Hype um europäischen KI-Gründer: Was hinter Mistral AI steckt
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Google, Meta und zuletzt OpenAI – denkt man an Künstliche Intelligenz, denkt man gleichzeitig an Unternehmen aus den USA. Jetzt gibt es aber neue, europäische Hoffnung: Mistral AI aus Paris ist aktuell der Überflieger in puncto KI. Vergangene Woche sorgte das französische Start-up für Aufregung, als es überraschend sein mit GPT-4 vergleichbares Sprachmodell über einen X-Link verschenkte. Die futurezone hat sich das Unternehmen genauer angesehen.
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In Frankreich wird KI gemacht
Frankreich gilt als europäisches KI-Land. Bereits 2018 versprach Emmanuel Macron 1,5 Mrd. Euro öffentliches Geld in Künstliche Intelligenz fließen zu lassen – damit wollte Macron dem französischen Brain-Drain in Richtung USA etwas entgegensetzen. „In den USA wird das Thema gänzlich vom privaten Sektor, großen Unternehmen und einigen Start-ups bestimmt. Alle Entscheidungen dort sind privat, sie betreffen aber die Allgemeinheit“, sagte Macron in einem Interview mit Wired 2018 über seine Motivation dahinter. Europa müsse dagegenhalten, erklärte Macron.
Tech-Giganten suchen in Frankreich nach Talenten und gründeten dort Forschungseinrichtungen. Bereits 2015 eröffnete Meta ein KI-Labor in Paris namens FAIR (Facebook Artificial Intelligence Research). Google folgte Metas Beispiel mit einer eigenen Einrichtung.
31-jährige KI-Nachwuchshoffnung Arthur Mensch
Mistral AI wurde erst im Mai 2023 in Paris von 3 Franzosen gegründet, die dafür ihre Forscher-Jobs bei Google und Meta hinschmissen. Ihr blutjunges Start-up sorgte von Anfang an für Aufruhr, die für europäische Verhältnisse äußerst ungewöhnlich sind: Nur 4 Wochen nach der Gründung erhielt das Start-up, das zu diesem Zeitpunkt weder ein Geschäftsmodell noch ein Produkt hatte, eine Rekordsumme von 105 Mio. Euro von Investor*innen. In der Vorwoche kamen abermals 385 Mio. Euro dazu.
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Der Gründer Arthur Mensch hätte durchaus das Zeug, ein europäischer Sam Altman (Anmerkung: CEO des ChatGPT-Unternehmens OpenAI) zu werden: Wenn er über Mistral AI spricht, spürt man seine Vision, die er überzeugend vermittelt. Der 31-Jährige, der unter anderem an der französischen Eliteschmiede École Polytechnique studierte, arbeitete einige Jahre bei Google Deep Mind, wo er an KI-Sprachmodellen (sogenannte LLMs) forschte. Seine beiden Mitgründer arbeiteten zuvor bei Meta (Ex-Facebook) am KI-Sprachmodell LLaMa. Mistral AI hat also ideale personelle Voraussetzungen, um es mit OpenAI aufnehmen zu können.
Streiten um den Quellcode
Allerdings gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen Mistral AI und OpenAI. Die Franzosen setzten bewusst auf Open Source. Was bedeutet, dass auch andere den Quellcode anschauen dürfen. Wissenschaftler*innen und Programmierer*innen können in der Folge eigene Apps darauf aufbauen und Verbesserungen vornehmen. In den vergangenen Jahren ist um Open Source in der KI-Szene ein Streit entbrannt. Einige halten es für unverzichtbar, dass die Quellcodes einsehbar sind - und keine Black Boxes. Andere wiederum halten Open-Source-Modelle für gefährlich. Zu diesem Lager gehört mittlerweile Open AI, das in der Open-Source-Frage in den letzten Jahren einen radikalen Wandel vollzog.
Dabei trägt OpenAI den Open-Source-Gedanken sogar im Namen: Ursprünglich waren die OpenAI-Modelle nämlich Open Source. 2019 rückte das Unternehmen jedoch davon ab. Im selben Jahr wurde OpenAI von einer Non-Profit-Forschungsorganisation in ein For-Profit-Unternehmen umgewandelt. Gleichzeitig kaufte sich auch Microsoft bei OpenAI ein. Seit 2020 erhält Microsoft die GPT-Lizenzen exklusiv für Microsoft-Produkte – damit ist Microsoft derzeit der einzige Player, der den Sourcecode von GPT-Modellen ab GPT-3 einsehen darf. OpenAI beruft sich auf wirtschaftliche Gründe und auf die KI-Sicherheit.
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OpenAI ist der Meinung, dass quelloffene KI-Modelle für böse Absichten verwendet werden könnten – etwa für Terror oder zur Erfindung von Biowaffen. Im Podcast No Priors erläutert Mistral-Co-Gründer Mensch seinen persönlichen Zugang. Er glaubt, dass Open Source KI eigentlich sicherer mache: „Nichts weist darauf hin, dass LLMs derzeit gefährlicher sind als Suchmaschinen“, meint Mensch. „Derzeit sind Open-Source-Modelle der beste Weg, um die Modelle ordentlich zu überprüfen. Damit wir bereit sind, wenn neue kommen, die superintelligent sein könnten“, erklärt Mensch. Denn derzeit würde es sich dabei nur um zusammengefasstes Wissen handeln, das im Internet ohnehin verfügbar sei. Mit Open Source würde man die KI nicht nur der Aufsicht großer Tech-Konzerne überlassen.
Mehr Austausch für sicherere KI
Mensch erklärt, dass er und seine Kollegen Mistral AI vor allem gegründet hatten, weil sie mit der Richtung der Tech-Konzerne unzufrieden waren. Sie hätten einen Wandel gespürt: Lange Zeit habe es in dem Bereich einen guten Austausch zwischen wirtschaftlichen und akademischen Forscher*innen gegeben – dann sei plötzlich etwas passiert: „2020 waren einige den anderen in manchen Bereichen voraus und sie erkannten, dass darin Wert steckt. Ab da verschwand die Transparenz“, sagt er im No-Priors-Podcast. „Wir denken, das ist zu früh. Es schädigt die Wissenschaft“, so Mensch. „Vieles wird noch nicht wirklich verstanden. Es muss noch viel gemacht werden, es braucht neue Techniken. Aber wie soll man diese entwickeln, wenn niemand darüber spricht?“ Die Firmen, die mit KI am meisten Geld verdienen, geben sich gegenüber Wissenschaftler*innen nun aber verschlossen.
Stattdessen will Mistral AI einen Wettbewerb um die besten Prüfmechanismen für KI etablieren. Dafür brauche es aber Transparenz: „Es sollte im Bereich der Überwachung einen gesunden Wettbewerb geben. Das funktioniert nicht, wenn man ein paar Unternehmen damit beauftragt, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen“. Wie Mistral AI wollen auch Unternehmen wie Meta und IBM den Open-Source-Weg gehen und gründeten eine eigene KI-Allianz. Ihre Konkurrenz von Google und OpenAI sind in dieser Allianz nicht dabei.
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