontakt treten können müssen. "Aus Sicht der AK sollte es Konsumenten aber freistehen, welche Kommunikationsform sie wählen", erklärt Zgubic.
VKI begrüßt Rechtssicherheit
Wenig überrascht vom Urteil zeigt man sich beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). "Dass der EuGH hier anders entscheidet, war angesichts der bestehenden Richtlinie nicht zu erwarten. Das wäre besonders kundenfreundlich gewesen", sagt VKI-Rechtsexpertin Petra Leupold. Sie warnt davor, das Urteil als Schlappe für Konsumenten zu interpretieren. "Jetzt herrscht zumindest Rechtssicherheit. Firmen müssen gewährleisten, dass man mit ihnen einfach, direkt und effizient kommunizieren können muss", sagt Leupold.
Fehlende Transparenz sei eines der Hauptprobleme beim Online-Handel - eben weil der Vertragspartner nicht immer klar ersichtlich oder einfach zu erreichen sei. Jetzt sei zwar klar, dass als Kommunikationskanal nicht zwingend das Telefon oder ein anderer dezidierter Kanal vorgeschrieben sei. Die Möglichkeit, ohne Umschweife den Vertragspartner erreichen zu können, sei vom EuGH mit dem Urteil mehrfach unterstrichen worden", erklärt Leupold im futurezone-Gespräch.
Dass Kunden im Online-Handel wenig Handhabe besitzen, wenn die Abwicklung des Geschäfts zu wünschen übrig lässt oder Probleme auftauchen, sei ein nicht zu leugnendes Faktum. Tatsächlich gibt es auch keine verbindlichen Vorgaben, was die schnelle und unkomplizierte Kontaktaufnahme bedeutet. Wenn etwa ein Unternehmen tagelang auf eine Anfrage nicht antwortet, liegt vermutlich eine Verletzung der in der Richtlinie vorgegebenen Pflichten vor. Dagegen vorzugehen, ist juristisch gesehen aber schwierig.
Rücktrittsrecht als Druckmittel
Kunden, die derartige Missstände nicht tolerieren wollen, bleibt in den meisten Fällen nur die Option, sich an nationale Verbraucherschutzverbände zu wenden. "Wenn sich Beschwerden bei einem unseriösen Anbieter häufen, tun wir natürlich alles, um etwa mit einer Vereinsklage das Recht der Verbraucher durchzusetzen. Gerade, wenn sich der Händler im Ausland befindet, sitzt man sowohl als Einzelverbraucher als auch als Konsumentenschutzverband oft am kürzeren Ast", erklärt Leupold.
Die Konsumentenschützerin erinnert in diesem Zusammenhang aber an das 14-tägige Rücktrittsrecht, das ebenfalls Teil der besagten Richtlinie sei. "Wenn Kunden mit ihrem Vertragspartner unzufrieden sind, können sie ohne Angabe von Gründen vom Vertrag zurücktreten. Wenn Kunden davon Gebrauch machen, wenn die Service-Qualität nicht stimmt, sei das auch eine klare Botschaft, die Unternehmen Ernst nehmen müssen", sagt Leupold.
Wirtschaftskammer glaubt an das Telefon
Wenig Auswirkungen aufgrund des Urteils erwartet auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). "Im Sinne der Servicierung und Kundenbindung werden heimische Onlineshops mit Sicherheit aber weiterhin per Telefon erreichbar sein“, teilte Martin Sonntag von der WKÖ in einer ersten Stellungnahme mit. Telefonische Services seien auch beim Beschwerdemanagement und bei der Klärung diverser Anliegen von großer Bedeutung.
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